SEVEN

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,,All I want to do in the middle
of the evening is hold you tight"

SEVEN: Dezember 1943

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Sie vergaß nicht, wie es sich angefühlt hatte. Wie es sich angefühlt hatte, wenn er sie küsste. Wie er sie küsste. Mal zärtlich, mal leidenschaftlich. Die ganze Nacht verfolgte das Gefühl seiner Lippen sie, ließ sie sich unruhig im Laken hin und her wälzen, raubte ihr den Schlaf. Es hatte sich so richtig angefühlt. Nie würde sie die züngelnden Flammen vergessen, die seine sanften Berührungen über ihren ganzen Körper geschickt hatten. Es hatte sich so vollkommen angefühlt. Er hatte sich vollkommen angefühlt. Er hatte sie am gestrigen Abend nicht nur ein Mal geküsst, mit nichten. 

Nachdem er sie endlich dazu bewegt hatte, still zu sein, waren ihre leisen Küsse das Einzige gewesen, das man im Zimmer gehört hatte. So lange, bis Helen hatte gehen müssen. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass er so hatte vergessen können. Nun drehte sie sich auf die andere Seite. Ihr Vater war in dieser Nacht nicht hier. Helen wusste, wo er war. Sie wusste es spätestens dann, als sie ihn schreien hörte. Voller Qual. Seine Schreie. Bucky schrie. 

Augenblicklich saß sie kerzengerade in ihrem Bett, ihr brach der Schweiß aus, während ihr Tränen in die Augen schossen. Sie konnte spüren, wie ihr Herz zerbrach. Er hatte nie geschrien. In dieser Nacht tat er es zum aller ersten Mal. Was taten sie ihm nur an? Was muteten sie diesem zerbrochenen Soldaten nur zu? ,,Bucky...",  wimmerte sie leise und umfasste die Tarotkarte unter ihrem Kopfkissen fester, als sie sich zurück in die Matratze sinken ließ und die Decke über den Kopf zog. Sie taten ihm weh, sie veränderten ihn. Abrupter, brutaler als die Nächte zuvor. 

Bucky... Er schrie erneut und Helens Körper fuhr unter der dünnen Decke zusammen, als habe man ihr einen Hieb mit der Peitsche versetzt. Gott. Sie sollten aufhören. Ihr Vater hatte abgeschlossen. Selbst wenn sie gewusst hätte was genau, sie hätte es nicht tun können. Die Türen waren aus Stahl, waren sie erst einmal verschlossen, waren sie unüberwindbar. Es wurde still. Unheimlich still. Viel zu still. Helen kniff die Augen zusammen, umkrallte die Karte. Die Sonne. Es war die Karte der Sonne. Wieso brachte sie ihm kein Licht? Wieso gab es um ihn nur Finsternis? Sie fraß sich direkt in seine Seele. 

Niemand konnte es verhindern. Weder Helen, noch er selbst. Nicht einmal das Schicksal schien die Fäden anders ziehen zu wollen. James Buchanan Barnes war der Dunkelheit verschrieben. 

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Die Stunden verstrichen quälend. Irgendwann kam ihr Vater zurück. Sie hörte, wie er sich in seine Pritsche legte. Er ging schlafen. Einfach so. Als habe er mit seinem wissenschaftlich geschulten Wissen gerade nicht die Seele eines anderen Menschen geschunden. Helen hatte das Gefühl, ihn nicht mehr zu kennen. Wer war dieser Mann? Wo war ihr liebevoller Vater? Ewig hatte er sie nicht mehr bei einem ihrer hundert Spitznamen genannt, nicht mal ein beleidigender war dabei gewesen. Stumpf nannte er sie Helen. Er nannte sie nie einfach nur Helen. Es kam ihr vor, als habe Hydra ihm auch den Kopf gewaschen.

Sie wartete auf seine regelmäßigen Atemzüge, dann erhob sie sich leise, zog sich ihre Jacke über, steckte sich die Tarotkarte in den Bund ihrer Hose. Sie musste zu ihm. Sie musste nach ihm sehen, auch wenn es so kurz nach den Experimenten riskant sein könnte. Sie wusste nicht, in welcher Lage sie ihn nun auffinden würde. Sie hatte nicht die geringste Ahnung. Dennoch ging sie, schloss lautlos die Tür hinter sich, dann rannte sie. 

The Darkness In His Soul [Bucky Barnes]  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt