❥Weltenbummlerin
ᴢᴇᴀ
Als ich abschließend meine Schuhe anzog und erhaschte, wie Shanice mich aus dem Augenwinkel beobachtete, zweifelte ich daran, dass das die beste Party meines Lebens werden würde.
Für eine gelungene Party brauchte ich mindestens eine Person, der ich vertraute. Tja, und ich vertraute eben nur Cole. Freunde kommen und sterben, alle, außer Cole. Nichts ist für immer, sagt er trotzdem, doch unsere Freundschaft wird ewig währen. Dachte ich.
„Willst du nicht ein etwas... lockereres Kleid anziehen?", fragte Shanice scharf nach und warf sich selbst einen Mantel über ihr schwarzes Korsettkleid.
„Eifersüchtig, weil ich nicht wie eine wandelnde Gruft aussehe?", schoss ich zurück, ohne sie anzusehen. Shanice schnaufte und widmete sich jetzt ihren schwarzen Schnürstiefeln.
Augenverdrehend zog ich mein dunkelrotes Kleid bis zu der Mitte meiner Oberschenkel herunter, schnappte mir eine kleine Clutch, in der ich Geld, Schlüssel und Handy verstaute und setzte mich aufs Bett, um geduldig auf Shanice zu warten.
Es klopfte an der Tür. Mit dem Gedanken, dass es nur Rider sein konnte, stand ich entnervt auf und wollte ihm die Tür öffnen, doch Shanice sprang noch mit ungebunden Schnürsenkeln auf, schubste mich zurück und riss die Tür auf.
Shanice' Körper verdeckte den Körper des Besuchers, doch Rider konnte es nicht sein. Er war größer und stämmiger als Shanice.
„Was willst du hier? Verschwinde!", zischte meine Mitbewohnerin so leise, dass ich sie eigentlich nicht verstehen konnte. Mein Gehör hatte sich aber mit den Jahren angepasst und arbeitete nun um einiges besser, als normale Gehöre.
„Shanice ich-", hörte ich eine piepsige, verängstigte Mädchenstimme hinter ihr heraus.
Neugierig streckte ich meinen Hals, um über Shanice hinwegsehen zu können, vergebends. Mit einer stattlichen Körpergröße hat Gott mich nämlich nicht gesegnet.Kurz schweiften meine Gedanken ab und ich verpasste dadurch die Antwort, die Shanice gab, doch ich befürchtete, dass diese auch nicht sonderlich freundlich war. Mittlerweile hatte sie die Tür scheppernd zugeschlagen und sich die schwarzen Haare stöhnend über die Schulter geworfen.
Manchmal, wenn ich neue Leute kennenlernte, fragte ich mich, wie sie zu dem Mensch geworden sind, die sie jetzt waren.
Welche Geschichten die Personen geformt und verändert haben müssen, welche Erlebnisse und Erinnerungen sie zu dem schliffen, was sie ausmachte.Shanice war kein Sonderfall. Ihre Story war sicher dieselbe, wie die von tausenden Teenagern in ihrem Alter auch: Ein erschütternder Herzbruch durch einen Jungen, dessen Namen sie in zehn Jahren nicht mal mehr wissen würden, oder die Unfähigkeit, sich in Kategorien einzuordnen, die in einem so jungen Alter das Leben zu beherrschen schienen.
War wäre ein heißer Footballspieler, wenn er nicht beliebt wäre?
Was wäre ein "Nerd", wenn man sich im Gang nicht über ihn und seine dicke Hornbrille und die Zahnspange lustig machen würde?
Was wäre die klischeehafte Schulmatratze, wenn sie nicht jeden Tag im Minirock und ohne Unterwäsche in die Schule kommen würde?
Menschen. Sie waren Menschen, mit verschiedenen Ansichten, mit verschiedenen Zielen und mit verschiedenen Stilen.
Doch immer wieder habe ich erlebt, dass die Jugendlichen sich weder auf dem College, noch auf der High School dieser bewusst waren, was mich irgendwie traurig stimmte.Sollte man den Fokus nicht lieber auf was anderes legen, als Äußerlichkeiten?
Leicht zuckte ich zusammen, als Shanice mit ihrer Hand vor meinem Gesicht rumschnippste und ich für einen kurzen Moment befürchete, sie würde mir mit ihren schwarzen Krallen ein Auge ausstechen.
„Hörst du kleine Weltenbummlerin mir eigentlich zu?", fragte sie dann abwertet und richtete sich wieder zu ihrer vollen Größe auf.
„Weltenbummlerin?", fragte ich dann verwirrt, doch sie stemmte nur die Arme an die Hüfte. „Na, wie soll ich dich kleines Miststück denn sonst nennen, wenn du hier oben-" mit ihren Plastiknägeln tippte sie ein paar Mal auf meine Schläfe „dauerhaft in deinen Träumen bist, hm?" Sie hob leicht meinen Kinn an und blickte mir in die Augen, als sei ich ein minderschlaues Kleinkind.
Dann schüttelte sie leicht den Kopf, ließ meinen Kinn los und wendete sich dem Spiegel zu, mit dem Rücken zu mir.
"Also, Weltenbummlerin, was meinst du steht mir besser? Die schwarze oder die weinrote Kette?", wechselte sie dann schlagartig das Thema und hielt sich probeweise die beiden Ketten vor das Dekolleté. Sie sahen beide schrecklich aus, aber um ehrlich zu sein hatte ich wenig Lust, mich mit Shanice auseinanderzusetzen. Wenn ich eins in meinem Leben gelernt habe, dann, dass man in so wenig unnötige Streitereien mit unwichtige Menschen geraten sollte, wie möglich.
Shanice, die ihren schlanken Körper gerade selbstgefällig im Spiegel betrachtete, war so ein unwichtiger Mensch, weswegen sie mich gerne so viel anmotzen und fertigmachen kann, wie sie möchte, denn ernsthaft tangieren tat es mich nicht.
„Ich rede mit dir!" Schwungvoll drehte sich das Mädchen zu mir um und funkelte mich erzürnt durch ihre bernsteinfarbenen Augen an. „Keine Ahnung, frag doch deinen Freund", antwortete ich trocken und stand vom Bett auf. Wenn Rider mich und diese pubertierende Irre nicht langsam abholte, würde ich mir selber eine Party aussuchen. Mit großer Wahrscheinlichkeit war diese dann sogar besser als diese schlappe Studentenparty, auf die Rider mich schleppen wollte.
„Rider hat so viel Modegeschmack wie 'ne Erbse. Das einzige war er trägt sind dunkele Jeans und einfarbige T-Shirts. Du hingegen siehst so aus, als wärst du geradewegs von einem High-Fashion-Laufsteg aus New York entsprungen", murmelte Shanice, während sie sich die rote Kette um den Hals legte. Ich konnte meinen Ohren nicht trauen. Hatte mir dieses Mädchen gerade ernsthaft ein Kompliment gemacht?
Shanice schien meinen ungläubigen Blick durch den Spiegel zu bemerken. „Bild' dir jetzt bloß nichts darauf ein. Dein Kleiderstil scheint nicht der Schlimmste zu sein, aber dafür sind deine Haare eine einzige Katastrophe", schnaufte sie dann und rümpfte die Nase. Leise lachte ich auf, denn ich hatte für meine Haare schon so viele neidische Blicke auf mich gezogen, wie Shanice es sich nicht mal im Traum dran gedacht hatte.
Es klopfte an der Tür, dieses Mal etwas lauter und kurz darauf hörte ich ein lautes, maskulines Lachen, welches sofort von einer zweiten Stimme erwiedert wurde. Toll, Rider hatte auch noch seine Freunde mitgebracht, besser konnte der Tag ja gar nicht mehr werden.
"Shanice", trällerte der Junge fröhlich, als er seine Freundin in den Arm schloss und ihr danach einen kurzen Kuss auf die Stirn drückte. Bei dem Anblick machte sich mein Frühstück in meinem Hals bemerkbar und nur schwer unterdrückte ich den Würgreitz. Es sah einfach falsch aus. Dieses über und über in schwarzen Stoff gewickeltes, dominante Mädchen und dieser robuste, mit Muskeln beladende, stets lebensfrohe Kerl. Sie passten zusammen wie Jacob zu Bella in der Twilight-Saga oder pinke Haare zu einem grünen Kleid. Nämlich kein bisschen.
Mich sollte es nicht weiter stören, Hauptsache ich überlebe diesen Abend, ohne mir den goldenen Schuss zu geben.
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Sweet taste [Werwolf]
Werewolf》S W E E T T A S T E《 Ihr Blut. Ihr Blut ist das, was sie zu etwas Besonderem macht. Es vereint die sehnlichsten Wünsche und Begierden von demjenigen, der es in sich aufnimmt. Zea ist auf der Flucht. Seit Jahrhunderten erzählen Mütter ihren klein...