Wir saßen nun schon eine ganze Zeit lang auf seiner Motorhaube und betrachteten das überwältigende Bild vor uns. Die Stadt bestand nur noch aus leuchtenden Punkten, die wie Sterne aussahen. Ab und zu, wenn der Wind in unsere Richtung wehte, hörten wir Sirenen und Autogeräusche. Ansonsten war es friedlich still. Mich überkam eine überwältigende Liebe für meine Stadt. Detroit. Mit all den Problemen, die diese Stadt hatte, war es doch meine Heimat. Hier bin ich aufgewachsen und ich wusste, hier wollte ich auch sterben. Clarence riss mich aus meinen Gedanken. „An was denkst du?" fragte er leise. „Daran, dass ich seit langem endlich mal wieder glücklich bin." Antwortete ich genauso leise zurück. Er schaute mich mit einem Lächeln auf den Lippen an. Dann kam er näher. Er strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr zurück. Ich schaute ihn einfach nur an. Versuchte diesen Moment festzuhalten. Ich hatte das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist. Und dann beugte er sich vor und küsste mich. Ich hatte vermutet, dass ein „Gangster" wie Clarence mich fordernd küssen würde, so wie Jimmy das getan hatte. Doch dem war nicht so. Er küsste mich zaghaft, so als könnte ich zerbrechen. Mir gefiel dieser „softe" Clarence, denn ich wusste, dass er nicht vielen diese Seite von sich zeigte. Er lehnte sich zurück und schaute mich liebevoll an. Nun lächelte er breit. Seine weißen Zähne blitzten. „Du hast keine Ahnung wie lange ich das schon machen wollte." Sagte er. Ich lachte. Dann fiel mein Blick auf die Uhr. „Fuck!" rief ich aus. Ich sprang hektisch auf. „Was ist denn?" fragte Clarence verwirrt. „Meine Schicht ist schon seit einer Stunde zu Ende." Ich rannte zur Beifahrertür. Clarence schaute mich immer noch verwirrt an. „Jetzt komm, verdammte Scheiße." Fuhr ich ihn an. Er runzelte die Stirn, sprang jedoch von der Motorhaube herunter und stieg ein.
Wir fuhren gerade wieder auf eine befestigte Straße, als er mich fragte. „Was hat das Ende deiner Schicht mit dem Ende unseres Dates zu tun?" Ich rutschte nervös auf meinem Sitz herum. Ich wusste, dass ich ihm die Wahrheit sagen musste, nur hatte ich Angst vor seiner Reaktion. „Jimmy denkt ich bin auf Arbeit, deshalb solltest du mich auch bei Rosi's abholen." Gab ich leise zur Antwort. „Du hast diesem Motherfucker also nicht erzählt, dass wir ein Date haben." Sagte er wütend. „Clarence, du musst das verstehen, sie hassen dich genauso sehr wie du sie. Wenn ich meinen Freunden erzähle, dass ich in ihren Erzfeind verknallt bin, rasten sie wahrscheinlich vollständig aus." versuchte ich mich zu erklären. Wir hielten gerade an einer roten Ampel, die auf grün umsprang. Clarence beachtete dies nicht und starrte mich einfach nur an. „Ehm Clarence, es ist grün." Sagte ich und deutete auf die Ampel. Zum Glück war weit und breit kein Auto zu sehen. Er starrte mich immer noch an. „Clarence, was ist denn?" fragte ich nun schon leicht genervt. „Du bist verknallt in mich?" fragte er mich erstaunt. Upps. Das war mir einfach so rausgerutscht. Ich starrte verlegen auf meine Hände. „Als wenn du das nicht schon gewusst hättest." Sagte ich leise, bedacht darauf ihm nicht in die Augen zu schauen. Über meine Gefühle zu reden war mir peinlich. „Mhm, es ist auf jeden Fall schön zu hören. Ich kann es dir aber auch nicht verüblen. Jeder liebt Papa Doc." Er lachte und fuhr endlich weiter. Ich verdrehte die Augen. „Eingebildeter Sack!" murmelte ich, war jedoch froh, dass seine Stimmung sich aufgehellt hat. Er hatte meine kleine Beleidigung gehört und lachte nur noch mehr. Clarence schaffte es immer, aus einer mir unangenehmen Situation eine schöne zu machen, das war schon früher so. „Und bist du auch..?" Weiter kam ich nicht, da unterbrach er mich schon. „Jetzt erwarte kein Liebesgeständnis von mir Alex. Aber eins kann ich dir sagen. Du bist verdammt scharf." Er lächelte zu mir rüber und ich schaute beschämt aus dem Fenster und wurde rot. Erst da bemerkte ich, dass wir gerade in den Trailerpark reinfuhren. Panisch drehte ich mich zu ihm um. „Verdammt Clarence, ich möchte wirklich nicht, dass meine Freunde hiervon erfahren. Jedenfalls noch nicht. Ich muss ihnen das irgendwie schonend beibringen." „Alex, man, entspann dich! Ich lass dich um die Uhrzeit in dieser beschissenen Gegend ganz sicher nicht alleine heimlaufen. Du sagst einfach, dass ich dich im Rosi's besucht habe und dir dann angeboten habe dich heimzufahren." Ich dachte kurz über diese Ausrede nach. Sie kam mir plausibel vor, also nickte ich. „Okay."
Er hielt vor dem Trailer und machte den Motor aus. Innen brannte Licht, also hatte Jimmy auf mich gewartet. Ich ahnte, dass ein unangenehmes Gespräch mit ihm auf mich wartete. Ich hasste es ihn anzulügen, aber ich wusste auch, dass er ausrasten würde, wenn ich ihm vom meinem Date mit Clarence erzählen würde. Vor allem, da zwischen Jimmy und mir immer eine gewisse Anspannung war. Irgendetwas war zwischen uns, das wussten wir beide. Eine unsichtbare Anziehungskraft. Ich wollte und konnte dieser allerdings nicht nachgeben. Zu große Angst hatte ich, dass eine missglückte Romanze zwischen uns alles verändern würde. Ich würde mein Zuhause verlieren, schon wieder. Oder noch schlimmer: Ich würde Lily und auch Jimmy dadurch verlieren. Ich konnte schon allein den Gedanken daran, schon wieder meine Familie zu verlieren, nicht ertragen. Also unterdrückte ich jedes Gefühl von mir im Bezug auf Jimmy und Clarence war bei all dem eine gute Hilfe und auch Ablenkung. Ich wusste, dass dies nicht fair ihm gegenüber war. Aber seit wann war das Leben schon fair?
Clarence fuchtelte vor meinem Gesicht herum: „Erde an Alex." „Upps, sorry." Entschuldigte ich mich. „Also manchmal bist du wirklich seltsam." Lachte er. Ich streckte ihm die Zunge heraus. „Na diese Zunge würde ich gerne noch woanders sehen." Er zwinkerte mir zu. „Clarence, du Perverser." Lachte ich. „Also ich geh dann mal rein, es war wirklich sehr schön heute, danke." Ich lächelte ihn an. Dann überlegte ich kurz. Ich schaute zum Trailer. Niemand war zu sehen. Also beugte ich mich herüber und gab Clarence einen leichten Kuss auf die Lippen. „Bis bald." hauchte ich. „Bis bald." Lächelte er. Ich stieg aus und ging hinein, nicht ohne noch einen letzten Blick auf Clarence zu werfen.
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Tragic Endings
FanfikceDetroit - 1991 Alex hat kein Zuhause mehr, kommt aber zum Glück bei B-Rabbit unter, einem Underground Rapper. Er und seine Freunde zeigen ihr, dass trotz allem was sie durchmachen musste, das Leben schön sein kann. Doch schafft sie den Absprung aus...