TWELVE

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,,And I need you 
like a heart needs a beat"

TWELVE: November 2012 

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Es war schwer für Helen, die Augen wieder zu öffnen. Es war, als seien sie eine Ewigkeit fest verschlossen gewesen. Als hätte sie sehr lange geschlafen. Sie brauchte eine ganze Weile, sich zu orientieren. Zu orientieren und zu realisieren, dass ihre Lider tatsächlich für eine sehr lange Zeit fest zugedrückt gewesen waren. Ihre Augen wie auch ihre Kehle brannten und sie richtete sich langsam und mehrmals blinzelnd von der Pritsche auf, auf welcher sie lag, um dann nach dem Wasserkrug zu greifen und gleich gierig daraus zu trinken- das Glas gleich daneben auf dem kleinen Tisch geflissentlich ignorierend.

Ihre Kehle war staubtrocken, so als habe sie seit langer Zeit nichts mehr getrunken. Das Wasser war eine reine Wohltat für ihren ausgetrockneten Körper und sie ließ den Krug erst wieder sinken, nachdem sie ihn in einem hastigen Zug ausgetrunken hatte. Keuchend wischte sie sich über den Mund, stellte den Krug wieder ab. Das Zimmer, in welchem sie lag, war weiß und von dem künstlichen Licht der Neonröhren an der Decke nur so geflutet. Das grelle Licht biss in Helens Iris und ließ sie mehrmals nervös zwinkern, damit sie sich daran gewöhnen könnte. Sie fühlte sich ausgeruht, so als habe sie zum ersten Mal seit langer Zeit ausgeschlafen. 

Sie würde noch bemerken, dass sie damit nicht einmal sonderlich falsch lag. Ihre Füße traten zur Tür. Sie trug noch immer ihre Kleidung, wie an dem Tag, an welchem ihr Vater sie ins Eis gesperrt hatte. Ins Eis... Wie lange war sie eingefroren gewesen und wer hatte sie nun aus ewiger Kälte befreit? Helen hatte nichts von ihrer Umwelt registriert. Wie lange nicht? War der Krieg vorüber, waren Jahre vergangen oder bloß wenige Tage? Und wo war Bucky? Was hatten sie mit ihm gemacht? Helen wusste, dass auch er im Eis eingeschlossen gewesen war. Doch hatten sie ihn auch bereits rausgeholt?

Sie versuchte die Tür zu öffnen- Fehlanzeige. Hatte man sie eingeschlossen? Helen betrachtete den Schalter an der Wand. Er glühte in unheilvollem Rot. Sie überlegte nicht lange und drückte. Welche Wahl hatte sie auch sonst? Sie wollte nicht hier festsitzen, sie wollte wissen, was Sache war. Welchen Tagen schrieben wir? Welches Jahr? Der Schalter wurde grün, die Tür stieß Luft aus und öffnete sich dann mit einem Zischen. Helen wich erschrocken zurück. So etwas hatte es bei Hydra nicht gegeben. Noch ganz klar erinnerte sie sich an die massiven und schweren Stahltüren. 

War sie nicht mehr bei Hydra? Unsicher setzte sie einen Fuß in den Flur. Helles Licht erhellte die dunklen Wände des langen Korridors. Dunkelgraue Tapete blickte ihr entgegen, der Boden unter ihren Füßen bestand aus Fließen und war, trotz der Schuhe die sie trug, seltsamerweise eiskalt. Kalte Luft kam aus den Schächten an der Decke und Helen schlang die Arme um sich, während sie den Gang runter lief. Sie wünschte, sie hätte eine Waffe bei sich. Etwas, das ihr Sicherheit gab. Und wenn es nur ein Skalpell oder ein Kugelschreiber gewesen wäre, es hätte nur spitz sein müssen. 

Langsam trat sie den Gang hinunter. Sie hatte das Gefühl, dass das Licht immer heller wurde, falls das überhaupt möglich war. Erschrocken presste sie ihren Rücken an die nächste Wand, als sie Schritte hörte. ,,Ist sie schon bei Bewusstsein? Weiß man, wie lange sie im Eis war?", hörte sie einen Mann fragen und schluckte. Sie konnte hoffen, dass die Beiden nicht direkt an ihr vorbei kamen. Zumindest ging sie davon aus, dass es Zwei waren. Die Schritte klangen nach zwei Personen. Die eine schritt sicher und fest, die Andere dagegen etwas weicher und um einiges unsicherer. 

,,Wir vermuten ca. um die achtundsechzig Jahre, Sir. Es handelt sich um Helen Sharpe, Tochter des Hydra-Wissenschaftlers Robert Sharpe. Er muss sie eingefroren haben", kam zurück und Helen keuchte auf, als sie ihren Namen hörte. Achtundsechzig Jahre? Sie sollte achtundsechzig Jahre im Eis gesteckt haben? Ihr wurde schlecht, vor ihren Augen begannen Lichtpunkte zu tanzen. Sie hatte das Bedürfnis, sich in die nächste Ecke zu übergeben. Wie konnte sie so lange unbeschadet in dem Eis geschlafen haben? Wieso hatte Hydra sie nicht rausgeholt? Lebte Bucky überhaupt noch? Gab es nun überhaupt noch jemanden, den sie kannte? 

The Darkness In His Soul [Bucky Barnes]  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt