Kapitel 23

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Henry sah mich an, die Augen voller Reue und Unsicherheit. Er begann zu sprechen, seine Stimme zitterte leicht:

„Ehm... Luke... Hör mal, es... es tut mir wirklich leid. Dass ich so reagiert habe, das... das war echt kacke von mir. Ich war... ich war ein schlechter Freund. Und... also eigentlich hätte ich nicht so reagieren dürfen. Wenn du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest, dann... Ehm, kann ich das total verstehen. Ich möchte nur, dass du weißt, dass es mir furchtbar leid tut."

Er stotterte, seine Worte kamen holprig, aber ehrlich. Es war deutlich zu sehen, wie nah ihm die Situation ging. Henrys Hände zitterten leicht, und seine Augen glänzten verdächtig.

Ich konnte nicht anders. Bevor er noch etwas hinzufügen konnte, schmiss ich mich in seine Arme.

„Henry... Du bist immer noch mein bester Freund", sagte ich leise, meine Stimme brach beinahe. „Ich bin dir nicht mehr böse. Ich kann es ja auch irgendwie verstehen."

Tränen liefen mir über die Wangen, und Henry schien ebenfalls zu kämpfen, um nicht völlig in Tränen auszubrechen. Als er schließlich tief durchatmete, zog er mich noch fester an sich, seine Umarmung war fest und warm.

„Danke", flüsterte er nur, kaum hörbar.

In diesem Moment wusste ich, dass alles wieder gut war. Henry war immer ein wichtiger Teil meines Lebens gewesen, und dieser Streit – so schwer er auch gewesen war – hatte unsere Freundschaft nicht zerstören können.

Nachdem wir uns beide wieder gefangen hatten, machten wir uns gemeinsam auf den Weg zurück zu den anderen.

Jack warf Henry einen skeptischen, fast feindseligen Blick zu, als wir an den Tisch kamen. Ich spürte, wie die Spannung zwischen den beiden beinahe greifbar wurde. Doch mit einem leichten Lächeln gab ich Jack zu verstehen, dass alles in Ordnung war.

„Es ist wieder gut", sagte ich leise und legte kurz meine Hand auf seinen Arm.

Jack nickte, auch wenn ich wusste, dass er Henry nicht so schnell verzeihen würde wie ich. Aber das war in Ordnung. Jack war beschützend und wollte nur, dass es mir gut ging.

Der restliche Schultag zog sich, wie immer. Nach der Mittagspause hatten wir noch eine Stunde Deutsch und anschließend einen Doppelblock Sport. Während des Unterrichts bemerkte ich immer wieder Henrys Blicke zu mir, als wolle er sicherstellen, dass wirklich alles in Ordnung war. Und irgendwie tat es gut, das zu spüren.

Endlich war der Tag vorbei, und ich konnte nach Hause.

Zu Hause machte ich mir erst einmal etwas zu essen, einfache Pasta mit Tomatensauce, die ich schnell mit meiner Mutter zusammen verputzte. Nach dem Essen ging ich in mein Zimmer, um die Hausaufgaben zu erledigen. Der Abend verlief ruhig – das übliche Gespräch am Esstisch über Schule und Pläne für die Woche war wenig spannend.

Ich sitze an meinem Schreibtisch, die Schreibtischlampe ist die einzige Lichtquelle in meinem Zimmer. Der warme Schein fällt auf meine Bücher und Hefte, während draußen die Dämmerung einsetzt. Schatten huschen über die Wände, aber ich schenke ihnen kaum Beachtung. Mein Blick klebt auf den Aufgaben vor mir – oder zumindest versuche ich, mich darauf zu konzentrieren.

„Okay, Mathe", murmele ich leise und schlage das Buch auf. Die Seiten rascheln, und die Formeln starren mich regelrecht an. Es fühlt sich an, als würde ich versuchen, einen Dschungel aus Zahlen zu durchqueren, ohne eine Ahnung zu haben, wo es langgeht.

Ich suche die Aufgabe, die wir im Unterricht behandelt haben. „Finde die Nullstellen", lese ich vor. „Klar, warum nicht." Ein bisschen Sarkasmus hilft manchmal, oder?

Ich greife nach meinem Stift und beginne, Zahlen und Formeln auf das Papier zu kritzeln, aber meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Henry, Jack, die Sache mit dem Baby – es ist, als hätte mein Kopf beschlossen, eine Dauerschleife zu laufen, genau jetzt, wo ich mich konzentrieren müsste.

Nach ein paar Minuten lege ich den Stift weg und fahre mir frustriert durch die Haare. „Das bringt so nichts."

Ich schnappe mir mein Handy und öffne die Notizen-App. Vielleicht hilft es, eine Liste zu machen. Ein bisschen Struktur schadet ja nicht.

Mathe – Nullstellen berechnenChemie – Zusammenfassung des letzten Experiments schreibenDeutsch – Textanalyse vorbereiten

„Und Punkt vier: Überleben", füge ich leise hinzu und muss bei meinem eigenen schwarzen Humor grinsen.

Ich schiebe das Handy wieder beiseite. Mathe läuft heute nicht, also mache ich mit Chemie weiter. Wenigstens das ist halbwegs interessant. Ich ziehe mein Heft hervor und schreibe die Ergebnisse vom letzten Experiment auf. Immer wieder schaue ich ins Lehrbuch, um sicherzugehen, dass ich nichts vergesse.

Die Zeit vergeht, und langsam füllen sich die Seiten. Irgendwie fühlt es sich gut an, wenigstens irgendwo Fortschritte zu machen, auch wenn Mathe erstmal auf der Strecke bleibt.

Plötzlich klopft es an der Tür, und Mom steckt den Kopf herein. „Alles okay, Luke? Du sitzt hier schon eine ganze Weile."

Ich drehe mich zu ihr um und nicke. „Ja, alles gut."

„Möchtest du einen Tee? Vielleicht macht der den Kopf ein bisschen klarer."

„Ja, das wäre super, danke, Mom."

Als sie die Tür leise schließt, lehne ich mich zurück und strecke mich ausgiebig. Vielleicht ist es gar nicht so schlimm. Schritt für Schritt. Ich schließe mein Heft und dimme die Lampe ein wenig. Morgen sieht die Welt vielleicht schon wieder anders aus.

Nach den Hausaufgaben nahm ich eine lange, heiße Dusche, ließ den Tag Revue passieren und spürte eine ungewohnte Leichtigkeit. Henry und ich hatten uns wieder versöhnt, und das war alles, was zählte.

Mit frischem Pyjama und müden Augen kroch ich schließlich ins Bett. Mein Handy lag neben mir auf dem Nachttisch, und ich überlegte kurz, ob ich Jack noch eine Gute-Nacht-Nachricht schicken sollte. Doch bevor ich mich entscheiden konnte, schlief ich ein, die Gedanken an den Tag noch immer präsent – und mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.

Mein Leben als Omega (bxb,Mpreg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt