If we meet again... [Wattys 2018 Longlist]

With a wonderful effect...

Louise stand pünktlich um 07:45 vor dem Augustine, ein sommerliches, marineblaues Max Mara Kleid schmeichelte ihrer schmalen Figur, die Jimmy Choo Sandalen ließen ihre kleine Statur ein wenig größer wirken. Ihre welligen, goldbraunen Haare waren zu einem lockeren Fischgrätenzopf geflochten, der ihr lässig, aber dennoch elegant seitlich über der Schulter hing. Ein dezentes, sommerliches, aber dennoch gepflegtes Make-Up perfektionierte ihr Aussehen zu diesem besonderen Tag. Ihrer regelmäßigen Routine sei dank, hatte sie diesen Look in einer knappen Dreiviertelstunde gezaubert und fand, das Outfit sei ihr sehr gut gelungen. Auch wenn es nicht Stylisten-Like perfekt aussah, hatte sie es genossen, sich wenigstens die paar Minuten in ihrem Zuhause nehmen zu können, einen Schluck heißen Kaffee zu trinken, laute Musik zu hören, eine kurze, aber für sie ausgiebige Dusche in ihrem heißgeliebten Badezimmer nehmen zu können - eben das, was für die allermeisten Menschen eine absolute Selbstverständlichkeit war. Zu Hause zu sein gab ihr immer einen undefinierbaren, aber sehr starken Motivationsschub. Das Gefühl von Heimat und Geborgenheit fehlte ihr auf den vielen Reisen einfach sehr, sodass sie sich manchmal müde davon fühlte, aber die Stippvisiten in ihr Townhouse machten alles wieder wett. Als sie es vor drei Jahren kaufte, hätte sie nicht gedacht, dass vier Wände sie so erden könnten, sie auf den Boden zu bringen, Kraft zu tanken. So viel Kraft, dass sie das Gefühl hatte, trotz des nur kurzen Nickerchens im Flieger, heute Bäume ausreißen zu können. Heute ging es um einen Mega-Deal für Ward Brothers & Son's, welcher eventuell die Zahlen noch einmals immens nach oben katapultieren würde. Louise hatte seit Monaten versucht diesen einzutüten und es gestaltete sich als gar nicht so einfach. Aber nach vielen Vorgesprächen, Angeboten und Verhandlungen, war sie heute nur noch eine Unterschrift und einen Handschlag von ihrem Erfolg entfernt. Louise schaute noch einmal kurz auf ihr Smartphone.

"Go girl, and kick their butts!" hatte Joy ihr eine Message geschrieben. Louise lächelte kurz in sich hinein, bevor sie die pompöse Eingangshalle des Augustine betrat. Joy hatte dieses Lokal für das Meeting ausgewählt und auch den Termin vereinbart - das Augustine war ein nobles, aber sehr angesagtes Restaurant im Financial District. Das kürzlich eröffnete Restaurant befand sich im Beekman Hotel und war speziell aber sehr hochwertig eingerichtet. Ein Hauch Pariser-Brasserie-Flair, gepaart mit dem Charme einer Fleischerei, so ganz Louises Geschmack waren der geflieste Boden und die mit bunten Fliesen übersäten Wände nicht, aber bei dem sommerlichen Sonnenwetter in New York wirkte die Einrichtung doch etwas erfrischend.

"Good morning, how are you today?" begrüßte sie eine in schwarz weiß gekleidete Mitarbeiterin des Augustine.

"Thank you I am very good - my Name is Louise Ward and we have a reservation for 8 a.m."

"Oh yes of course!" antwortete sie, "Let me show you your table."

Louise wurde an einen der etwas separierten Tische in einer Ecke geführt. Es handelte sich um eine Tischgruppe mit einer runden Sitzgruppe aus braunem Leder mit einem runden, liebevoll gedeckten Tisch.
"Thank you very much," entgegnete Louise, und bat sie, ihre Geschäftspartner an den Tisch zu führen sobald sie da sind.

"But of course, in the meantime, my name is Emily, if you need anything"

"A cortado would be awesome." antwortete Louise etwas sehnsüchtig nach einer Portion Koffein.

"Coming right away!"

Louise setzte sich und unternahm erstmal nichts. Sie legte ihr in das lederne Sleve gehüllte Macbook und die Hülle mit den Verträgen neben sich. Es wirkte abgehetzt, wenn sie bereits alles auf dem Tisch vorbereitete - eine lockere Atmosphäre schaffte Vertrauen, vielleicht der letzte Schubs zu dem erfolgreichen Deal. Ein Blick auf ihr Smartphone verriet, sie hatte noch 10 Minuten. Für die meisten, ein Augenzwinkern, für Louise an diesem Morgen fast etwas wie Urlaub. Sie war super vorbereitet, selbstsicher und zuversichtlich, sodass sie sich einfach, nachdem Emily ihr in Windeseile den Cortado servierte, einfach zurücklehnte und auch diesen Moment genoss, einfach wie so typisch in einem Kaffeehaus, den Blick schweifen zu lassen. Louise ließ vorsichtig ein paar Zuckerkristalle auf die schaumige Oberfläche ihres Cortados rieseln und nahm ohne zu rühren einen vorsichtigen Schluck. Zucker war böse, so vermittelte es einem zumindest die Umwelt, aber ein Hauch Süße auf einem kräftigen Cortado schmeckte herrlich und war zusätzlich, wenn auch nur ein klitzekleiner, Energiebooster. Das Augustine war für diese Uhrzeit noch relativ leer, lediglich 3 - 4 Tische waren besetzt, überwiegend durch anzugtragende Bankiers mittleren Alters, die sich vor dem Börsenchaos noch schnell ein Pan e Chocolat und einen Espresso genehmigten und sich hinter der financial Times versteckten. Typisch für das anonyme Financial District war der fast schon akkurate Abstand zwischen jedem der besetzten Tische. Louise schmunzelte etwas über diese Geheimnistuerei, Geschäfte abschließen tat jeder heimlich, aber die Deals feierten, vor allem die Männer, wie Könige, die gerade die ganze Welt erobert haben. Eigentlich passte sie hier gar nicht rein und wunderte sich erneut, weshalb Joy mit dem Klienten, gerade das Augustine im Financial District ausgewählt hatte. Danach müsste sie sie später dringend noch einmal interviewen. Louise nahm die kleine Tasse mit dem Cortado in ihre beiden Hände und nippte noch einmal daran. Die Sonne über New York blitzte schon vorsichtig zwischen den Hochhäusern auf die Straße und wurde durch die spiegelvertäfelten Wände des Augustines herrlich reflektiert. Vielleicht hatte Joy von diesem Lichtspiel gelesen, ihre Recherchefähigkeiten waren Louise schon fast unheimlich, und hatte sie deswegen ins Augustine geschickt weil sie wusste, wie wenig sonnige Momente Louise sonst hatte. Louise beobachtete das funkelnde Sonnenlicht an der einen Stelle im Spiegel links neben ihr, das ihr ebenfalls einen heimlichen Blick bot zum vorderen Teil des Restaurants, was ebenfalls noch, angesichts der Stunde, nicht sonderlich gefüllt war. Einige hochgeknöpfte Bänker und - ihr Blick fiel auf einen etwas weniger hochgeknöpften Mann, der an dem Einzeltisch an der Frontscheibe saß, und durch seine Sonnenbrille das bereits wachwerdende New York beobachtete.
"Ms. Ward it's so good to see you! Good morning!" wurde sie überschwänglich von einem großgewachsenen Mann begrüßt.