PRELUDE

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Januar, 1944
Helen
Ich schreibe diese Bucheinträge, seit ich herausgefunden habe, was für Möglichkeiten es gibt. Möglichkeiten, die Zeit anzuhalten. Möglichkeiten, Leben zu verändern. Ich habe entschieden, dass ich nicht möchte, dass du in dieser Zeit lebst. Es herrschen Gewalt und Krieg. Sobald ich die Möglichkeit habe, werde ich dich fortbringen. Du gehörst nicht in eine Zeit, in welcher die Menschheit mehr einem großen, gewaltsamen Monster zu gleichen scheint, als sich selbst. Das ist nicht, wie Gott uns geschaffen hat, das weißt du doch, oder? Du verstehst es. Und wenn du es nicht jetzt tust, dann wirst du es eines Tages noch tun. Du verdienst ein langes und erfülltes Leben. In dieser Zeit wirst du das nicht bekommen. Das hier ist der verzweifelte Versuch eines Vaters, seine Tochter zu retten. Du bist die einzige Familie, die mir geblieben ist, mein Schatz. Ich kann dich nicht sterben sehen. Wenn du das hier liest, ist alles schon geschehen - und man hat dich in einer Zeit geweckt, die besser ist, als die aus der du stammst. Mach etwas aus dem Leben, das ich dir damit geschenkt habe. Werde groß, lass mich stolz auf dich sein. 

In Liebe, Dad. 

November, 1943

Sie fühlte sich nicht wohl. Das war das Erste, was ihr bewusst wurde, nachdem ihr Vater und sie umgezogen waren. Er arbeitete nun für eine ziemlich große Geheimorganisation, genaueres wusste Helen nicht. Was ihr aus seinen Aufzeichnungen bekannt war, war, dass diese Organisation sich Hydra nannte und zum Großteil von Nazis besetzt wurde. Sie schufen Super-Soldaten. Menschliche und Ultimative Kriegswaffen, die alles ein für alle mal beenden sollten. Ihren Vater, welcher weltberühmter Wissenschaftler und Physiker war, hatte man nun erfolgreich hinzuziehen und involvieren können. 

Helen wusste natürlich, dass es nicht schlau war, zu schnüffeln. Sie konnte sich frei bewegen, doch nie einen Blick hinter die verschlossenen Türen des finsteren Gebäudes werfen. Es war eine alte Lagerhalle, abgeranzt und verlassen. Hydra hatte sie zu einem ihrer Quartiere gemacht. Es gab noch mehr davon, das hatte Helen ebenfalls den Aufzeichnungen ihres Vaters entnommen. Sie war neugierig geworden, all die Geheimnistuerei hatte sie Nachts nicht schlafen lassen. Sie wünschte sich, sie wäre es nicht gewesen.

Nun fürchtete sie sich umso mehr. Sie verstand nicht, weshalb ihr Vater Hydra unterstützte. Noch war das alles nur reine Theorie und bei mehreren unschuldigen Männern und Frauen wurden Tests durchgeführt. Tests, ob sie für das Projekt in Frage kamen. Bis jetzt schien es noch niemanden gegeben zu haben. 

Es war einer dieser Tage, an welchem Helen durch die, mit Neonröhren beleuchteten, Lagerhallen lief und die Arme um sich geschlungen hatte. Es war kalt hier drin, nicht bloß unheimlich. Und Helen wünschte sich nach Brooklyn zurück, wo ihr Vater und sie ein völlig normales Leben in Frieden geführt hatten. Nun musste sie sich jeden Abend davor fürchten, dass man ihrem Vater irgendwann zu misstrauen begann, so wie Helen Hydra misstraute. Sie wollte sich nicht ausmalen, was dann mit ihnen passierte. 

Verschreckt zuckte sie zusammen, als sie eine Tür zufallen hörte. Einer der Wachen kam genervt den Korridor runtergestapft, ein Tablett mit Medikamenten und Wasser auf den Armen. Als er sie erblickte, blieb er stehen und Helen wagte es nicht, weiter zu atmen. ,,Bring das in Raum B16", meinte er stumpf und drückte ihr das Tablett in die Arme. Er schien sie nicht erkannt zu haben und wandte sich nun auch wieder ab, um zu seinem richtigen Posten zurück zukehren. Helen nagte an ihrer Unterlippe, als sie in Richtung des genannten Flügels lief. Ihre Neugierde war auch diesmal zu enorm, sonst würde sie das Tablett einfach irgendwo abstellen und weglaufen. 

Sie würde nochmal bereuen, dass sie ihre Nase immer in fremde Angelegenheiten steckte. Der Schlüssel an der Tür zu Raum B16 steckte und Helen drehte ihn zögernd, ehe sie ins Innere blickte. Ein junger Mann kauerte auf einer Pritsche und Helen schluckte, als sie erkannte, dass ihm ein Arm fehlte. Der Verband um seinen Oberkörper war blutig, über seine Haut zog sich ein feiner Schweißfilm. Die junge Frau zögerte, ehe sie langsam auf ihn zu trat. ,,Sir? Ich bringe Ihnen Ihre Medikamente", begann sie leise und der Mann hob den Kopf, um sie aus leeren Augen anzusehen. 

Das war das erste Mal, das Helen ihm begegnete. 
Dass sie James Buchanan Barnes begegnete.  
Und es sollte auch nicht das letzte Mal sein. Bei weitem nicht. 

The Darkness In His Soul [Bucky Barnes]  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt