21. Kapitel

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Magery fuhr aus dem Schlaf, als sich eine Hand auf ihren Mund presste.

"Sei leise, sonst weckst du noch die Königin. Wir müssen los", flüsterte Ava, die am Rand ihres Bettes kniete.

"Wovon redest du? Es ist mitten in der Nacht"

Magery blinzelte verschlafen.

"Heute ist das Fest der Iduna. Wir danken den Göttern für die erfolgreichen Jagden"

"Könnt ihr das nicht auch tagsüber?"

"Nein es ist ein Brauch. Vor Sonnenaufgang finden sich alle unverheirateten Männer und Frauen am Fuße des Varbergs ein, um den Göttern zu Ehren eine Jagd zu veranstalten. Auch die Unfreien. Bitte Magery, wir müssen hingehen..."

Die Christin stöhnte, bevor sie sich verschlafen unter einem Berg aus Fellen hervor rollte und nach ihrem Mantel griff.

"Nein zieh das an", sagte Ava hastig und streckte Magery ein langes, weißes Wollhemd entgegen.

"Weshalb?"

"Das ist Teil des Brauches. Alle Mädchen tragen weiß"

Anders als Magery es erwartet hatte, schützte das Gewand tatsächlich soweit vor Kälte, als dass sie ihre Oberschenkel immernoch spüren konnte, nachdem sie den Waldrand erreichte.

Dennoch versuchte sie sich möglichst dicht an eine der lodernden Fackeln zu halten, die wie Zinnsoldaten aufgestellt zwischen den Bäumen standen. In mitten der tanzenden Schatten liefen Frauen in weiß lachend und tuschelnd umher. Die Männer hingegen standen etwas abseits und ließen lediglich ein paar betrunkene Gröler durch den bewaldeten Berg schallen.

"Worauf warten alle?"

"Darauf dass ein Priester die Jagd für eröffnet erklärt"

Sofort schoss Magery ein Bild von dem kahl rasierten Mann in den Kopf, der sie bei dem Julritual vor fast einer Mondwende zur Auserwählten erklärt hatte. Ein kaltes Frösteln durchzog sie.

"Dieses Jahr wird Jandal die Ehre der Eröffnung inne haben. Der Hohepriester ist mit anderen Dingen beschäftigt hat er mir erzählt", antwortete Ava, als hätte sie ihre Gedanken gelesen.

Magery erinnerte sich an den jungen Mann im Badehaus und die Art wie Ava ihn angesehen hatte.

"Magst du Jandal gerne?"

Ein schelmisches Lächeln huschte über Avas Lippen.

"Er ist sehr höflich"

"Bewohner von Kattegat-", unterbrach eben dieser das Gespräch der jungen Frauen.

"Heute ist der Tag, an dem wir würdigen was am tiefsten in uns und unserer Geschichte verankert ist: Die Jagd.
Auf dem Gipfel dieses Berges ist eine Linie aus Korn gelegt. Wessen Beute über diese entwischt, muss sie aufgeben denn dahinter ist sie in Sicherheit. Doch auf dem Weg dorthin könnt ihr sie jagen. Es beginnt, wenn der dritte Klang des Odinhorns verklungen ist", beendete Jandal mit feierlich gehobener Stimme und gab dem Mann neben ihm ein Zeichen. Der erste Stoß ertönte.

"Ava?"

"Ja?"

Die nordische Sklavin hatte zwei Fackeln aus ihren Haltungen genommen, um Magery eine zu reichen.

Der zweite Ton erklang.

"Was wird gejagt?"

Ava schaute die Engländerin überrascht an.

"Wir"

Der dritte Stoß schallte an Magerys Ohr und ging in eine Kakophonie aus Rufen, Lachern und Schreien über. Um Magery herum war Chaos ausgebrochen. Mädchen liefen kreischend umher und verschwanden zwischen den Bäumen. Die Engländerin blickte sich suchend um. Auch Ava war verschwunden. Stattdessen sah sie, wie sich eine Wand aus dunkel gekleideten Männer von der Seite auf sie zu schob.

Ruthless (Ivar, Vikings)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt