Einleitung

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Das erste richtige Pferd

Fünf Millionen Jahre später, in der zweiten Hälfte der Eiszeit, tauchte das erste >>richtige<< Pferd auf, Equus caballus. Es kam in verschiedenen Größen vor, doch normalerweise war es etwa so groß wie kleine Shetlanf-Ponys und wahrscheinlich genauso zottelig. Während der ersten Viertelmillion Jahre seiner Existenz konnte das Equus caballus frei von seinem Entstehungsgebiet in Nordamerika über die Landbrücken nach Asien, Europa und Afrika ziehen, wie es bereits seine Vorfahren getan hatten. Nach und nach, als die Eisdecken näher rückten (und sich innerhalb eines Zeitraums von ca. 600 000 Jahren mindestens viermal wieder zurückzogen), wurden die Pferde auf der Suche nach Weideland immer weiter südwärts gedrängt. Um 9000 v. Chr. verschwand mit dem Schmelzen der letzten  Eisdecke die Landbrücken über die Beringstraße, sodass Amerika von Europa und Asien isoliert wurde. Vor 8000 bis 10 000 Jahren starb das Pferd - ebenso wie der Urelefant - in Amerika völlig aus, und die Spezies wurde erst im 16. Jahrhundert von spanischen Eroberern wieder eingeführt, als Hernand Cortes  (1485-1547) 1519 mit 16 Pferden an Bord Mexiko erreichte. Die Landbrücken zwischen Britanien und dem europäischen Festland sowie zwischen Europa und Afrika wurden ebenfalls überschwemmt. Danach kam, es sei denn durch menschliches Zutun, kein Pferd mehr von Europa auf die britischen Inseln. Als die Eisdecken sich schließlich vor gut 10 000 Jahren bis auf ihre heutige Lage zurückgezogen hatten, existierten nur noch vier Gruppen von Nachfahren des Eohippus: Pferde in Europa und Westasien, Esel in Nordafrika, Zebras in Süd- und Ostafrika sowie Onager (Halbesel) im Mittleren Osten. Europa und Westasien umfassen Regionen, die sich stark in Höhe und Klima unterscheiden. Diese Faktoren hatten unausweichlich Einfluss auf die sich dort entwickelnden Ponys und Pferde. Gemäßigtes Klima und mittlere Höhenlagen brachten größere Pferde hervor, während große Höhen und extremes Klima eher die Entwicklung von Ponys begünstigten. Verschiedene Bodenarten ließen Weidegründe entstehen, die sich in ihrem Vitamin- und Mineralstoffgehalt unterschieden. Während Gebiete mit viel Niederschlag und damit saftigen, nährstoffreichen Weidegründe die Entwicklung schwerer Pferde begünstigten, entwickelten sich in regenarmen Gebieten mit spärlicher Vegetation leichte, schnelle Tiere. Gegen Ende der Eiszeit gab es vier Typen primitiver Pferde, von denen drei als Ahnen unserer heutigen Pferderassen gelten: das Waldpferd, das Przewalski-Pferd  (Asiatisches Wildpferd), der Tarzan (auch Wüsten- oder Steppenpferd) und das Tundren-Pferd Nordostsibriens. Dieser letzte, inzwischen augestorbene Pferde Typ wird von einigen Fachleuten als Vorfahr des heutigen Yakut-Ponys betrachtet, während andere dessen Herkunft vom Przewalski-Pferd ableiten. Jedenfalls ist man sich einig, dass das Tundren-Pferd auf die Entwicklung des Pferdes südlich des Polarkreises keinen Einfluss hatte.

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