Der schlammige Matsch auf den Straßen Kattegats spritzte an ihren Beinen hoch, als Magery erneut stehen blieb und sich unentschlossen umsah. Noch konnte sie umdrehen, sich heimlich auf ein Schiff schleichen und hoffen, dass es zurück in ihre Heimat segeln würde.
Noch war es nicht zu spät. Innig betrachtete die Engländerin das immer spitzer zulaufende Stück Broncemetall in ihrer Hand, welches sie noch tiefer in diesen Sumpf aus Dilemma geritten hatte, als sie eh schon hinein geraten war. Askur hatte sie mit der Anweisung betraut, die fingerdicke Nadel so schnell wie möglich zu Ivar zu bringen, ohne einen Umweg einzuschlagen. Leise fluchend setzte sie ihren Marsch fort. In keinster Weise verspürte sie auch nur das leiseste Verlangen danach, dem Krüppel unter die Augen zu treten.
Die große Halle Kattegats hatte in dem dämmerndem Abendlicht eine gespenstische Wirkung verliehen bekommen, die von den zwei stumm vor sich hin starrenden Wachmännern nur noch stärker untermauert wurde."Der Schmied schickt mich.", murmelte Magery leise auf nordisch. Seit ihrer Ankunft war sie der fremd klingenden Sprache mächtiger geworden und konnte sich in den meisten Fällen, wenn auch nicht ganz fehlerfrei, ausdrücken. Die meisten Worte hatte sie bei den Kindern auf dem Trainingsplatz gelernt, die Gefallen daran gefunden hatten, der Engländerin verschiedenste Wörter beizubringen. Wobei sie sich an ihrer andersartigen Aussprache zu freuen schienen.
"Wenn du zur Königin willst Insulanerin, dann musst du morgen wiederkommen. Sie ist nicht da.", antwortete der Kleinere der beiden und spie einen Gerstenhalm aus, auf dem er bis vor kurzem gekaut hatte.
"Wo ist die Königin?"
Hoffnung keimte in Magery auf. Vielleicht war Aslaug mit ihren Söhnen zu einer entfernten Opferstelle aufgebrochen oder verhandelte in einem anderen Dorf.
"Was weiß ich was die Königin so treibt. Sehe ich vielleicht aus wie ihre verdammte Zofe? Sie ist nicht da. Also verschwinde Mädchen bevor ich dir Beine mache.", polterte der Wachmann zurück. Magery kannte die Missmutigkeit der Wachen in den Abendstunden bereits. Zu dieser Zeit fröhnten sie sonst des Mets und der Gesellschaft freizügiger Weibschaft. Doch wenn man ihnen wie an diesem Abend, den Befehl zum wachestehen gegeben hatte, dann bedeutete das für sie eine klamme Nacht im stehen zu verbringen und sich lediglich an dem heranschallenden Gelächter ihrer Waffenbrüder aus den Tavernen zu erfreuen.
"Ich will nicht zur Königin. Ich soll unverzüglich zu ihrem Sohn."
Der Längere zog eine Braue hoch und lehnte sich gegen seine Lanze, sodass ein leises Klimpern des Kettenhemdes zu vernehmen war.
"Zu welchem Sohn?"
"Zu Ivar"
Der Wachmann richtete sich augenblicklich wieder auf.
"Der jüngste Ragnarson vertritt seine Mutter gerade im Thing. Wir können dich nicht vorlassen."
"Mach den Mund zu Vebjör. Hast du nicht gehört was die Kleine gesagt hat? Der Schmied schickt sie. Und zwar unverzüglich. Willst du Lachskopf dafür verantwortlich sein, dass der Knochenlose etwas angefertigtes nicht zur rechten Zeit bekommt? Lothbroks töten für weniger.", bellte der Kleinere, während er Magery per Handzeichen zu verstehen gab ihm zu folgen.
"Geh durch die seitliche Tür in die Halle Mädchen. Das Eingangsthor würde zu viel Aufsehen erregen."
Tatsächlich konnte die Adelige in der plankenförmigen Wand des eindrucksvollen Gebäudes die Umrisse einer kleinen Holztür erkennen. Ungeduldig schob der Wachmann sie hindurch. Magery brauchte nicht lange um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen und Ivar auszumachen. Gut zwanzig Schritt vor ihr thronte der Knochenlose auf dem Königsstuhl von Kattegatt. Zu seinen Füßen loderten zwei Feuerschalen, die den Raum vor ihm erhellten und flackernde Umrisse an die Wand warfen. Hinter dem Thron war die Halle in Dunkelheit gehüllt.
Ivar trug einen purpurroten Wams, umschlungen von einem bodenlangen Fellumhang, der offen über seine Schultern hing.
Nichts wies annähernd auf seine Versehrtheit hin. Er sah aus wie ein König.
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Ruthless (Ivar, Vikings)
Romance[Ivar Fanfiction, Vikings] 900 nach Christus, England Sie kamen im Morgengrauen. Niemand wusste woher sie kamen oder wohin sie gingen. Doch wo ihre drachenköpfigen Schiffe am Horizont auftauchten herrschte bald Tod und Verderben. Davon erzählten zum...