My Darling

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Ich stand vor dem Rosi's und rauchte nun schon meine dritte Zigarette in Folge. Ich verstand nicht, warum ich gar so aufgeregt war. Vielleicht, weil es seit langer Zeit mein erstes Date war. Oder vielleicht auch, weil ich mir früher immer erträumt hatte, mit Clarence dies zu erleben. Als ich mir gerade meine vierte Zigarette anzünden wollte, fuhr ein großes schwarzes Auto mit getönten Scheiben heran. Es wirkte alt und heruntergekommen, wie fast alles hier in Detroit. Und trotzdem beeindruckte es mich. Mit diesem Auto würde dir bei einem Unfall bestimmt nichts passieren. Eher würden alle anderes Autos von diesem zermatscht werden. Clarence stieg aus und hielt mir die Tür auf. „My Lady!" sagte er mit vorbeugender Haltung und hielt mir die Hand hin. „Ein Gangster, der auf Gentleman macht! Das ich das noch erleben darf." Erwiderte ich mit gespielter Rührseligkeit und stieg ein. Von innen hörte ich ihn über meinen kleinen Witz lachen.

Wir fuhren schon eine Zeit lang durch die dunklen Straßen von Detroit, als ich die Anspannung nicht mehr aushielt. „Verrätst du mir auch irgendwann wo wir hinfahren?" fragte ich gespielt schmollend. „Nein." Kam die kurze Antwort von Clarence. Ich haute ihm leicht auf den Oberarm. Er lachte. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart wie früher. Unbeschwert und sorglos. Und dieses Gefühl genoss ich sehr. Nach weiteren 20 Minuten hielt Clarence nun endlich auf einem Parkplatz. Ich schaute mich um und erkannte nur ein Schnellrestaurant. Es war „Taco Bell", mein absolutes Lieblingsrestaurant. Ich drehte mich voller Vorfreude zu ihm. „Das ist mein Lieblingsrestaurant, bitte sag mir, dass wir da reingehen. Ich hab schon ewig nicht mehr richtig gute Tacos gegessen." Sprudelte es auf mir heraus. Ich sah ihn an und bemerkte, dass er mich belustigt betrachtete. „Du hast dich daran erinnert, dass das mein Lieblingsrestaurant ist.", dämmerte es mir. Ich war gerührt. In „meinem alten Leben" waren wir einmal gemeinsam bei Taco Bell gewesen. Ich hatte ihm damals erzählt, wie gerne ich dieses Restaurant mochte. Er erinnerte sich nach all den Jahren an diese kleine Aussage von mir. Clarence riss mich aus meinen Gedanken. „Gehen wir jetzt rein oder was?" Gut gelaunt sprang ich aus seinem Auto und ging voller Vorfreude zum Eingang. Innen angekommen überwältigte mich der Geruch von mexikanischem Essen und Erinnerungen. Obwohl meine Jugend von nervigen Pflichten und einem zerrüttendem Elternhaus bestand, war ich in Taco Bell immer glücklich. Es war früher ein Rückzugsort geworden. Doch nun brauchte ich das nicht mehr, ich war nämlich frei.

Wir aßen Tacos und unterhielten uns. Clarence konnte charmant und lustig sein, wenn er wollte. Ich hatte Angst gehabt, dass es ein versteiftes und hochoffizielles Date werden würde. Doch dem war nicht so. Hätten uns Außenstehende betrachtet, wären sie wahrscheinlich nicht auf den Gedanken gekommen, dass wir gerade ein Date hatten. Wir blödelten und witzelten herum wie Freunde. Somit verlief der Abend für mich entspannt. Als wir Taco Bell verließen, wollte Clarence mit mir noch zu einem anderen Ort fahren. Wieder wollte er mir nicht verraten wohin. „Mensch Clarence, wie lange kennst du mich jetzt? Du weißt, dass ich diese Geheimnistuerei hasse." „Ja, ich weiß." Lachte er. Ich mochte sein Lachen. Dabei kamen seine weißen Zähne zum Vorschein, die in einem starken Kontrast standen zu seiner dunklen Hautfarbe. Wenn Clarence lachte, wirkte er nicht mehr wie ein böser Gangster, sondern einfach nur nett und fröhlich. So wie ich ihn kennengelernt hatte. Doch sein Umgang mit den falschen Leuten veränderte ihn immer mehr. Diese Veränderung machte mir Sorgen. Schnell wischte ich diesen Gedanken beiseite. „Bitte, sag mir wohin wir fahren." Bettelte ich. Er starrte weiterhin konzentriert auf die Straße, doch ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Dann hatte ich eine Idee. Ich schnallte mich langsam ab. „Was machst du da?" fragte er stirnrunzelnd. Ich rutsche ganz dicht an ihn heran. Er schluckte. Mit meinem Mund ging ich gefährlich nah an sein Ohr und hauchte lächelnd „Sagst du es mir?". „Alex, das ist unfair." Erwiderte er mit zusammen gekniffenen Zähnen. Ich rutschte noch näher an ihn heran. Mein Gesicht nur ein paar Millimeter von seinem entfernt. „Bitte." Ich berührte zaghaft mit meiner Zunge sein Ohrläppchen. Er erschauderte. „Verdammt, ich muss mich auf die Straße konzentrieren, du Luder." Er drückte mich von sich weg und ich lachte. „Na gut, dann warte ich eben ab." Sagte ich beleidigt und musste doch grinsen. „Es dauert auch nicht mehr lange." Antwortete er mir mit einem Augenzwinkern.

Nach einiger Zeit fuhren wir einen steilen Berg hinauf. Der Weg war gesäumt von Bäumen und Sträuchern. Im Dunklen wirkte es hier nicht gerade einladend. Kurz überkam mich die Angst, dass ich ihm in dieser Wildnis vollkommen ausgeliefert war. Doch ich wusste, dass dieses Unbehagen unberechtigt war.

Oben angekommen stellte Clarence leise den Motor ab. Ich bemerkte es kaum. Zu überrascht war ich über den Ausblick, der sich mir bot. Wir waren auf einem der höchsten Gipfel in Detroit. Unter uns schimmerte die Stadt in einem atemberaubenden Licht. Langsam stieg ich aus und ließ das Bild auf mich wirken. Es war wunderschön.

Tragic EndingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt