Einfach ein normales Abendessen mit dem leichten Beigeschmack von Verhör

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Einfach ein normales Abendessen mit dem leichten Beigeschmack von Verhör

Die großen Prüfungen kamen immer näher. Stress und Angst nisteten sich in meiner Magengrube ein, die dort ab jetzt Dauergäste blieben. Das Einzige, was mir half das zu überleben waren die Nachrichten und Telefonate mit Taddl. Ich brauchte ihn, wie Pflanzen Wasser und Sonnenlicht brauchten. Ohne ihn würde meine Seele absterben. Jedoch wurde ich in dieser Zeit auch viel zu unvorsichtig. Mehrmals platzte meine Mutter ins Zimmer, während ich dabei war mit ihm zu telefonieren. Jedes Mal war ich froh, dass es nicht mein Vater gewesen war und konnte noch zurückrudern, redete mich mit einem Schulkameraden heraus, mit dem ich mich verquatscht hatte, doch langsam wurde das Eis unter mir dünner. 

Schließlich lag nur noch etwa eine Woche zwischen mir und den wichtigsten Prüfungen meines bisherigen Lebens. "Mama? Papa?" fragte ich beim Abendessen. "Ja, Schatz?" "Ich wollte euch fragen, ob ich die Woche vor dem schriftlichem Abi wieder zum lernen weg fahren kann." Meine Mutter hob, aufmerksam geworden den Kopf und mein Vater bekam diesen scharfen Blick in den Augen, den er auch immer hatte wenn er den Angeklagten bei einer Verhandlung in die Enge trieb. Er war natürlich Anwalt. "Wieso? Denkst du nicht es wäre besser, wenn du in Ruhe lernst?" "Ich kann mich besser in einem guten Café konzentrieren, als alleine in meinem stillen Zimmer." "In unserer Stadt gibt es auch viele gute Cafés." Erwiderte mein Vater. Seine Adleraugen waren aufmerksam auf mich gerichtet und suchte in meinem Gesicht nach einem winzigen zucken, das verriet, dass ich log. "Unsere Stadt ist so klein, dass mich jeder kennt. Wie soll ich mich denn konzentrieren, wenn mich alle 10 Minuten jemand fragt wie es mir geht?" Ich war froh, dass er nur auf mein Gesicht achtete und nicht auf meine Hände, denn diese hielt ich unter dem Tisch und sie zitterten wie Espenlaub. "Ach... Und mit wem telefonierst du in letzter Zeit so oft? Du schreibst doch sonst lieber Nachrichten." Es wurde eng... Sehr eng... "Zuerst habe ich sie auch angeschrieben, aber sie braucht immer eine Ewigkeit um zu antworten, also habe ich sie einfach angerufen... " "So oft? Normalerweise musst du nicht nachfragen, was Termine und alles andere in der Schule angeht." Meine Hand zitterte immer heftiger. Krampfhaft ballte ich sie zur Faust, so fest, dass sich meine Fingernägel schmerzhaft tief in meinen Handballen gruben. "Ich musste wegen einer Besprechung für den Seminarkurs früher aus Wirtschaft raus. Ich habe sie angerufen, um zu fragen was wir noch gemacht haben, aber sie war so schusselig, dass sie immer die Hälfte vergessen hat..." "Mit wem hast du so lange geredet? Ich bin mit den Vätern der meisten Mädchen in deinem Wirtschaftskurs befreundet. Da kann ich nachfragen, ob sie nicht vielleicht nicht noch etwas vergessen hat." Mein Herz flatterte im inneren meines Brustkorbes wie ein gefangener Vogel. Ich spürte, dass mein Vater wusste, dass ich log und nur auf den kleinsten Fehler von mir wartete, um das zu beweisen. Er trieb mich absichtlich in die Enge. Um Zeit zu schinden schob ich mir noch eine Gabel Salat in den Mund. Fieberhaft dachte ich nach. "Mia! Ich hab mit Mia telefoniert. Arbeitest du mit ihrem Vater nicht sogar zusammen?" Er kannte ihn nicht mal und das wusste ich. "Nein...bedauerlicherweise nicht." Der Blick in seinen Augen war lauernd. Ich tat, als würde ich es nicht bemerken und aß einfach weiter. Aus dem Augenwinkel sah ich wie mein Vater mein Gesicht immer noch musterte, doch als er dort nichts fand wanderte sein Blick tiefer, bis zu meiner linken Hand, die unter der Tischplatte vor seinem wachsamen Auge geschützt war. "Schatz, hole doch bitte eine frische Flasche Wasser aus der Küche, wärst du so lieb?" Die Flasche Wasser, die auf dem Tisch stand war noch halb voll. "Ja, klar." Auf gar keinen Fall durfte ich verkrampft wirken! Ich stand auf und nahm die Flasche in die linke Hand. Die ganze Zeit spürte ich den Blick meines Vaters im Nacken, aber ich schaffte den ganzen Weg ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. "Ist es jetzt in Ordnung, wenn ich am Wochenende fahre und dann die Woche bleibe?" "Wo hast du denn das Geld für das Hotel her?" fragte meine Mutter. "Ich hab eine nette Jugendherberge gefunden. Die kostet fast nichts." Aufmerksam betrachtete mein Vater mich noch den Rest des Essens, bis er schließlich sagte. "In Ordnung, aber komm Sonntag früh nachhause, damit du genug schlaf bekommst."

Ein Sturz entferntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt