Die Tage im "Ghetto" vergingen recht schnell. Meine Arbeit im Restaurant war in Ordnung, was hauptsächlich auf meine Kollegen zurückzuführen ist. Alles schwarze, junge Männer in circa meinem Alter. Ich hatte dort ziemlich viel Spaß. Von meinen Eltern wurde mir eingebläut, dass die schwarze Bevölkerung kein guter Umgang wäre, jedoch musste ich das genaue Gegenteil feststellen. Ich fühlte mich wohl. Sehr wohl sogar.
Im Trailer bei Jimmy versuchte ich Ordnung zu halten und kochte regelmäßig für ihn, seine Schwester und seine Freunde. Ich verstand mich von Tag zu Tag besser mit allen. Aus den paar Tagen, an denen ich bleiben sollte, wurden Wochen. Jimmy und ich verabredeten, dass wir uns die Miete für den Trailer teilten. Somit hatte ich auch kein allzu schlechtes Gewissen, länger dort zu bleiben und ich wusste, ihm tat die kleine Unterstützung gut. Ich hätte gerne gewusst, was mit seiner Mutter war, aber ich traute mich nicht zu fragen. Der Alltag lenkte mich meistens von meiner Vergangenheit ab, aber sobald mich einer von den Jungs oder Lisa nach meinem früheren Leben fragte, war alles wieder da. In der Nacht, wenn ich alleine war, wurde es schlimmer. Ich wachte oft schreiend auf.
Eines Nachts hatte ich wieder mal einen Albtraum. ER lag auf mir und drückte mich in die viel zu weichen Kissen. Ich war gelähmt, konnte mich nicht bewegen und nur zusehen wie er langsam seine Hose öffnete, mit einem abscheulichen Lächeln auf den Lippen. Ich wachte auf und schrie in mein Kissen. Ich konnte nicht aufhören. Alles was ich versucht habe zu verdrängen war plötzlich wieder da. Tränen liefen über mein Gesicht und ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Auf einmal spürte ich eine Hand an meiner Schulter. Ich drehte mich erschrocken um. Vor mir kniete Jimmy und schaute mich besorgt an. Er hatte eine Jogginghose und ein viel zu weites T-Shirt an. Seine braunen Haare waren verstrubbelt. Das Mondlicht warf Schatten auf sein Gesicht. Unter seinen Augen hatte er dunkle Ringe.„Alex, was ist los?" Ich schüttelte bloß den Kopf und mir kamen wieder die Tränen. Er schaute mich nochmal durchdringend an und sagte dann „Rutsch mal rüber!" „Was?" Ich war verwirrt. Währenddessen schob er mich schon beiseite und legte sich neben mich auf die Couch. Ich lag somit halb auf seinem Brustkorb. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Er roch unglaublich gut. „Schlaf jetzt." wies er mich an. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich voll und ganz auf seine gleichmäßige Atmung. Nach einer gewissen Zeit jedoch fing ich, wie von selbst, an zu erzählen: „Ich komme nicht von hier. Ich komme von der anderen Seite der 8 Mile." Ich wusste, dass er zuhörte und wartete gespannt auf seine Reaktion. Ich bemerkte nur ein unmerkliches Nicken. Dies lies mich mutiger werden.„Meinen Eltern gehören die Ketten von American Axe, weißt schon,die Tausende von Bäume fällen und daraus Papier herstellen. Als ich 18 wurde hat mein Dad mir eröffnet, er hat einen Ehemann für mich. Wir sollen später mal die Kette übernehmen. Ich mochte diesen Schnösel von Anfang an nicht. Die Verlobungsfeier war in unserem Haus. Ich fühlte mich die komplette Zeit wie in einem falschen Film. Ich war in einem goldenen Käfig gefangen. Ich hatte alles und doch nichts." Dabei lachte ich bitter auf. Jimmy fing an beruhigend Kreise auf meinen Oberarm zu malen. „Naja, jedenfalls wurde es spät, ich wollte schlafen gehen und war gerade dabei mich in meinem Zimmer umzuziehen. Da klopfte es an der Tür und hinein kam mein Verlobter."Ich schluckte schwer, zwang mich aber weiterzusprechen. „ Er war ziemlich angetrunken, ich sagte ihm er solle raus gehen und mich in Ruhe lassen. Doch er hörte nicht auf mich. Im nächsten Moment schmiss er mich aufs Bett." Mein ganzer Körper verkrampfte sich, also erzählte ich schnell weiter." Als er fertig war, war dort überall Blut." Das Offensichtliche, meine Vergewaltigung, konnte ich nicht aussprechen. "Er hatte wohl nicht gedacht, dass ich noch Jungfrau war. Also bekam er Panik und rannte aus dem Zimmer. Ich stand danach eine gefühlte Ewigkeit unter der Dusche. Dann packte ich meine Sachen und bin gegangen. Ich wollte nur noch weg. Ich rannte und rannte, weit weg von den reichen Gebieten bis ich irgendwann die 8 Mile erreichte. Da gibt es doch diese riesige Brücke..." Jimmys Hände hatten sich mittlerweile zu Fäusten geballt. Ich erzählte schnell weiter: „Eine der Nutten, die dort standen, hat mich überredet nicht zu springen und dafür mit zu ihrer Wohnung zu kommen. Ich verstand mich super mit ihr und blieb fast zwei Wochen. Irgendwann bemerkte ihr Zuhälter das, passte mich abends vor der Wohnung ab und wollte Geld. Ich hatte natürlich keins. Naja und ab dem Zeitpunkt kennst du ja die Geschichte. Zum Glück war Lisa zur Stelle. Ich konnte mich von Elena noch nicht mal verabschieden." beendete ich traurig meine Geschichte.
Wir lagen eine lange Zeit nebeneinander. Niemand sagte ein Wort. Irgendwann traute ich mich Jimmy anzuschauen. Er schaute mit seinen stechend blauen Augen zurück und flüsterte: „Es tut mir leid, Alex." Ich nickte und schloss die Augen. Er drückte mich fest an sich. Das erste Mal seit Wochen fühlte ich mich geborgen.
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Tragic Endings
FanfictionDetroit - 1991 Alex hat kein Zuhause mehr, kommt aber zum Glück bei B-Rabbit unter, einem Underground Rapper. Er und seine Freunde zeigen ihr, dass trotz allem was sie durchmachen musste, das Leben schön sein kann. Doch schafft sie den Absprung aus...