Schlag um Schlag

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Schlag um Schlag

Ich stand mit dem Rücken zur Wand, selbst wenn ich mich vor Schreck und Angst noch hätte bewegen können... Mein Vater hatte mich so fest am Handgelenk gepackt, dass es schmerzte "Habe ich dir nicht beigebracht, dass man sich verabschiedet, bevor man geht?" fauchte er mich an "Oder, dass man auf seine Eltern hört? Ich wollte immer nur das Beste für dich, Mona und wenn du das nicht freiwillig einsiehst werde ich dich wohl zu deinem Glück zwingen müssen..." Mein Herz raste, wie das eines Marathonläufers nach einem Sprint, in meiner Brust machte sich Panik breit und vernebelte meine Gedanken. "Ich gebe dir eine letzte Chance. Willst du freiwillig mit mir kommen, oder soll ich erst das aus dem Weg schaffen, was dich hier hält?" Die Aussage einer Freundin von mir fiel mir ein. Sie war Journalistin, schrieb viel über Prominente und aus dieser Welt war mein Vater nicht wegzudenken. "Der Typ ist der einer der Besten Anwälte der Welt! Verdammt, wenn er einem Mord begehen würde und sich dann selbst vertritt würde er nicht nur gewinnen, sondern könnte der Familie des Opfers noch die Taschen leer räumen! Das perfekte Verbrechen braucht keine gute Planung. Nur einen guten Anwalt..." Nein! Tränen stiegen mir in die Augen. Ich konnte Wut und Hass in seinen Augen funkeln sehen, trotzdem war dort immer noch die berechnende Kälte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Taddl sich regte, wie auf seinem Gesicht sich Schock in Wut verwandelte. Er kam auf uns zu und stieß meinen Vater von mir weg. "Taddl, nicht...!" Doch mein Schrei kam zu spät. Vielleicht hatte mein Vater nur darauf gewartet, dass er die Beherrschung verlor und genau das passierte. Taddl schätzte meinen Vater falsch ein. Er konnte nicht vermuten welche Kraft in diesen Schlägen lag. Ich schon. Taddl schlug mit voller Wucht gegen die weiß gestrichene Wand und ein dumpfer Knall hallte durch den Gang. Er hatte nicht mal Zeit seine Sinne wieder zusammenzusuchen, bevor der nächste Hieb kam. Ich konnte das Blut in dem Mundwinkel meines Freundes sehen, als ich schrie. "Hör auf!" Es zerriss mein Herz vor Schmerz, als ich Taddl am Boden sah. Das konnte ich nicht zulassen. Endlich konnte ich mich wieder bewegen und so schnell ich konnte rannte ich auf Taddl zu, doch nur zwei Schritte von ihm entfernt fing mein Vater mich ab. Wo willst du denn hin?" Seine Stimme war kalt, wie Eis und glatt, wie Glas. "Die Tür ist in der anderen Richtung." Das war der Moment, in dem meine Angst sich in Wut verwandelte. "Fass mich nicht an!" Ich riss mich von ihm los und stellte mich zwischen ihn und Taddl, hielt dem Blick seiner kalten Augen stand. "Ich werde auf gar keinen Fall mit dir zurückgehen!" Meine Stimme war fest, entschlossen und von Hass getränkt. "Wer sagt das?" Die Aussprache meines Vaters war perfekt, deutlich, jedes Wort scharf wie ein Messer und sein Blick wanderte warnend über meine Schulter, wo Taddl sich keuchend aufrappelte. "ICH sage das! Und weißt du, was ich noch sage? Das du jetzt sofort diese Wohnung verlässt und Taddl und mich in Ruhe lässt!" Ein verächtliches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Warum sollte ich?" Noch bevor er diesen Satz beendet hatte, hatte ich mein Handy in der Hand und wählte eine Nummer. Der Lautsprecher war an und das Tuten hallte laut durch die Stille. "Weißt du, in Köln lernt man viele Leute kennen. Besonders, wenn man Kunst studiert trifft man viele vom selben Schlag, wie etwa... Journalisten." Wütend versuchte er mir das Handy aus der Hand zu reißen, doch ich sprang zur Seite und eine junge Frau meldete sich. Eine Spur Unsicherheit trat in meine Augen. "Hallo Jenny!" Begrüßte ich sie fröhlich, als wäre das ein ganz normaler Tag, an dem ich nur mit einer Freundin telefonieren wollte. "Und? Wie läuft es mit den Bewerbungen?" Jenny seufzte schwer. "Nicht so toll... Einfacher wäre es mit einer guten Story... Du weißt, wie das läuft." "Was für ein Zufall!" In keiner Sekunde ließ ich meinen Vater aus den Augen. "Ich hätte da was für dich. Was VERDAMMT großes! Du kennst doch Laurent Brown, oder?" "Der weltbekannte Anwalt, der jeden Prozess gewinnt, gefühlte Million scheffelt und, egal wie sehr man im Dreck wühlt, man findet nichts Negatives über ihn? DER Laurent Brown?" "Genau den meine ich." Das Lächeln auf dem Gesicht meines Vaters war schon längst verschwunden. "Das wagst du nicht..." zischte er, doch ich ignorierte ihn. "Ich habe eine Story für dich, die so dreckig und verabscheuungswürdig ist, dass sich die Straßen darum reißen werden." Kalt sah ich meinem Vater ins Gesicht und jetzt war ich die mit dem überlegenem Lächeln. "Wenn das über ihn rauskommt wird seine Karriere vorbei sein." Ich machte einen Schritt auf ihn zu und mit Entsetzen in den Augen wich er vor mir zurück. "Diese Geschichte wird ihn ruinieren. Sie wird seinen Namen so durch den Dreck ziehen, dass er nie wieder einen Auftrag bekommt. Nie wieder." Immer weiter stolperte er vor mir zurück. Die Panik in seinen Augen war das köstlichste, was ich je gesehen hatte. Hastig schüttelte er den Kopf und trat über die Schwelle der Wohnung zurück ins Treppenhaus. Ich hatte gewonnen. "Warte kurz, Jenny. Ich ruf dich zurück." Mit diesen Worten legte ich auf. "Das ist eines der dreckigsten und unfairsten Druckmittel, die es gibt. Du wärst eine gute Anwältin geworden." "Warum sollte ich auf dich Rücksicht nehmen?" Ich zog das Medaillon aus meinem Ausschnitt. An seinem Gesicht sah ich, dass er es erkannte. Mit einer schnellen, ruckartigen Bewegung riss ich es mir vom Hals und hielt schließlich das zerrissene Stoffband in der Hand. "Du bist für mich nicht länger mein Vater." Ich ließ es auf den kalten Boden fallen, wo das Medaillon mit einem, leise im Treppenhaus wiederhallenden "Kling" auftraf. "Für mich existierst du nicht länger und solltest du jemals wieder auf die Idee kommen dich auf irgendeine Weise wieder in mein Leben einmischen..." Mit dem Absatz trat ich auf das am Boden liegende Schmuckstück. Es zerbrach unter meinem.Gewicht in tausend Scherben. "... werde ich alles, was du mir angetan hast bis ins kleinste Detail an meine Freundin weiter geben. Jede einzelne Narbe, die du zu verantworten hast wird dein ach-so-wichtige Karriere zerstören." Verächtlich kickte ich die silbernen Scherben in seine Richtung. In diesem Moment kam Simon die Treppe herunter und blieb unsicher stehen, als er mich und meinen Vater sah. "Es ist schon ok, Simon. Herr Brown wollte gerade gehen. Das Essen ist so wie so fertig." Ohne einen weiteren Blick auf meinen Vater drehte ich mich um, ging zurück in die Wohnung und fiel Taddl in den Arm. "Es tut mir so leid..." Simon schloss die Tür hinter sich. "Was ist passiert?" fragte er, doch niemand beachtete ihn. "Es ist schon in Ordnung. Mir geht es gut." Sanft schob Taddl meine Hand von seiner aufgeplatzten Lippe weg. "Aber deine Familie..." "Auf so eine Familie kann ich verzichten. Ich habe dich, Ardy, Simon, Felix, Caty, Izzi... Ihr seid für mich zu meiner Familie geworden." Ich nahm seine Hand, gerade, als Ardy durch die Tür kam. "Mona! Da im Treppenhaus..." "...mein Vater. Ich weiß. Wir werden euch alles beim Essen erklären."

Ein Sturz entferntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt