Als ich aufwachte, war es außen stockdunkel. Alle waren von der Couch verschwunden und der Fernseher war aus. Jemand hatte eine Decke über mich gebreitet. Ich war gerührt, wie nett diese Menschen sich um eine vollkommen fremde Person kümmerten. Trotzdem zeigte mir meine Erfahrung, dass ich niemanden trauen durfte. Ich suchte nach meiner Sporttasche, die ich mitgenommen hatte. In dieser Tasche war alles was ich noch besaß, ein paar Klamotten zum Wechseln, ein bisschen Geld, mein Handy und ein kleines Taschenmesser. Ich nahm das Messer mit auf den Sessel und kuschelte mich wieder unter die Decke. Wenn mir jemand an den Kragen wollte, dann nicht, ohne selbst verletzt zu werden! Mit diesem Gedanken schlief ich wieder ein.
Am nächsten Morgen wurde ich von Vogelgezwitscher und Helligkeit geweckt. Ich stand auf und streckte mich. Dieses Halb im Sitzen schlafen war nicht gerade wohltuend für meinen Körper. Auf die Couch wollte ich aber auch nicht, denn auf dem Sessel hatte ich wenigstens den Raum im Blick.
Ich überlegte, was ich nun machen sollte. Einfach so verschwinden, fand ich unhöflich, nachdem ich hier vollkommen umsonst schlafen durfte. Ich zog mich an und suchte nach dem Bad. Ich wurde gegenüber von Lilys Zimmer fündig. Das Bad war so klein, dass man sich kaum umwenden konnte ohne irgendwo gegen zu stoßen. Es war mit einer kleinen Dusche, einem Klo, einem Spiegel und einem Waschbecken ausgestattet. Zum Zähne putzen und frisch machen reichte es somit allemal aus. Kurze Zeit später befand ich mich in der Küchennische. Es war nun halb Sechs am Morgen. „Ob Jimmy eine Arbeit hat?" fragte ich mich leise. Ich zuckte die Schultern, an sich ging mich das ja nichts an. Aber Lily musste bestimmt bald aufstehen, um in den Kindergarten zu gehen.
Wie von selbst fing ich an das dreckige Geschirr abzuspülen und aufzuräumen. Als das fertig war, suchte ich im Kühlschrank nach Essbarem, um als kleines Dankeschön ein Frühstück vorbereiten zu können. Im Kühlschrank fand ich Eier und Milch. Ich entschied mich Omelettes zu machen. Als ich gerade mit dem Tisch decken fertig wurde, hörte ich Schritte. Ich drehte mich um und vor mir stand Jimmy mit Lily auf dem Arm. „Was machst du da?"fragte er stirnrunzelnd. „Frühstück" gab ich knapp zur Antwort.
„Uns hat der gute Geruch geweckt"lachte die kleine Lily mich an. Ich musste augenblicklich zurücklächeln. Wir setzten uns an den Tisch und Lily und Jimmy aßen hungrig die Omelettes. Ich stocherte lustlos in meinem Essen herum, ich bekam einfach nichts runter. Als wir fertig waren, spülte ich ab, während Jimmy Lily beim Anziehen half.
„Lily, geh doch schon mal raus, ich komme gleich nach." hörte ich Jimmy sagen. Lily kam zu mir, umarmte mich und ging fröhlich hüpfend hinaus. Ihr Bruder stand in der Ecke und schaute mich an. „Wo gehst du jetzt hin?" Ich wich seinem Blick aus „Weiß ich noch nicht."
„Okay, du kannst bis zum Wochenende bleiben, dann brauchst du aber einen Plan." Ich schaute ihn irritiert an. „Schon okay, ich finde was. Ich brauche keine Hilfe."„Ich denke schon. Ich bin bis Vier auf Arbeit, dann hole ich Lily ab und bin bis Fünf wieder hier. Bau keinen Scheiß!" warnte er mich noch bevor er aus der Tür raus ging und mich sprachlos zurück ließ. Das meinte er doch nicht ernst, dass ich hier bleiben sollte. Wie konnte er mir, einer vollkommen fremden Person, soweit vertrauen? Schließlich könnte ich seine Bude ausräumen. Als ich mich umschaute, bemerkte ich allerdings, dass es hier nicht viel zum Stehlen gab. Ich musste lachen. Dann überlegte ich fieberhaft was ich nun tun sollte. Abhauen? Aber was waren meine Optionen? Nochmal dem gruseligen Typen von gestern über den Weg laufen? Auf der Straße schlafen und riskieren, dass ich vergewaltigt werde? Als ich das Wort "Vergewaltigung" dachte, war meine Entscheidung gefallen. Ich würde hier bleiben und mir schleunigst einen Plan überlegen. Jimmy wirkte nicht wie ein übler Kerl. Ich konnte allerdings nur darauf hoffen, dass mich meine Wahrnehmung nicht täuschte.
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Tragic Endings
FanfictionDetroit - 1991 Alex hat kein Zuhause mehr, kommt aber zum Glück bei B-Rabbit unter, einem Underground Rapper. Er und seine Freunde zeigen ihr, dass trotz allem was sie durchmachen musste, das Leben schön sein kann. Doch schafft sie den Absprung aus...