Nicht nur Träume können zerbrechen

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Nicht nur Träume können zerbrechen

*Sichtwechsel zu Mona*

Es war Abend, als ich wieder Nachhause kam. Normalerweise war zu dieser Zeit nur meine Mutter zuhause, doch als ich die Wohnungstür öffnete saß nur mein Vater am Tisch ind laß Zeitung. Er sah nicht einmal auf, als ich herein kam. "Hallo!" begrüßte ich ihn fröhlich, doch er schien mich zu ignorieren. "Willst du meinen Schnitt gar nicht wissen?" Ich setzte mich neben ihn und zog mein Abschlusszeugnis hervor. "Du brauchst dir die Mühe nicht zu machen. Ich kenne deinen Schnitt schon." Verwirrt hielt ich mitten in der Bewegung inne. "1,4" sagte mein Vater tonlos. "Das du dich nicht schämst..." "W-was meinst du damit? 1,4 ist doch wirklich gut..." "Es ist bei weitem zu schlecht, um Jura zu studieren!" fuhr er mich an. Erschrocken zuckte ich vor dem scharfen Ton in seiner Stimme zurück, doch dann fasste ich mich wieder. "Ich werde KEIN Jura studieren! Ich werde Kunst studieren..." "In Köln?" fiehl er mir ins Wort. "Es würde mich wundern, wenn es nicht so wäre." Wütend und doch etwas verunsichert packte ich meine Tasche und sprang auf. "Was zum Teufel ist mit dir los? Du kannst wieder mit dir reden, wenn du wieder normal bist!" Ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer, doch erst ein paar Sekunden später fiehl mir auf, dass sie offen war. Hatte ich sie nicht abgeschlossen? Mein Herz rutschte in dieser Sekunde bedeutend tiefer ind mir wurde kalt. Die Matratze lag schief auf meinem Bett. Schnell rückte ich sie zurecht und prüfte dabei vorsichtig nach, ob noch etwas darunter lag. Der Umschlag mit den Bildern war weg. "Suchst du das hier?" Mein Vater stand im Türrahmen und hielt den kleinen Stapel Bilder in der Hand. "Was du an ihm findest ist mir wirklich schleierhaft, aber ich will es auch gar nicht wissen." Mein Herz stellte seinen Dienst ein. Das war das schlimmste, was hätte passieren können. "Papa, gib mir gib Fotos zurück!" Ich griff nach den Bildern in seiner Hand, doch plötzlich packte mein Vater mich im Nacken mit einem so festen Griff, wie ich es ihm nie zugetraut hätte. Sofort erstarrte ich. "Das werde ich nicht. Du weißt, wie sehr ich es hasse, wenn man mich anlügt!" Er stieß mich aus meinem Zimmer zurück an den Tisch. Mein eigener Vater machte mir mehr Angst, wie ich noch nie zuvor gehabt hatte. "Ich kann nicht glauben was für einen Fehltritt du dir erlaubt hast! Haben wir dich nicht richtig erzogen? Haben wir dir nicht beigebracht, was das wichtigste im Leben ist?" Er machte einen bedrohlichen Schritt auf mich zu. Ich wollte zurückweichen, doch hinter mir war kein Platz mehr und ich stieß mit dem Rücken gegen die Tischkante. "Du kennst ihn doch gar nicht..." widersprach ich schwach mit zitternder Stimme. " Er ist YouTuber. Mehr muss ich nicht wissen! Du wirst ihn nicht wieder sehen!" "Nein... das kann ich nicht! Ich liebe ihn!" Mit zitternden Händen versuchte ich mich an ihm vorbei zu drängen, doch mein Vater packte meine Hand und riss mich zurück. "Das ist mir egal!" Grob packte er mich wieder im Nacken und drückte mich auf den Stuhl vor sich. Ohne mich loszulassen legte er mein Handy neben mich auf den Tisch. "Du wirst ihn jetzt anrufen und sagen, dass du ihn nicht mehr sehen willst!" "Nein! Nein, das kann ich nicht!" Das nächste was passierte ging so schnell, dass ich nicht reagieren konnte, geschweige denn wehren. Mit einer schnellen Bewegung beugte mein Vater sich zu mir herunter und brach mir den kleinen Finger. Vor Schmerz schrie ich auf und fuhr zusammen. Tränen stiegen mir in die Augen. "Du kannst!" zischte er und schob mir mein Handy genau vor die Nase. "Du wirst genau sagen, was ich dir aufschreibe. Wir wollen ja nicht, dass irgendwas falsch verstanden wird..." "Kann ich es ihm nicht wenigstens selbst sagen... Mit meinen eigenen Worten..." Ich schluchzte "Nein." knurrte er "Und gib dir mühe!" Mit zitternden Fingern nahm ich mein Handy in die unverletzte Hand und wählte Taddls Nummer. "Hallo, Mona! Du hast irgendwie ein Talent dafür mitten in der Aufnahme anzurufen!" Der Klang seiner Stimme zerriss mein Herz und wieder stiegen mir Tränen in die Augen, doch meiner Stimme merkte man das kaum an. "Ja... sieht so aus. Taddl, ich muss mit dir reden..." "Worum geht’s denn?" Mein Vater schob mir einen kleinen Zettel hin. Er hatte immer schon eine sehr saubere Handschrift gehabt. Als Kind hatte ich versucht sie zu kopieren um genau so ordentlich zu schreiben, aber jetzt kam mir jeder Buchstabe vor, wie eines der Monster, von dem kleine Kinder denken sie würden sich unter ihrem Bett verstecken. "Ich will dich nicht mehr sehen. Nie wieder." Ein Schluchzer stieg in meiner Kehle auf, aber ich spürte die Hand meines Vaters in meinem Nacken. " Ich will dich nicht mehr sehen. Du hängst mir zum Hals raus. Es war ganz interessant mit dir, aber jetzt habe ich mein Abi und muss mich auf meine Zukunft konzentrieren. Um genau zu sein hatte ich sowieso nur ne Wette mit einer Freundin am laufen! Du bist das mit abstand erbärmlichste, was ich je gesehen haben! Schreib mir bitte nie wieder... Du bist mir langweilig geworden." "Mona... wieso..." setzte er an, doch ich schnitt ihm das Wort ab. "Tu es einfach! Du hast ja sonst so viel auf mich gehört!" Der letzte Satz war ausgesprochen und mein Herz war in 1000 Scherben zerbrochen. Mit einer schnellen Handbewegung zog mein Vater mir das Handy aus der Hand und legte auf. "Gut gemacht. Glaub mir, das war das einzig richtige." Ich konnte nicht antworten. Was war schlimmer? Die Schmerzen in meiner Hand, oder die in meinem Herzen? "Vergiss ihn einfach." Mein Vater nahm den Stapel Fotos und ging zu dem kleinen Kamin. Mit Tränen in den Augen sah ich, wie er ein Feuerzeug hervorzog, die Bilder anzündete und auf die Asche bereits verbrannter Holzscheite warf. "Geh in dein Zimmer und schlaf etwas." Etwas vorsichtiger zog er mich hoch und schob mich zurück in mein Zimmer. "Morgen ist dein erster Arbeitstag in der Kanzlei. Du musst schließlich deinen Schnitt verbessern." Die Tür hinter mir schloss sich und ich hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. So stand ich in dem dunklen Zimmer und hatte immer nur die brennenden Fotos vor Augen, wie Taddls Lächeln sich in Asche verwandelte. Dann brach ich endlich zusammen. Ich hatte nicht einmal mehr die Kraft mich zu meinem Bett zu schleppen. Ich lag einfach nur auf dem kalten Boden und weinte. Mein Herz war nicht mehr existent. Es war verbrannt, wie die Fotos im Kamin und die glühende Asche fraß sich durch meine Brust. Ich wollte nur Taddl Nähe spüren, wollte in seinen Armen liegen, ihn küssen, doch das würde jetzt nie wieder passieren. 

*Sichtwechsel zu Ardy*

Ardy war im Teamspeak gewesen, als Mona anrief. Genau so wie Simon und Manu. In letzter Zeit hatte Taddl sich angewöhnt, dass wenn Mona während der Aufnahme anrief sie laut zu stellen, damit sie mit allen über das Ts reden konnte. Sie hatten alles gehört. Simon war der Erste, der sich traute wieder etwas zu sagen. "Taddl...? Bist du noch da?" Keine Antwort, nur Stille. Ardy riss sich die Kopfhörer vom Kopf und rannte in Taddls Zimmer. Das Handy lag noch vor dem Bildschirm, doch sein bester Freund saß nicht mehr auf dem Stuhl davor. Taddl saß so weit von dem Handy weg, wie sein Zimmer es zuließ. Er kauerte mit dem Rücken an eine Wand gelehnt auf dem Boden. Aus der Entfernung konnte er sein Gesicht nicht sehen, doch seine Hände zitterten wie Espenlaub. So schlimm hatte Ardy ihn noch nie gesehen. "Hey, Brudi..." Er kniete sich neben ihn und in diesem Moment schluchzte Taddl. Schnell nahm Ardy seinen besten Freund in den Arm. Mehr konnte er nicht tun, während Taddl weinte. Nur eine Minute später hörte er, wie die Wohnungstür geöffnet wurde und dann standen Simon und Felix neben ihnen. Auf ihren Gesichtern erkannte er das selbe Entsetzten und die selbe Trauer, wie auf seinem eigenem. 

Ein Sturz entferntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt