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Es ist eine Woche vergangen, seitdem ich bei Lydia zuhause war und ihr gesagt habe, dass es aus ist. Endgültig. Ich habe die Sache beendet, bevor sie überhaupt richtig anfangen konnte.
Lydia ist seit diesem Tag nicht mehr in der Schule aufgetaucht. Ich kann nicht mehr schlafen, ohne irgendetwas zu nehmen, da sie ständig vor meinen Augen auftaucht, wenn ich nichts zu tun habe. Die Schlaftabletten sind zu meinen besten Freunden geworden. Mit Ash habe ich nicht mehr geredet und auch mit sonst niemand so richtig.

„Sag mal Simon, was machst du heute Nachmittag?", will ich von ihm wissen.

Er wirkt etwas überrascht. Wahrscheinlich hat er nicht damit gerechnet, dass ich etwas mit ihm unternehmen möchte. Ich habe es auch nicht, bevor ich die Worte ausgesprochen habe. Ich habe nicht nachgedacht.

Das einzige was ich gesehen habe, war wie Lydia an mir vorbei gegangen ist. Ich wollte ihr noch deutlicher klar machen, dass nichts zwischen uns ist und niemals war. Vielleicht wollte ich es mir auch nur selbst beweisen.

„Ähm.. bisher nichts", antwortet er.

„Dann lass' uns in Kino gehen", sage ich. „Um halb vier treffen wir uns dort."

Mit diesen Worten lasse ich ihn stehe und mache mich auf den Weg in den Französischunterricht. Auch wenn ich da im Moment lieber nicht wäre. Lydia wieder gegenüber zu stehen widerstrebt mir. Aber wenn ich ihr aus dem Weg gehe, macht es die Sache auch nicht besser. Eher im Gegenteil.

In der Klasse setze ich mich auf meinen Platz. Lydia kommt kurze Zeit später in den Saal und einige fangen an zu tuscheln.

„Was stimmt mit der denn nicht?", höre ich Clarissa hinter mir sagen.

Ich wage es meinen Blick zu heben und Lydia zu mustern. Sie sieht wirklich fertig aus. Als hätte sie seit Ewigkeiten nicht mehr geschlafen. Sie hat tiefe Augenringe. Ihr Bluse ist nicht richtig zugeknöpft und ihre Haare hat sie zu einem unordentlichen Dutt zusammen gefasst. Sie ist total neben der Spur.

Es versetzt mir einen Stich sie so zu sehen. So verletzt und hilflos. Bin wirklich ich daran Schuld? Ich hätte nicht mit ihr spielen dürfen. Aber war es für mich überhaupt ein Spiel? Kein Plan. Ich will aufstehen und nach vorne zu Lydia gehen, um sie sehnsüchtig zu küssen. Im nächsten Moment würde ich mir gerne selbst eine reinhauen, weil ich so etwas denke. Was stimmt mit mir nicht? Ich muss sie aus meinem Kopf kriegen.

Wir müssen einige Aufgaben im Buch bearbeiten, während Lydia vorne am Pult sitzt und das Gesicht in den Händen vergraben hat. Sie ist richtig fertig. Verdammt. Aber daran ist sie selbst Schuld. Sie hat mehr in den Sex reininterpretiert, als da eigentlich war. Im Endeffekt war es guter Sex und mehr nicht. Mehr nicht.

Als es klingelt springt sie schnell auf und flüchtet förmlich aus dem Klassenzimmer. Ich beiße mir auf die Lippe und packe meine Sachen ein. Es tut mir leid, würde ich ihr gerne zu flüstern, aber tut es das wirklich?
Ich schüttele den Kopf und verlasse den Saal.

„Wurde die von ihrem Freund verlassen, oder was ist bei der los?", redet Clarissa darauf los, als wir uns auf den Weg in die Cafeteria machen.

„Ist mir eigentlich total scheiß egal", antworte ich und schweige den Rest des Essens.

————

Als ich am Kino ankomme wartet Simon schon auf mich. Er sagt nichts dazu, dass ich zehn Minuten zu spät bin und ich auch nicht. Ich weiß immer noch nicht, wieso ich das hier mache. Bin ich wirklich so verzweifelt.

„Lass uns rein gehen", sage ich und nehme seine Hand in meine.

Verdammt Tessa! Was mache ich hier bloß? Ich verstehe mich selbst nicht mehr. Simon grinst wie ein Honigkuchenpferd. Er besteht darauf die Karten für uns beide zu bezahlen und ich widerspreche nicht, da ich ohnehin ziemlich blank bin.

Simon möchte Popcorn, aber ich lehne ab und wir nehmen schließlich keins. Wir gehen in den Saal und suchen uns einen Platz. Ich fühle mich immer noch als wäre ich total blöd und weiß immer noch nicht, was ich hier mache. Wieso ich hier bin. Vielleicht will ich einfach nur nicht alleine sein und weiß das Simon auf mich steht. Das nutze ich schamlos aus ohne mich dabei schlecht zu fühlen. Ich will mir selbst beweisen, dass ich Lydia nicht brauche. Das ich auch mit jemand anders Spaß haben kann. Mit jemand mit dem ich mich nicht verstecken muss. Simon kommt mir da gerade gelegen.

Der Film fängt an und schon nach der ersten Viertelstunde finde ich ihn scheiße. Simon schaut gebannt auf die Leinwand. Da er keine Anstalten macht mir näher zu kommen, tue ich es. Ich drehe mich zu ihm um und grinse ihn an ehe ich eine zwei Finger unter sein Kinn lege. Simon sieht mich erstaunt an. Ich lasse ihm keine Zeit fragen zu stellen, sondern küsse ihn einfach. Es ist okay. Er küsst gut, aber es löst nichts bei mir aus. Es führt lediglich dazu, dass ich an Lydia denken muss und wie sie mich geküsst hat. Voller Leidenschaft und Verlangen. Erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr ich es gemocht habe sie zu küssen. Jetzt wo ich hier sitze und Simon küsse. Auch wenn es sich falsch anfühlt, höre ich nicht auf. Ich will Lydia aus meinem Kopf verbannen. Weswegen ich Simon härter küsse und meine Hände in seinen Nacken lege. Nichts passiert. Nach einer Weile lasse ich von ihm ab.

„Wow", bringt er atemlos hervor.

Seine Augen leuchten förmlich und er grinst, als hätte er gerade im Lotto gewonnen. Ich zucke mit den Achseln. Tränen sammeln sich in meinen Augen, aber ich blinzele sie schnell weg. Es war das beste die Sache zwischen Miss Hill und mir zu beenden. Auch wenn es sich nicht so anfühlt. Seitdem ich ihr die Worte an den Kopf geschmissen habe, fühle ich mich verdammt schlecht. Ich denke ständig an Lydia und vermisse sie sogar ein wenig. Es fehlt mir ihr Lächeln zu sehen. Sie so wie heute morgen zu sehen, hat mich getroffen. Ich will nicht der Grund sein, wieso sie so traurig ist.

Silent kissesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt