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Habe ich das gerade wirklich gesagt? Meine ich es denn überhaupt ernst? Bisher war das ganze für mich ein einziges Spiel. Ich wollte meine scharfe Lehrerin dazu bringen mit mir zu schlafen. Zumindest rede ich mir das ein, jetzt wo ich hier stehe sie küsse und ihr sage, dass es mir ernst ist. Habe ich heute morgen etwa zu viel geraucht oder was? Diese Worte können einfach nicht aus meinem Mund gekommen sein. So etwas würde ich nie sagen, aber das habe ich und ein Teil von mir hat es verdammt ernst gemeint. War stimmt mit mir bloß nicht?

Den Rest des Tages gehe ich Lydia Hill aus dem Weg und an den anderen vier Tagen auch. Ich habe keine Lust darauf auf verliebt zu machen. Ich bin schließlich nicht verliebt. Das war ich noch nie und werde ich auch niemals sein. Ich bin eher der Typ Mensch, der gerne seinen Spaß mit unverbindlichem Sex hat. Die paar Beziehungen, die ich in Vergangenheit, hatte, hielte nie besonders lange. Dieser ganze Pärchenkram ist nichts für mich. Allein bei dem Gedanken daran könnte ich kotzen. In dem Moment als ich ihr gesagt habe, dass ich es ernst meine und es kein Spaß für mich ist, war ich wohl nicht ganz bei der Sache. Ich habe zu viel gekifft an dem Morgen und war total high. Das muss es gewesen sein. Den Rest der Klassenfahrt verbringe ich größtenteils mit Clarissa und Simon. Ich fange sogar an die beiden etwas zu mögen. Sie sind gar nicht so scheiße, wie ich es anfangs erwartet habe.

„Tessa?"

Als ich meinen Namen höre drehe ich mich um und sehe, dass es Miss Hill ist. Ich reagiere einfach nicht und fange an Clarissa etwas zu erzählen. Ich erzähle ihr davon, dass mich die Lehrer alle nerven. Ich will nicht mit Lydia sprechen und ich sollte aufhören sie Lydia zu nennen. Wir hatten unseren Spaß und das war's dann auch. Wenn sie da mehr hinein interpretiert, dann ist sie selbst Schuld. Das ist nicht mein Problem. Ich habe nie behauptet, dass ich sie mag oder das ich mehr möchte. Gegen einen weiteren heißen Fick hätte ich nichts einzuwenden, aber mehr nicht. Keine beschissenen Dates, bei denen man den anderen ausfragt und ohne Grund rumknutscht und Händchen hält.

Wir steigen alle wieder in den Bus ein, der uns zurück nach Boston bringen soll. Sollte, aber das tut er jetzt nicht. Mr Marin redet aufgebracht mit dem Busfahrer.

„Was haben die denn für ein Problem?", frage ich Simon, als wir zu ihm stoßen.

„Sieht so aus, als wäre der Bus kaputt und wir müssten erst einmal hier bleiben, bis Mr Marin und Miss Hill sich um einen Ersatz gekümmert haben", klärt er uns auf.

„Na toll", murmele ich leise. Das hat mir gerade noch gefehlt.

Clarissa findet es genauso scheiße, wie wir anderen auch. Ich glaube keiner ist begeistert von diesem Schlamassel. Eigentlich wollen wir alle endlich nur nachhause.

„Suchen wir uns einfach ein ruhiges Plätzchen und chillen etwas?", schlägt Simon vor.

Etwas anderes können wir im Moment ohnehin nicht machen. Wieso sollten wir hier in dem Bus rum sitzen und uns langweilen? Wir schlendern ein wenig über den Rastplatz, bis wir uns unter einer großen Eiche auf den Boden setzen. Ich hole einen Joint aus meiner Jackentasche und zünde ihn an. Simon hält mir seine Zigarette hin, damit ich sie ihm ebenfalls anmache. Wir sitzen eine Weile schweigend da, bis Clarissa eine Tafel Schokolade aus ihrer Jackentasche holt.

„Wo hast du die denn her?", will ich von ihr wissen.

„Habe ich vorhin im Laden mitgehen lassen durch den wir mussten, um zu den Toiletten zu kommen", erwidert sie mit einem schelmischen Grinsen.

„Ich hätte dich echt nur für so ein Badgirl eingeschätzt", meint Simon und legt Clarissa seinen Arm um die Schulter.

„Dann mal her mit der gratis Schokolade", sage ich und Clarissa reicht sie mir.

Wir fangen an über ein paar Mitschüler zu lästern und über Mr Marin, der die letzten Tage ziemlich nervig war. Als die beiden auf Miss Hill zu sprechen kommen, bleibe ich einfach still. Ich will nicht über sie reden.
Und wenn man von Teufel spricht. Sie kommt auf uns zu und sieht dabei ziemlich ernst aus.

„Tessa, wir müssen reden", fordert sie mich auf.

Wie hat sie uns hier bloß gefunden? Müsste sie nicht eigentlich mit Mr Marin nach einer Lösung für das Busproblem suchen.

„Scheiße. Sie werden uns doch jetzt nicht nachsitzen lassen oder so", sagt Simon überrascht und drückt seine Zigarette schnell auf dem Boden aus.

„Nein, deswegen bin ich nicht hier", beruhigt sie ihn. „Tessa?"

„Ich habe keinen Bock darauf mit Ihnen zu reden. Sollten sie sich nicht eher darum kümmern, dass wir hier schnellst möglich wieder weg kommen, anstatt mir auf die Nerven zu gehen?"

Ich sehe, dass meine Worte etwas in ihr auslösen und sie dann schnell auf dem Absatz kehrt macht. Es tut mir irgendwie ein wenig leid, dass ich so hart zu ihr war. Ich will sie nicht verletzen. Ich verstehe aber nicht wieso es mir etwas ausmacht. Es kann mir doch egal sein. Sie ist mir egal. Scheißegal.

„Krass, ist sie einfach abgehauen ohne dich zum nachsitzen zu verdonnern?", meint Clarissa.

„Jeder andere Lehrer hätte dich nachsitzen lassen", wirft Simon ein.

„Sie hat mich schon nachsitzen lassen", sage ich und sehe Miss Hill nach, wie sie verschwindet.

Eigentlich hat sie das nur einmal getan, aber das sage ich nicht und die anderen müssen es nicht wissen. Es würde nur noch mehr Fragen aufwerfen.

„Du darfst dir bei ihr so einiges erlauben, was mich immer wieder überrascht."

Da Clarissa in meiner Französischklasse ist, weiß sie, wie ich mich dort gegenüber meiner Lehrerin verhalte. Sie weiß, dass ich ständig absichtlich zu spät komme und dass ich andauernd mit Miss Hill flirte. Sie denkt wahrscheinlich, dass ich meine Lehrerin nur ärgern will. Genau genommen wollte ich das anfangs auch noch. Was ich jetzt will, weiß ich nicht mehr.

Silent kissesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt