27. Kapitel

1.6K 76 16
                                    

Hier schon mal der Anfang des neuen Kapitels, um euch die Quarantänezeit zu versüßen. Der Rest folgt die Tage! Stay home.

Ivars saß am Fuße einer Tanne, das Gesicht hinter einer dunklen Kapuze verborgen. Wären seine Finger nicht im Schoß gefaltet, sondern um den Griff einer Sense geschlossen gewesen, so hätte es auch Gevatter Tod sein können, der sie nun holen kam. Magery wusste nicht was das kleinere Übel wäre.
Sie stieß den Mann, der sie zuvor noch durch den Wald geschliffen hatte, von sich weg. Er taumelte zwei Schritte, bevor er zu Boden fiel.
Durch den Kampf beschworenes Adrenalin peitschte durch ihre Venen und dröhnte in den Ohren.

"Komm her"

Magery rührte sich nicht.

"D-das waren deine Männer. Du hast sie geschickt", keuchte sie und versteifte sich.

"Ich konnte es nie leiden, wenn mein Bruder sich mein Spielzeug nahm", entgegnete er kühl.

"Wieso hast du mich dann wie Vieh auf sein Schiff führen lassen?"

Magery spürte, wie etwas in ihr aufzukeimen begann.

"Und warum lässt du mich noch in der selben Nacht von deinen Männern zurückrauben und misshandeln?", schrie sie, nun am ganzen Körper bebend.

"Sie haben dich nicht misshandelt"

"Sie haben mich auf die Knie gezwungen und mein Haar abgeschnitten"

Heiße Tränen rannen ihr über die Wangen. Doch diesmal waren es keine Tränen der Trauer, sondern Tränen der Wut.

"Ich befahl es ihnen. Und jetzt sei ruhig und steig auf den Wagen. Du weckst mit deinem Geschrei die Männer auf den Schiffen auf"

Magery fauchte und sprang zurück. Etwas Unbekanntes war in ihr entflammt. Schon vor langer Zeit. Aber sie hatte es in sich gekehrt, betäubt oder in Arbeit ertränkt. Doch nun brach es frei.

"Du willst dass ich zurück gehe? Ohne mir eine meiner Fragen zu beantworten? Nichts dergleichen werde ich tun!"

"Magery..."

Die Stimme des Knochenlosen war bedrohlich ruhig geworden.

"Warum hast du mich aus den Flammen gerettet, nur um mich dann wegzuschicken? Und warum bist du kein einziges Mal zu mir in die Kammer gekommen?"

Ivar nahm die Hand aus dem Schoß und legte sie an den Gürtel.

"Engländerin we-.."

"Was Ivar? Was dann?", fiel sie ihm ins Wort.

"Wirst du mich mit dem Gürtel schlagen? Oder wirst du mit einem deiner Messer nach mir werfen? Oder nimmst du gleich die Axt? Du kannst mir nichts anhaben Ivar. Denn egal was du mir antust, es gibt nichts was ich unter dir noch nicht erleiden musste. Ich habe keine Angst mehr vor dir", schrie sie zitternd und ballte die Fäuste so sehr, dass Blut zwischen ihren Fingern hervor quoll.

"Werd nicht übermütig Magery. Das ist kein Mut. Nur der Mangel an Fantasie", knurrte er dunkel und das Mädchen war froh sein Gesicht nicht erkennen zu können.

"Ich habe keine Angst mehr vor dir", wiederholte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen und verstärkte den Griff um das Jagdmesser in ihrer Rechten.

"Du hast keine Angst mehr vor mir? Dann solltest du Angst vor dir selber haben.", zischte er und kam langsam wie eine Schlange in ihre Richtung gekrochen.

Magerys Herz raste doch sie wich keinen Schritt zurück.

"Das ist nah genug! Ivar! Ivar"

Als der Knochenlose keine zwei Schritte mehr von ihr entfernt war sprang sie in Kampfpositur und streckte ihm das Messer entgegen.

Sein Blick glitt über die Waffe wie über einen Laubzweig. Anstatt stehen zu bleiben zog er sich um eine weitere Armlänge nach vorne. Magery wich nicht, sie stach zu. Nicht sehr stark, nicht sehr schnell, nicht beherzt. Doch es genügte, um ihn zum Ausweichen zu zwingen.

"Magery du-"

Bevor der Knochenlose seinen Satz beenden konnte stach sie erneut zu. Diesmal wich er nicht. Mit der rechten Hand ließ er eine Axt aus dem Gürtel hoch schnellen und parierte den Stich.

Ein Hochgefühl schäumte in den Venen der Adeligen auf. Das Gefühl von Freiheit, sich nicht fügen zu müssen, sich zu wehren, aufzubegehren.

Sie zog zurück, nur um das Messer ein weiteres Mal in die Richtung des Knochenlosen schnellen zu lassen. Ivar setzte zur Parade an. Doch bevor die Klingen sich kreuzten drehte er sein Handgelenk, riss die Waffe nach oben und schlug Magery mit dem Stiel der Axt auf den Handrücken. Ein kurzer Schrei entrang sich ihren Lippen, als sie das Messer überrascht fallen ließ. Panisch schaute sie sich um. Im fahlen Schein der Dunkelheit konnte sie zu ihrer rechten einen faustdicken Zweig erkennen. Doch es war zu spät. Noch immer rauschte es in ihren Ohren, als sie von den Beinen gerissen wurde. Dennoch fasste sie sich schnell. Magery rollte auf den Bauch und versuchte irgend möglich nach hinten weg zu kommen. Denn wenn Ivar es gelang ihrer auf dem Boden habhaft zu werden, hatte sie verloren. Tannennadeln stachen in Hände und Knie während sie sich vom Untergrund abstieß um auf die Füße zu kommen. Für einen Moment schien es so, als würde die Flucht gelingen, da packte etwas ihre Verse und riss sie zurück. Ein dumpfer Schmerz durchzog ihren Schädel,  als Magery erneut auf dem Boden aufschlug. Diesmal gelang es ihr nicht sich rasch zu sammeln. Wie ein Tier, das man zu lange in die Ecke gedrängt und mit Lanzen malträtiert hatte, reagierte sie nur noch nach Instinkt. Wie eine Furie bäumte sie sich auf, schrie, warf mit Tannennadeln und trat um sich. Ein paar mal stieß die Ledersohle ihrer Stiefel auf etwas hartes und der Griff um ihren Knöchel verschwand abrupt. Sofort rappelte Magery sich auf und rannte los.

Ruthless (Ivar, Vikings)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt