Ein Kuss über den Dächern von Köln

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Ein Kuss über den Dächern von Köln

Zum gefühlten hundertsten Mal zog er das Handy aus seiner Hosentasche und öffnete Whatsapp. Keine neuen Nachrichten. Taddl begann auf und ab zu gehen, dann hörte er das Geräusch eines einfahrenden Zuges. Sein Herz begann zu rasen, die Türen öffneten sich und sie betrat den Bahnsteig. Für eine Sekunde raubte ihr Anblick ihm den Atem. Hatte er vergessen wie schön sie war? "H-hey Mona!" Er hätte sich dafür Ohrfeigen können, dass er kurz stotterte. "Hallo Taddl!" sie kam auf ihn zu und lächelte ihr bezauberndes Lächeln. "Schön dich wieder zu sehen!" "Ja, ich freue mich auch." Mona hatte eine große Tasche dabei, aus der an einer Ecke ein Teil eines Zeichenblocks hervorlugte. Es war schon Abend, als sie schließlich zu Fuß Taddl Wohnung erreichten. "Es ist zu spät, um dir jetzt noch die Stadt zu zeigen, also... willst du noch irgendwas anderes machen?" Mona zuckte mit den Schultern und stellte ihre Tasche neben die große Couch. "Ich hab noch n echt guten Film, wenn du willst." Mona nickte "Gerne! Ich lass mich überraschen." Taddl holte die DVD aus seinem Zimmer. Die Stunden flossen dahin, während LV-426 die pure Hölle erlebte. Es blieb nicht bei dem ersten Film. Kurz nach Mitternacht verschwand Mona schnell ins Bad, um sich etwas bequemeres anzuziehen. Selbst im Schlafanzug raubte ihr Anblick ihm noch den Atem. Auch wenn es nur ein weißes T-Shirt und eine schwarze, 3/4 lange Hose war kam sie Taddl so schön vor, dass er für eine Sekunde anzweifelte, dass sie überhaupt in seiner Wohnung stand und er nicht einfach nur träumte. Mona ließ sich wieder neben ihn auf das Sofa fallen. "Wollen wir weitergucken, oder willst du mich den Rest der Nacht einfach nur anstarren?" "Für mich wäre beides ok." rutschte es Taddl heraus und schon in der nächsten Sekunde wollte er sich dafür den Kopf an einer Wand einschlagen. Warum hatte er das gesagt? Im ersten Moment schien Mona etwas überrascht von seiner Antwort, doch dann grinste sie und nahm ihm die Fernbedienung aus der Hand. Als sie seine Hand streifte durchfuhr ein leichtes kribbeln seinen ganzen Körper. Mona musste das Selbe gespürt haben, denn für einen Augenblick verharrte ihre Hand in seiner und ihr Gesicht war nur eine Handbreit von seinem entfernt. Er roch den süßen Duft ihres Parfüms, dann war der Augenblick wieder vorbei.

*Sichtwechsel zu Mona*

Ich schlief die Nacht über so gut wie schon lange nicht mehr. Was war das gestern gewesen? Verliebte ich mich in ihn? In diesem Moment kam Taddl aus seinem Zimmer. Bis jetzt hatte ich seine Arme noch nie ganz gesehen. Ich hatte die Tattoos schon vorher bemerkt, doch erst jetzt sah ich, dass sie beinahe bis zu seiner Schulter reichten. Das alles sah unglaublich gut aus. Wir frühstückten und um etwa 10 Uhr verließen wir seine Wohnung. Ich hatte meinen Zeichenblock und die Bleistifte eingepackt und so führte er mich in Köln herum, von einem wunderschönen Platz zum nächsten. Allerdings war keiner gut genug um ihn zu zeichnen. "Du bist ein ziemlich harter Brocken." bemerkte er, als wir abends in einem Café saßen. "Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist." Seufzte ich "Vielleicht sollte ich mich nicht so anstellen und einfach eine Blume, oder so zeichnen!" seufzend schloss ich die Augen und vergrub mein Gesicht in den Händen. "Kommt gar nicht in Frage! Ich habe dir den schönsten Ausblick von ganz Köln versprochen und den kriegst du auch! Selbst wenn es das letzte ist, was ich tue!" sagte Taddl entschlossen. " Hast du noch eine Stelle auf Lager?" Fragte ich und trank meinen Kaffee leer. Taddl legte die Stirn in Falten und überlegte. "Eine hab ich noch!" Nach einem hastigen Blick aus dem großen Fenster bezahlte er, nahm mich an der Hand und zog mich hinter sich her. "Wir müssen uns beeilen!" erklärte er und zog mich sanft durch das Häuserlabyrinth von Köln. Schließlich standen wir auf dem höchsten Absatz eines Treppenhauses. "Das ist der letzte Platz, der mir einfällt." erklärte Taddl "Und nur wenige Leute kennen ihn... es ist eigentlich eher ein Insider, aber ich denke dir kann ich Köln zu Füßen legen." Mit diesen Worten öffnete er die Tür zum Dach und mein Atem stockte für einen Moment. Vor mir lagen die Dächer von Köln, sanft beleuchtet von der untergehenden Sonne. "Das..." setzte ich an, konnte den Satz aber nicht beenden, so überwältigt war ich von dem Anblick. "Das... ist... perfekt." Hauchte ich. Mit einem zufriedenen Lächeln zog er eine Gartenbank, die noch irgendwo auf dem Dach gestanden hatte zu uns heran. Mit einer angedeuteten Verbeugung und einem frechen Grinsen wies er zu dem Platz. Ich zog meinen Zeichenblock und den Bleistift hervor, setzte mich und begann zu zeichnen. Taddl setzte sich neben mich, so nahe, dass unsere Schultern uns beinahe berührten. Ich spürte das knistern zwischen uns in der Luft. Spürte er das auch? "Hast du das eigentlich ernst gemeint?" fragte Taddl plötzlich. "Du konzentrierst dich nur noch auf die Schule?" "Was ist daran so falsch?" "Ein möglichst guter Abschluss öffnet viele Türen... eigentlich sogar fast alle, die man öffnen kann." "Und was willst du später machen, wenn du so einen guten Abschluss brauchst?" Ich stockte kurz und sah ihn an. "A-anwältin... Denke ich..." "Ganz sicher hört sich das nicht an." bemerkte er. Schnell setzte ich wieder den Stift aufs Papier, um ihn nicht ansehen zu müssen. "Meine Eltern denken ich sollte Anwältin werden... Es ist ein anständiger Beruf und... " " Du bist nicht die Sorte Mensch, der staubige Akten wälzt." unterbrach Taddl mich. Ich sah nicht auf. "Sag mir was DU willst und nicht, was deine Eltern wollen, Mona!" "Kunst studieren." sagte ich, darüber nachdenken musste ich schon gar nicht mehr. "Ich wäre gerne Künstlerin, aber das ist unmöglich..." "Sag das nicht schon von vornherein! Wenn du es willst ist es möglich!" Mein Stift spazierte über das Papier und formte langsam die Dächer von Köln. "Gut genug bist du, um Künstlerin zu sein." bemerkte Taddl. Er hatte sich zu mir herüber gelehnt und sah mir über die Schulter. Ich spürte seinen warmen Atem in meinem Nacken und schloss die Augen. In dieser Sekunde wünschte ich mir nichts sehnlicher, als diesen Moment für immer fest zu halten, damit Taddl mir immer so nah wäre, oder sogar noch näher kommen würde. Aber ich durfte mich nicht verlieben! Nicht jetzt! Auf gar keinen Fall durfte ich mich von der Schule ablenken lassen... Ich durfte nicht... Langsam schlug ich wieder die Augen auf und da war er. Der Blick seiner grau-blauen Augen traf meine und fesselte mich. Ohne den Blick von ihm zu hören schlug ich die Seite des Zeichenblocks um und setzte den Stift neu an. "Was machst du da?" "Du hast mir den schönsten Ausblick von Köln versprochen und den werde ich jetzt zeichnen." "Was...?" "Hey..." flüsterte ich, hob die Hand und schob seinen Kopf sanft in die Position, die er vorher gehabt hatte. "...nicht bewegen..." Die Zeit verlor an Bedeutung, während ich ihn zeichnete. "Taddl! Du hast dich schon wieder bewegt..." Ich beugte mich zu ihm, um seinen Kopf wieder leicht zur Seite zu schieben, als er antwortete "Weißt du, es ist gar nicht so leicht immer still zu halte." Ich konnte die Wärme spüren, die von seinem Körper ausging, spürte seinen Herzschlag unter seiner Hand und dann lagen meine Lippen auf seinen, als die Sonne gerade hinter dem Horizont verschwand. Taddl schlang die Arme um meine Hüfte und zog mich näher zu sich heran. Wie hatte ich mir jemals wünschen können mich nicht zu verlieben? Jetzt war es auf jeden Fall zu spät.

Ein Sturz entferntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt