NINETEEN

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,,He had the saddest eyes
the girl had ever seen"

NINETEEN: November 2012

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Als Helen wieder zu sich kam, konnte sie gar nicht deuten, was ihr nicht schmerzte. Nur eine Sache stand fest: Sie musste noch leben, denn wäre sie tot, würde sie rein gar nichts mehr fühlen. Und einen Moment lang trauerte sie der Tatsache nach, im Schneesturm nicht einfach umgekommen zu sein. Ihre Glieder schmerzten, als habe man tausende Glasscherben in ihr Fleisch gerammt und ihr Kopf dröhnte, als wäre er zwischen zwei Granitfelsen eingeklemmt gewesen, die sich langsam aber sicher immer weiter aufeinander zu bewegten und ihren Schädel wie eine Wassermelone zum Platzen bringen wollten. Sie versuchte sich zu orientieren, auszumachen, wo sie war. 

Sie konnte sich kaum bewegen- irgendjemand hatte sie in eine große Menge an Wolldecken gewickelt und nun lag sie auf einem Sofa, eingerollt wie eine Raupe in einem Cocon. Und als sich ihr Blick schärfte und ein Mann sich in den Rahmen zum Wohnzimmer schob, kamen ihr die Tränen und sie wollte augenblicklich aufspringen und fliehen. Wieso hatte er sie zurückgeholt? War ihm langweilig geworden und er hatte sich gedacht, es wäre interessanter, sie doch vor seinen Augen zu foltern und umzubringen, als sie einfach in den Tod zu schicken? Schluchzend drehte sie den Kopf weg und kniff die Augen zusammen, als er zu ihr ans Sofa trat. Sie fuhr heftig zusammen und verkrampfte sich, als er vorsichtig seine Hand ausstreckte und sie auf ihre Stirn legen wollte. 

,,Geh weg...", brachte sie heiser hervor, ihre Zunge war so schwer, als wäre sie ein einziger Eiszapfen. Sie wartete ab, doch es blieb still. Als sie die Augen wieder öffnete und ihren Kopf leicht drehte, sah sie, dass er vor ihr in die Hocke gegangen war und sie schweigsam betrachtete. Und sie schluckte hart, als sie Tränen in seinen trüben, blauen Augen aufsteigen sah. ,,Bucky?", fragte sie mit bebender Stimme, Furcht hallte mit, denn umso öfter sie seinen Namen nannte, desto eher war eine Reaktion darauf einfach nur noch schmerzhaft gewesen... Es tat nur noch weh, seinen Namen zu sagen. Seinen Namen, den sie vor so vielen Jahren nur hingebungsvoll und mit jeden Glücksgefühlen, die sie überhaupt jemals hatte verspüren können, vor sich hin geflüstert hatte. 

,,Helen." Es war knapp, aber bestimmt und offenkundig eine Feststellung, die ihm in den Sinn gekommen war. Ja... Sie war Helen. Doch was darauf folgte, überraschte sie umso mehr. ,,Es tut mir so leid..." Seine Stimme klang brüchig, schwach. Sie nickte schwach. Wohin war der kalte, emotionslose Soldat verschwunden, welcher sie am morgen noch hatte tot sehen wollen? ,,Ich verstehe, wenn du mir nicht verzeihen kannst. Ich kann nicht mal sagen, ob ich mir selbst verzeihen kann, was ich dir angetan habe", raunte er heiser und wich ihren Blicken mit gesenktem Kopf aus. Helen biss sich auf die Unterlippe, als sie zu beben begann.

,,Wir müssen verzeihen, Bucky... Sonst werden wir einsam bleiben", flüsterte sie nur und zog zitternd die Decken höher. ,,Hast du noch mehr davon? Mir ist so schrecklich kalt", hauchte sie mit klappernden Zähnen und hörte ihn schlucken. Er fuhr sich durch das dunkle Haar, ehe er den Kopf schüttelte. ,,Das sind alle. Ich habe dich sofort ausgezogen und dort hingelegt, als wir ankamen. Vielleicht... Warmes Wasser sollte helfen", murmelte er und sah sie zögernd an. Helen wurde mulmig. Sie wusste, das würde schmerzhaft werden. Doch sie spürte ihre Beine nicht. Und alles, was sie fühlte, stach, als habe man ihre Haut tausenden Nadeln untersetzt.

,,Kannst du mir ins Badezimmer helfen?", fragte sie ihn zitternd, Bucky nickte sofort. Die Schuld in seinem Blick zerriss ihr das Herz. Sie wusste, er musste sich furchtbar fühlen, schrecklich. Sein schlechtes Gewissen brachte ihn sicherlich schier um den Verstand. Und sie wusste, dass er die Entscheidungen des Winter Soldaten nicht beeinflussen konnte - auch wenn er wollte. 

The Darkness In His Soul [Bucky Barnes]  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt