Der Takt eines Herzens

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Der Takt eines Herzens

*Sichtwechsel zu Mona*

Es war schon lange nach Mitternacht und ich hatte keine Tränen mehr, dich ich weinen konnte. Ich saß einfach nur da, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt und versuchte nicht von dem Schmerz erstickt zu werden. Mittlerweile spürte ich auch meinen gebrochenen Finger überdeutlich. Niemals hätte ich gedacht, dass mein Vater zu so etwas fähig wäre, aber jetzt saß ich hier. Mit einem gebrochenem Finger und einem ausgebranntem Herz. Ein Geräusch ließ mich zusammenfahren. Es hatte sich angehört, wie ein Regentropfen auf der Scheibe, doch die Nacht war klar und wolkenlos. Vielleicht hatte ich mich auch nur geirrt... Da war es wieder! Verwirrt stand ich auf und fuhr zusammen, als mein gebrochener Finger die Wand streifte. Ein paar Sekunden war ich unfähig mich zu bewegen, sondern krümmte mich einfach nur unter dem Schmerz. Dann schob ich den Vorhang zur Seite und sah aus dem Fenster. Zuerst traute ich meinen Augen nicht, aber dann riss ich das Fenster so schnell auf, wie ich konnte. "Ardy? Was machst du hier?" "Die bessere Frage ist, was DU machst!" zischte er in die Nacht. "Taddl hatte das Handy auf Laut. Ich hab alles gehört. Das warst nicht du! Das..." Er stockte und starrte mich ungläubig an. "Dein... dein Finger..." "Gebrochen... denke ich." gab ich zurück. Meine Stimme hörte sich schrecklich an. Ardy musste hören, dass ich die ganze Nacht geweint hatte. "Wer..." Er verstummte abrupt und sah fragend zu dem dunklen Fenster neben meinem. Ich nickte traurig. "Du wolltest also nie Schluss machen? Ich hatte Recht?" "Ja" nervös sah ich herüber zu dem Fenster des Schlafzimmers meiner Eltern, doch es blieb dunkel. "Ich wusste, dass irgendwas nicht stimmt. Es waren nicht deine Eigenen Worte, hab ich Recht?" Wieder ein Nicken. "Niemals wäre ich imstande gewesen so etwas zu Taddl zu sagen. Ich liebe ihn! Er ist der gutaussehenste, witzigste und verständnisvollste Junge, den ich je getroffen habe..." Wieder stiegen mir Tränen in die Augen und ich musste mich auf der Fensterbank abstützen, um nicht wieder auf die Knie zu sinken. "Mona, war das dein Ernst?" Nur ein Satz von dieser Stimme erweckte mein Herz langsam wieder zum Leben. Durch einen Tränenschleier hindurch sah ich Taddl ins Licht der Straßenlaterne treten. "Ja, natürlich! Ich liebe dich, Taddl. So wie ich noch nie jemanden zuvor geliebt habe!" Als hätte Ardy unsere Blicke gelesen stellte er sich direkt unter mein Fenster und machte sich bereit für eine Räuberleiter. Keine 10 Sekunden später lagen Taddls Lippen auf meinen und mein Herz schlug wieder den Takt, den es haben sollte. Nämlich im selben, wie das des Jungen, den ich liebte. Wieder brach ich in Tränen aus und Taddl schloss mich in seine Arme. "Wie habe ich dich nur verdient, wo ich dir so etwas Schreckliches angetan habe..." "Sch..." Er zog mich näher an sich. "Ich hätte niemals gedacht, dass mein Vater zu so etwas fähig ist! Ich..." Weiter konnte ich nicht reden. Mein Herz fühlte sich zerrissen an. Eine Seite gehörte meiner Familie und damit auch meinem Vater, trotz allem was er getan hatte, doch der andere Teil gehörte Taddl. "Auf gar keinen Fall werde ich zulassen, dass dir so etwas wieder passiert! Komm mit mir nach Köln!" Erschrocken sah ich auf. Weglaufen? Jetzt? "Wir werden es schon irgendwie schaffen!" redete er weiter "Alles wird gut, solange wir nur uns haben!" Er sah mich an mit seinen wunderbaren Augen, deren Blick wie Balsam für meine Seele war. Meine unverletzte Hand krallte sich in den Stoff seines T-Shirts und durch den Tränenschleier über meinen Augen hetzte mein Blick zwischen Taddl und der abgeschlossenen Tür hin und her. "Taddl... ich... ich..." Meine Stimme brach ab. Für einen Augenblick war es still. Das Einzige, was zu hören war, war das entfernte dröhnen der Autos auf der nächtlichen Straße. Ich sah mich in 10 oder 15 Jahren. Meine braunen Haare waren streng hochgesteckt und ich trug einen Anzug. Da war ein großes Haus, viel Geld, ein Leben in der Oberschicht, vielleicht ein Kind und ein Mann, der nicht Taddl war... den ich nicht liebte... Mein Blick wanderte zu seinen blau-grauen Augen, die wartend aber nicht drängen auf mir ruhten. "Hilf mir packen!" Wir jagten durch mein Zimmer und stopften alles nötige in Rucksäcke und Taschen, die noch irgendwo in meinem Zimmer herumlagen. Ich würde meine Familie komplett hinter mir lassen müssen, zu viel Angst hatte ich vor dem was mein Vater tun würde. Doch wie konnte ich die Menschen, die mich großgezogen und geliebt hatten einfach so zurücklassen? Während Taddl das letzte Kleidungsstück in einen Rucksack packte zog ich ein kleines Medallion aus der untersten Schublade meines Nachttisches. Es hatte eine einfache Herzform und hing an einem langen, schwarzen Stoffband. Darin war ein Hochzeitsfoto meiner Eltern. Mit einer schnellen Handbewegung zog ich mir die Kette über den Kopf und ließ den Anhänger unter dem Stoff meines Oberteils verschwinden. "Wir können gehen." Ich nahm Taddls Hand und nur seine Berührung ließ mein Herz wieder normal schlagen. Insgesamt waren es 3 Rucksäcke und eine kleine Reisetasche, die Ardy auffing und in das kleine Auto verfrachtete, mit dem sie gekommen waren. Dann kamen wir. Taddl sprang zuerst. Der Weg von dem Fenster meines Zimmers, bis zum Boden waren gute 2 Meter. Zuerst landete er auf zwei Beinen, doch er stolperte und taumelte gegen einen der jungen Apfelbäume, die frisch gepflanzt waren. Mit einem lauten knacken brach einer der Äste und das Geräusch hallte erstaunlich laut durch die stille Nacht. Wir alle erstarrten, warteten ab. Im ersten Moment blieb es still, dann leuchtete das Licht in dem Fenster neben mir auf. Der Schmerz in meinem gebrochenen Finger schien erneut aufzuflammen, aber ich sprang trotzdem sofort. Auch ich stolperte über meine eigenen Füße, doch Taddl war da und fing mich auf. "Mona?" Mehr als den Klang der Stimme meines Vaters brauchte ich nicht, um die Beine in die Hand zu nehmen. Beinahe glaubte ich seine Schritte wieder vor meiner Tür zu hören, als ich über den Gartenzaun kletterte, dicht gefolgt von Ardy und Taddl. "Mona, komm sofort zurück!" Seine Stimme war lauter geworden. Ardy startete den Motor, Taddl warf dich neben mich auf den Rücksitz, zog die Tür zu und Ardy gab Gas. Meine Hände zitterten und mein ganzer Körper war verkrampft vor Angst. Beruhigend legte Taddl seine Arme um mich und tröstete mich einfach nur mit seiner Nähe. "Ardy, fahr gleich ins nächste Krankenhaus. Ihr Finger sieht echt übel aus..." "Nein!" fiel ich ihm ins Wort. Noch raste die Angst zu sehr durch meinen Körper, um meine Stimme ruhig zu halten. "Hier kennt jeder jeden und alle meinen Vater. Wir hätten keine 20 Minuten, bevor er wüsste wo ich bin..." "Okay, Mona... Beruhig dich. Es ist alles in Ordnung. Er wird dich nicht finden. Ich verspreche es... Mona." Taddl beugte sich zu mir, küsste mich und erst jetzt begann mein Herz sich zu beruhigen. Mein altes Leben hatte ich hinter mir gelassen und mein Finger und mein Finger schmerzte so unglaublich, doch Taddl war da. "Ich liebe dich." flüsterte er. "Ich liebe dich auch. Mehr, als alles andere." Mehr brauchte ich nicht. 

Ein Sturz entferntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt