Das Geheimnis, das nie eines war

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Das Geheimnis, das nie eines war

"Der Zug hat Verspätung!" schniefte ich gespielt in das Handy. "Mir musst du das nicht sagen!" gab Taddl zurück "Ich stehe seit einer Stunde am Bahnhof und es regnet!" Ich musste lachen "Weißt du, ich hab dich vermisst... Die ganze Zeit." Mit dem Finger folgte ich dem Weg eines Regentropfens, der von dem Wind die Scheibe heruntergetrieben wurde. "Ich dich auch. Mir läuft gerade der Regen in die Schuhe und ich kann an nichts denken, wie ich dich küssen werde wenn du endlich bei mir bist!" Sehnsüchtig seufzte ich. "Hör bitte nicht auf zu reden... Ich möchte deine Stimme hören, solange du mich nicht im Arm hältst." Taddl lachte und ich schloss seelig die Augen. "Ardy freut sich schon auf dein Frühstück. Er redet von nichts anderem, dieser kleine, verfressene... Ist das dein Zug, der da gerade kommt?" Ich schlug die Augen auf und sah aus dem Fenster. Er hatte Recht! Ohne mich zu verabschieden legte ich auf, packte meine Tasche und flog förmlich aus den geöffneten Türen des Zuges. 

*Sichtwechsel zu Taddl*

So schnell er konnte packte Taddl das Handy weg und nahm Mona in die Arme. Er hob sie hoch und küsste sie so stürmisch, als hätte er sie jahrelang nicht gesehen. Nachdem sie die Ewigkeit so verschlungen im Regen standen löste Mona langsam ihre Lippen von seinen. "Ich hab dich auch vermisst." hauchte sie und vergrub ihr Gesicht in seinem nassen Pullover. "Du bist total eingeweicht!" lachte sie und schob ihm eine schon tropfende Strähne aus dem Gesicht. "Du wirst auch bald nass, wenn wir hier weiter einfach so rum stehen!" "Das ist mir egal. Hauptsache ich stehe bei dir." Grinsend zog er seine Regenjacke aus und hängte sie ihr um die Schultern. "Lass uns endlich ins trockene gehen, bevor sich irgendwer noch ne Erkältung einfängt."

Mona saß, in ihr Schulbuch vertieft auf der Couch, als Taddl mit noch nassen Haaren aus dem Bad kam. Sie bemerkte ihn erst, als er hinter ihr stand und ihr einen Kuss in den Nacken hauchte. "Ich habe Angst, Taddl." sagte sie leise. "Ich habe Angst, dass ich es nicht schaffe..." Er setzte sich neben sie. Jetzt erst bemerkte er, dass Mona sich so krampfhaft an das Buch klammerte, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Vorsichtig löste er ihre verkrampften Hände von den bereits verknickten Seiten und sofort fiel das Mädchen neben ihm in sich zusammen. So etwas erschreckendes hatte Taddl noch nie gesehen. Er hatte das Abi selbst vor nicht zu langer Zeit gemacht, doch niemand den er gekannt hatte war von Stress und Leistungsdruck so aufgefressen worden, wie sie. Sanft zog er sie zu sich und Mona legte den Kopf auf seine Schulter. "Wieso machst du dir Sorgen? Deine Noten sind gut genug! Bei weitem besser, als meine, oder die meiner Freunde! Momentan bist du sogar besser als unser Schulbester damals!" Sie hob den Blick ihrer wunderschönen, blauen Augen zu ihm. "Das wird aber nicht reichen!" "Meins du es wird dir nicht reichen, oder deinem Vater?" "Diese beiden Dinge sollten ein und das Selbe sein!" "Das sind sie aber nicht! Es ist nicht das Leben deines Vaters, sondern dein eigenes! Du musst es leben und glücklich werden." "Aber brauche ich um glücklich zu werden nicht einen guten Job? Und brauche ich um so einen Job zu bekommen nicht einen guten Abschluss?" Eine Zeit lang sah Taddl sie an. Wie lange waren sie jetzt schon verliebt? Länger, als ein halbes Jahr. Diese ganze Zeit hatte er kaum an etwas anderes denken können, als an die Farbe ihrer Augen, den Klang ihrer Stimme, den Duft ihres Haares... Und die ganze Zeit über hatte Taddl Angst davor gehabt ihr zu sagen, was er beruflich tat. In seinen schlimmsten Albträumen lachte sie ihn aus, oder schüttelte einfach nur den Kopf und ging. "Mona, komm mal mit. Ich muss dir was zeigen..."

*Sichtwechsel zu Mona*

Taddl zog mich vom Sofa und zusammen gingen wir zu seiner Zimmertür. Zu oft war ich noch nicht bei ihm gewesen, doch in dieser ganzen Zeit hatte ich das innere seines Zimmers noch nicht einmal gesehen. Jedes Mal wenn wir irgendwie auf das Thema kamen wovon er lebte lenkte er gekonnt ab. Jetzt stieß Taddl die weiße Tür zu seinem Zimmer auf. Ich konnte die Nervosität in seinen Augen glänzen sehen, als ich zum ersten Mal sein Zimmer betrat. Langsam begann ich zu erahnen, was Taddl mir hatte verschweigen wollen. Neben seinem Rechner war Mikrofon und Kamera aufgebaut, zusammen mit einem weiteren Arsenal von Aufnahme Equipment. "Ich hatte Angst es dir zu sagen." murmelte Taddl, der immer noch in der Tür stand. "Ich bin... Naja... YouTuber... Das..." fasziniert betrachte ich den Rechner und musste lachen. Nicht, weil ich es lächerlich fand, sondern weil ich so überrascht war. "Ich weiß, was YouTuber sind! Früher, vor der K1, habe ich YouTube geliebt! Lefloid, Y-Titty, Gronkh... Das waren meine Helden. Ich hatte sogar selbst einen kleinen Kanal... Nichts großes. 50 Abonnenten, aber dann kam die Kursstufe." Ohne Taddl anzusehen schüttelte ich den Kopf. "Wie viel habe ich mir von der Schule noch nehmen lassen?" Plötzlich kam mir alles so schrecklich surreal vor. Hatte ich mich nur für die Schule so verändert? In der nächsten Sekunde legte Taddl mir von hinten die Hand auf die Schulter. "Du findest es nicht lächerlich?" "Nein! Überhaupt nicht! Ich bewundere sowas! Du hast deinen Traum verfolgt... Im Gegensatz zu mir..." "Hey, Mona!" Sanft legte er seine Hand unter mein Kinn und sah mir eindringlich in die Augen. "Weißt du noch, was ich gesagt habe? Egal wofür du dich entscheidest... Ich werde immer hinter dir stehen!" Dankbar sah ich ihn an. "Und ich werde dir jetzt etwas versprechen. Wir alle werden mit dir diese Woche so gut aufs Abi lernen, dass du den besten Abschluss machst, den die Welt je gesehen hat! Ohne, dass du es merkst!"

Ein Sturz entferntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt