Die nächsten Wochen verliefen ereignislos. Wenn der Alltag mich hatte dachte ich nicht an meine Vergangenheit. Doch nachts konnte ich oft nicht schlafen. Dann überkamen mich Erinnerungen. An die Vergewaltigung. Aber auch an meine kleine Schwester und an meine zwei besten Freunde. Mittlerweile tat es mir leid, dass ich damals Emma am Telefon so abgewürgt hatte. Mir wurde klar, dass sie und Liam die Einzigen wären, die mir über den Zustand meiner Schwester berichten hätten können. Hailie hatte seit sie drei Jahre alt ist Blutkrebs. Es ging ihr mal besser, mal schlechter. Ich war oft genug im Krankenhaus mit dabei gesessen und habe ihre Hand gehalten, als sie die Chemotherapie über sich ergehen hat lassen. Somit machte ich mir umso mehr Vorwürfe, dass ich sie vor ein paar Monaten einfach allein gelassen hatte. Ich wusste, dass meine Mutter sich trotz ihrer eigenen Probleme um Hailie gut kümmerte. Allerdings verstand sie sich nicht so wie ich Hailie von ihren Schmerzen abzulenken. Mittlerweile waren fünf Monate vergangen. Fünf Monate, in denen ich nicht wusste, ob meine süße, kleine Schwester überhaupt noch lebte.
Leise stand ich von der Couch auf, zog mir eine Jacke über, nahm mein Handy und meine Zigaretten und setzte mich vor dem Trailer auf die Stufen. Ich schaute auf die Uhr. Es war nun 05:10 Uhr. Ich wusste, dass Emma schon wach war, um sich für die Uni fertig zu machen. Ich zündete mir eine Zigarette an, nahm einen kräftigen Zug und wählte dann entschlossen ihre Nummer. Es klingelte genau ein Mal.
„Alex?" ich hörte an ihrer Stimme, wie nervös sie war. Ich räusperte mich, um den Kloß in meinen Hals verschwinden zu lassen. „Hallo Emma." „Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung? Ich freue mich so, dass du anrufst." Sprudelte es aus ihr heraus. Ich lächelte leicht. Ich vermisste ihre quirlige Art. Ich vermisste meine beste Freundin. Doch ich konnte nicht den Schmerz darüber vergessen, dass sie mich damals, als ich weinend vor ihr stand, nicht aufnehmen wollte. Ich schluckte schwer. „Ich rufe eigentlich nur aus einem Grund an... Wie geht es Hailie?" Es herrschte kurz Stille am Telefon. „Den Umständen entsprechend gut. Sie ist momentan zu Hause, aber ich glaube nächste Woche muss sie wieder zur Chemo." Gab sie mir bereitwillig Auskunft. Ich atmete erleichtert auf. „Sie vermisst dich allerdings Alex, so wie wir alle." Mir wurde das Herz schwer. „Alex, bitte, hör mir nur das eine Mal zu. Es tut mir wahnsinnig leid, dass wir dich damals abgewiesen haben. Liam tut es auch leid. Wir waren einfach mit dieser Situation überfordert. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass er wirklich so etwas tun würde. Können wir uns bitte treffen? Bitte?" flehte sie mich an. Mir schossen Tränen in die Augen. Ich hielt sie jedoch tapfer zurück. „Okay." Sagte ich und nahm einen Zug meiner Zigarette. „Unter einer Bedingung: Ich möchte Hailie sehen." „Danke Alex, ja natürlich!" versicherte sie mir. Wir machten aus, dass wir uns heute Nachmittag nach meiner Schicht im Rosi's treffen würden.
Ich klappte mein Handy zu und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Heute Nachmittag würde ich meine kleine Schwester sehen. Ichkonnte es kaum fassen. Auf einmal hörte ich, wie sich leise die Tür hinter mir öffnete. „Alles in Ordnung?" fragte Jimmy. Ich schaute lächelnd zu ihm auf. „Jetzt schon." Er setzte sich neben mich. Wir rauchten zusammen noch eine weitere Zigarette, bei der ich ihm alles erzählte. Er bestand darauf mit Proof und Lisa bei dem Treffen dabei zu sein. Insgeheim war ich froh darüber. Ich konnte jede emotionale Unterstützung brauchen.
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Tragic Endings
FanfictionDetroit - 1991 Alex hat kein Zuhause mehr, kommt aber zum Glück bei B-Rabbit unter, einem Underground Rapper. Er und seine Freunde zeigen ihr, dass trotz allem was sie durchmachen musste, das Leben schön sein kann. Doch schafft sie den Absprung aus...