25. Kapitel

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Immer mehr Menschen strömten aus den Gassen und blickten entsetzt zum Platz herüber.
Wo am Morgen zuvor noch die große Halle, einer Festung gleich, in den Himmel geragt hatte, war nun ein loderndes Inferno. Ein großer Teil des Dachstuhls war auf die westliche Seitenwand gekracht, in der nun ein großes Loch prangte. Rauchschwaden und Feuerzungen leckten daraus an den Seiten hervor und verströmten eine beißende Hitze. Niemand schrie nach Löscheimern. Es war sinnlos.

Plötzlich teilte sich die Menge, die in fassungsloser Starre um die Halle stand.
Brennende Glut wurde unter Wagenrädern zermalmt, als der Knochenlose den Wagen vor der eingestürzten Wand zum stehen brachte.
In Ivars eißblauen Augen reflektierte das Feuer, als er den Körper sah. Reglos lag er unter einer gesplitterten Tafel, zusammengekrümmt und schwarz.

"Wer ist das Mama? Ist das einer seiner Brüder? Oder eine norwegische Prinzessin?", flüsterte ein beistehendes Kind ehrfürchtig und drückte sich an seine Mutter.

"Ich weiß es nicht", flüsterte sie zurück.

"Ich möchte näher ran Mama"

"Nein. Bleib hier", zischte die Frau und riss ihren Sohn an der Kaputze zurück.
Sie tat gut daran.

Ivars Hände hatten sich zu Fäusten um die Zügel geballt, sodass die Knöchel hervortraten. Dem Druck nicht mehr standhaltend, machte der Hengst einen Satz, ging auf die Hinterbeine und schlug dort wieder auf, wo eben noch der Junge gestanden hatte.

Doch das war nicht, was die Masse in Entsetzen erstarren oder aufschreien ließ. Noch bevor das Pferd zum stehen kam, war Ivar von seinem Wagen gesprungen und hatte sich durch die Flammenwand geworfen.

"IVAAR", brüllte der Anführer des rechten Schlachtflügels, an dessen Seite er eben noch gekämpft hatte. Doch seine Rufe drangen nicht bis ins Innere der großen Halle, wo jegliche Stimmen vom Getöse brechender Balken und dem Knacken der Flammen übertönt wurde.

"Ivar", nahm der Junge den Schrei auf und drückte die Hand seiner Mutter fester.

"Oh Freya gib dem jüngsten Sohn unserer Königin das Geschenk der Vernunft und lass ihn umkehren", hörte Háfi seine Mutter flüstern, doch er unterbrach ihr Gebet.

"Bitte die Götter nicht um Schutz! Ivar ist selbst ein Gott Mama. Er muss einer sein."

Denn wie auch sonst hätte sich ein Kind erklären können, was da vor ihm geschah.
So wie die Christen es sich vorstellten, schliff sich der Knochenlose wie der Teufel über das, was aussah wie die Hölle. Ein Boden übersäht von Feuer und Gluht.
Doch anders als in dem großen Buch über den gekreuzigten Gott beschrieben, roch es nicht nach Schwefel, sondern nach verbranntem Fleisch. Die Quelle dieses Gestankes auszumachen, war ebenso leicht wie grausam.
Die kurzen Eisenspieße, an denen der Knochenlose sich sonst über den Boden schliff, waren vor den Toren Kattegatts auf dem Schlachtfeld geblieben. Einer achtlos im Gras, der Andere im Bauch eines Gegners.
Stattdessen zog Ivar sich mit den Händen vorwärts und zerdrückte die Glut in die er fasste mit den Fäusten zu Asche.
Der Gestank wurde beißender. Die ledernen Stiefel, die fast das gesamte Bein umschlossen, würden dem Inferno nicht lange standhaltend können.
Aufbrechende Löcher in den schwarzen Wolken, die aus dem Inneren der Halle strömten, bargen Gewissheit. Abscheu überkam die Schaulust und die Ersten wendeten sich ab.

"Komm Háfi... wir gehen nach Hause und sehen nach den Anderen", sagte Ylva, die Mutter des Jungen, sanft. Doch der Nachdruck in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

"Nein Mama", Háfi riss sich los.
"Er ist ein Gott!"

Asche, Funken und Rauch stoben aus dem Einriss hervor, als der Klang von Aufschlägen und splitterndem Holz den Einsturz weiterer Balken vermuten ließen.

Ruthless (Ivar, Vikings)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt