Fels in der Brandung

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Als ich meine Augen öffne ist es hell und verwirrt blinzelnd sehe ich mich um. Es dauert eine weile, bis ich mich orientiert habe und mich aus meiner liegenden Position in eine sitzende begebe. Eine Decke rutscht dabei von mir hinunter und ich betrachte sie müde und verwirrt. "Seit wann ist die Decke da...?" murmle ich und gähne herzhaft. Als ich mich umsehe, bemerke ich die Aussicht. Fische und Dinger, die mir mehr als unbekannt sind, schwimmen herum. Schwärme oder einzelfische. Große und kleine. Lang wie Seeschlangen oder zusammengedrückt, als wären sie gegen eine Mauer geschwommen. Das Meer ist wunderschön hellblau und klar, sodass man bis zu 50 Meter weit sehen kann. Strahlen der Sonne bahnen sich kerzengerade ihren weg durch das Wasser, bis sie im tiefen blau der Tiefsee verloren gehen. Vereinzelt steigen Luftblasen von unten auf und ich verfolge sie verträumt, bis sie an die Oberfläche steigen und dort zerplatzen. Kein Ton dringt von dort draussen zu mir in die Kuppel. Es ist ruhig und ich lehne mich wie gestern abend an die Scheibe. Sehe einfach nur nach oben und beobachte die Wellenbewegung und die Tiere.

"Es ist schön hier. Nicht wahr?" fragt plötzlich eine Stimme und ich zucke überrascht zusammen! Mein Blick sucht die quelle des gesprochenen und findet Ace. Er steht vor der Türe und hält ein Tablett mit etwas zu essen und einer Tasse mit irgend etwas dampfendem in der Hand und sieht mich lächelnd an. "Ich dachte mir, dass du vielleicht lieber hier frühstücken willst. Nicht bei den anderen, nachdem du gestern einfach so abgedampft bist. Von DEINER feier!" wie kann der Kerl es schaffen, mir innerhalb von drei sekunden den Morgen zu versauen?! Der gestrige Abend läuft wie ein schlechter Stummfilm vor meinem geistigen Auge ab und sofort bekomme ich ein schlechtes gewissen. Und ein weiteres Gefühl schleicht sich wieder ein. Der zweifel von gestern krallt seine unerbittlichen Fänge in mich und lässt mich nicht mehr los. Als mir die Gedanken von gestern in den sinn kommen, kann ich Ace nicht mehr ansehen und starre stattdessen auf meine Füße. Aus dem Augenwinkel sehe ich jedoch, wie der schwarzhaarige die Stirn runzelt, das Tablett abstellt und zu mir kommt. "Alles in Ordnung? Hab ich was falsches gesagt?" besorgt setzt er sich neben mich und schüttle den Kopf. "Was ist los?" Stumm sitze ich da. Den Kopf von ihm abgewandt und mit den zweifeln kämpfend! Als sich plötzlich sein linker Arm um mich legt, reisst er mich aus dem strudel heraus. "Was ist jetzt los kleine! Wenn du nichts sagst, kann ich dir nicht helfen!" Trotz seiner sanften Stimme und der gestik mit dem Arm um mich legen, kann ich ihn nicht ansehen. "Sera..." sanftheit wechselt zu traurigkeit. Leiser und gefühlvoller. "Ich bin für dich da!" meint er nun ich ich schlucke schwer. Tränen der verzweiflung sammeln sich in meinen Augen und lassen meine sicht verschwimmen. In mir tobt ein Kampf, der nicht einmal mit dem aktuellen Krieg vergleichbar ist! Zweifel gegen Familie. Auf einmal legt Ace seine rechte Hand an mein Kinn und drückt es sanft in seine richtung. Wiederwillig folge ich. "Kleine. Schau mich an und sag mir, was zur beschissenen Hölle dir den Tag so vermiest hat, nachdem du so friedlich und zufrieden schlafend da lagst!" Und ich tue was er sagt. Sehe ihm in die Augen. "Zweifel." sage ich nur und Ace lässt mein Kinn los. Fragend runzelt er die Stirn. "Zweifel an was?" hakt er nach und ich zögere noch einen Augenblick. "Zweifel an allem!" gebe ich schlussendlich zu und sehe wieder auf die seite. "Seit Vater mir von dem Krieg erzählt hat, habe ich zweifel an allem! Habt ihr mich nur deshalb bei uns aufgenommen? Weil ihr Leute zum Kämpfen braucht? Ist dass der Grund, wieso sich plötzlich alles in's positive verändert hat?" Der schwarzhaarige sieht mich ausdruckslos an. Sein Blick wird kalt und ich senke den Kopf. Der warme Arm, der mir etwas trost und sicherheit gespendet hat, ist nun auch weg. "So viel hältst du also von uns. Dass deine neue Familie dich so hintergehn würde. Deine Brüder und dein Vater. Vertrauen ist dir fremd was?" die monotone stimme von seiten Ace's ist irgendwie furchteinflößend und bricht mir das Herz! Er steht auf und geht zu dem Tablett. Hebt dieses wortlos auf und will gerade die Tür aufmachen, als es aus mir herausbricht. "Hast du eine Ahnung wie es ist, dass erlebt zu haben was ich durchstehen musste?" meine stimme ist zunächst leise und ich sehe nicht auf. Bemerke aber, dass er in der bewegung inne gehalten hat. "Hast du eine Ahnung wie es ist, alles von einen auf den nächsten Tag zu verlieren? Von elendigen Piraten die nichts besseres zu tun hatten, als in einer Nacht fast alle meiner Familie auszulöschen? Meine Mutter vor unseren Augen zu vergewaltigen? Ich habe bei jedem ihrer Tode zusehen müssen! Habe gesehen wie ihre Zeit abgelaufen ist und sich langsam das Leben aus ihnen verabschiedet hat!" meine Stimme ist lauter geworden und wut steigt auf. Mit einer fließenden bewegung stehe ich nun und sehe den immer noch ausdruckslosen Ace an. "Als ich in die Marine aufgenommen wurde, habe ich alles und jedem vertraut! Habe gedacht, kameradschaflichkeit ist geschlechterunspezifisch! Aber nein! Männer unter sich lassen keine Frau dabei sein! Jedes mal wenn ich versucht habe jemandem zu vertrauen, ist dieses vertrauen abgeschmettert worden! Man hat darauf herumgetreten! Ich fing auch an, alles zu hinterfragen! Wieso machen wir dies, wieso machen wir jenes? Eben weil ich kein vertrauen zu niemandem hatte! Niemand würde mir etwas richtig erklären oder sagen! Darauf bin ich ziemlich schnell gekommen! Und als ich aus der Marine ausgetreten bin, hat sich die eigenschaft noch verstärkt! War ja schließlich niemand da im Wald! Zwei beschissene Jahre lang! Einmal habe ich den mut gefunden, jemandem zu vertrauen! Aber rate mal, mit wem dieser jemand zusammengearbeitet hat!" Ace's Gesicht verdüstert sich sofort. "Die Menschenhändler." Ich nicke und starre ihn weiter wütend an. "Also tut mir leid, wenn ich im moment noch ein paar klitzekleine Vertrauensproblemchen habe! Aber die letzten, denen ich vertraut habe, wollten mich verkaufen und Fenrir als schutzschild benutzen!" fauche ich nun und stehe nun da. Habe meinen gefühlen freien lauf gegeben. Mein atem hat sich verschnellert durch das ganze reden und die Wut ist immer noch da! Ich balle meine Hände zu Fäuste und sehe auf die seite. Starre auf einen komplett irrelevanten Punkt ausserhalb der Glaskuppel. Mein rasendes Herz beruhigt sich langsam, genau wie meine atmung. Plötzlich höre ich das geklirre von Geschirr und sehe misstrauisch nach! Der schwarzhaarige hat das Tablett auf die Sitzbank gelegt und steht nun vor mir. Er blickt von oben herab und ich erwiedere den Blick von unten. Seine Arme liegen auf einmal auf meinem Rücken und er drückt mich an sich. "Ich habe vielleicht wirklich keine Ahnung was du emotional und körperlich alles durchmachen musstest..." murmelt er in meine Haare und stützt dann sein Kinn auf meinem Kopf ab. "Aber ich bin mir zu mehr als 100% sicher, dass du uns vertrauen kannst. Dass du MIR vertrauen kannst! Wir haben dich nicht wegen dem Krieg an Bord geholt. Wie Vater schon sagte, er lodert schon eine weile! Wir haben dich an Bord geholt, weil du zu uns passt! Weil du kein schwaches weib bist, dass Hilfe benötigt! Du bist jemand, mit dem man über alles reden kann, wenn du einmal aufgetaut bist!" Er drückt mich fester an sich und vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren. "Mit dem ICH über alles reden kann..." flüstert er und Tränen laufen mir nun die Wangen hinunter. Tränen der erleichterung, dass meine Zweifel nichts waren als heiße Luft und zu viel Fantasie. Schniefend lege ich meine Arme um seinen Hals und lehne mich an ihn. An meinen Fels in der Brandung.

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