Ace

Tabletten

Darius nickt, dreht sich und kramt in einer schublade herum. "Und? Wie geht's dir jetzt?" fragt er und ich überlege kurz. "Im moment geht's überraschend gut! Gestern hatte ich Übelkeit und Magenkrämpfe. Heute ist es in ordnung und nur ein flaues Gefühl is noch da!" versuche ich es irgendwie herunter zu spielen und schon zieht er ein paar Kapseln heraus. "Ah! Hier sind sie ja!" ruft er und dreht sich zu mir um. In seiner ausgesteckten Hand befinden sich mehrere Tabletten und die Farben gehen von Weiß bis gelb, über grün bis hin zu blau. "Also!" meint er und hält eine weiße runde Tablette hoch. "Die ist für die Übelkeit! Damit sollten weitere Symptome in der hinsicht abgedeckt werden!" erklärt er und macht dann weiter mit den anderen. Gelb steht für ein Vitaminpräparat, dass ich anscheinend unbedingt brauche. Eine halb gelbe und halb grüne Kapsel ist für Schwindel und gleichzeitig ein mittel gegen die Krämpfe. Grün ist ein aufbaupräparat und die blaue ist eines für den Magen, damit er mit den restlichen Pillen nicht so überfordert ist. Er gibt sie mir einzelnd in die Hand und übergibt mir dann ein glas mit Leitungswasser. "Hier! Du schluckst jetzt die Tabletten und dann sollte es wieder gehen! Wenn irgend etwas ist, sei es übelkeit oder sonst irgend eine kleinigkeit! Dann komm zu mir! Es kann sein, dass du das Mittel nicht verträgst oder schlimmeres!" Etwas misstrauisch nicke ich und schlucke die Pillen alle auf einmal. Dann stehe ich auf und übergebe ihm das leere glas. "Danke. Und danke, dass du mich gleich für alle umstände versorgst!" sage ich grinsend und Darius sieht mich ernst an. "Natürlich! Wenn ich es nicht bei jeder kleinigkeit ernst nehmen würde, wären wahrscheinlich die Hälfte der Crew schon unter der Erde! Jeder meint, dass es nicht so schlimm ist. Und am ende ist es doch irgendwas schlimmes!" grinsend schüttle ich den Kopf und gehe dann aus der Türe.

Ich sehe mich nicht um, sondern schließe die große Holztüre mit dem Bullauge einfach wieder. Als ich mich zum gehen wende, bleibe ich erstarrt stehen! Denn ein nicht gerade gut gelaunter Ace steht mit verschränkten Armen wartend vor der Türe und sieht mich wütend an. Dann blickt er kurz nach links und rechts und packt mich unsanft an meinem rechten Oberarm! "Ace! Was soll das?" frage ich mehr überrascht als genervt und stolpere hinter dem schnell gehenden Piraten her. Keine Antwort. Nur das gestampfe seiner Stiefel ist hörbar und ein gemurmelter fluch ist hin und wieder zu vernehmen. Was ist denn jetzt los?! Was hab ich wieder angestellt?! Aber anstatt diese fragen laut auszusprechen, halte ich lieber meine klappe. Lasse mich hinterher ziehen und verhalte mich ruhig. Er bringt mich in die gleiche Kajüte, aus der mir Marco geholfen hat und schubst mich etwas unsanft hinein! Während ich irgendwie mit den Armen rudernd versuche, mein Gleichgewicht wieder zufinden, höre ich ein Klacken der Tür und ich drehe mich nun stehend um! Verdutzt stelle ich fest, dass er die Tür abgeschlossen hat! "Ace! Was ist los?" knurre ich nun misstrauisch und er geht immer noch wütend auf mich zu! Instinktiv gehe ich einen Schritt zurück und mache mich auf alles bereit! Gehe leicht in die Knie und warte auf seine nächste Aktion! Doch er bleibt einfach nur vor mir stehen! Einen moment sehen wir uns nur an, bis er seine Hand an mein Kinn legt und es festhält! Ich muss mich zusammenreissen, nicht einfach zurück zu gehen und ihm in die Eier zu treten! Nun auch leicht sauer, starre ich ihn an.

"Wie kannst du dich nur als Tabletteneimer zur verfügung stellen?!" knurrt er leise und seine Hand drückt an meinem Kinn immer fester. "Wer hatte denn die Idee mit dem essen auf der Insel?" frage ich im gleichen aggressiven Ton und richte mich nun auf. "Wer hat denn plötzlich zweifel an der situation gehabt und ist abgehaun?" kontert er und ich erstarre kurz. Dann zische ich: "Du weisst GENAU weshalb! Ist das jetzt meine schuld dass ich blauäugig durch die Weltgeschichte gelaufen und dann auf die schnauze gefallen bin? Ist es meine Schuld, dass ich einfach jedes mal betrogen und belogen wurde?" mit einer kräftigen drehung befreie ich mich aus seiner Hand und stürme an ihm vorbei zur Tür. "Das wird dir nichts nützen Sera! Die ist zugesperrt!" ruft er wütend und ich schnaube nur entrüstet. "Das hat mich noch nie aufgehalten!" entgegne ich und trete die Tür einfach ein! Mit einem "RUMS" fliegt die Tür aus der verankerung und landet ca. einen Meter hinter ihrem eigentlichen Bestimmungsort! Ich ignoriere das getrampele der herrannahender Leute und stampfe selbst stinksauer weg. "DU KANNST NICHT VOR DEINEN PROBLEMEN WEGLAUFEN!" brüllt mir Ace hinterher und ich drehe mich stinksauer um. "HABE ICH NICHT VOR!" brülle ich zurück und stiefele weiter. Ignoriere die stimmen und die Personen um mich herum.

Als ich endlich vor der Tür meines Zimmers angekommen bin, mache ich diese mit unterdrückter Wut auf, gehe rein und schließe diese überaus sanft. Wortlos stampfe ich auf mein Bett zu, setze mich mit meinen Stiefeln darauf und atme tief durch. Ganz ruhig Sera. Beruhige dich! Er ist es nicht wert, dass du dich deshalb so aufregst! Es war seine Idee und du hast die Folgen austragen müssen! Dass ich nun wahrscheinlich einen verdammten Ruhepuls von 120 habe, ist mir nicht wirklich aufgefallen! Doch lange kann ich nicht sitzen bleiben und unruhig stehe ich auf. Laufe im Kreis in meiner kleinen Kajüte und versuche, mich dadurch vielleicht ein bischen zu beruhigen! Aber nichts. Im gegenteil! Ich bin noch unruhiger und beschließe deshalb, auf das Deck zu gehen! Meinen Bogen lasse ich in meinem Zimmer, nehme aber meine Dolche mit. Ihre schwarzen Lederhefte schmiegen sich an meine Hände und ich spiele ein wenig, in dem ich sie kreisen lasse und immer wieder hoch schmeiße. Dann schnalle ich sie wieder um meine Hüften und gehe aus meinem Zimmer. Die aufgebrachte Crew scheint sich wieder beruhigt zu haben und folgt wieder ihrem normalen ablauf. Ich gehe auf das Deck und sehe mich um. Von der Feier gestern ist nichts mehr zu sehen. Alles weggeräumt. Kein Fleck mehr da! Wow! Das ging ziemlich schnell! Die Crew grüße ich mit einem nicken und begebe mich dann zu den Webleinen am Hauptmasten. An diesen klettere ich hinauf und verhake mich diesmal nicht wie letztes mal darin, sondern begebe mich auf die Rahe, also den Querbalken, an dem das Segel befestigt ist. Auf diesem balanciere ich bis zum verbindungsstück zwischen Rahe und Hauptmast. Dort setze ich mich hin und starre auf das Meer hinaus. Im Zimmer konnte ich vielleicht nicht lange sitzen, aber hier draussen schon. Der Wind, der einem durch die Haare weht. Die Möwen, die kreischend neben dem Boot her fliegen und auf Futter hoffen. Das rauschen des Meeres und das brechen der Wellen, wenn die Moby Dick sie durchfährt. Meine Wut kehrt sich langsam aber sicher in nachdenklichkeit um. Wieso bin ich noch einmal so ausgerastet? Wegen einer kleinigkeit! Und wegen dieser kleinigkeit ist er jetzt sauer auf mich! Dann richte ich mich auf und runzle die Stirn. Aber musste er mich gleich so anpacken? Gleich anschreien und brüllen! Die gleiche wut von vorhin packt mich wieder. Fließt in meinen Adern und breitet sich in meinem gesamten Körper aus! Plötzlich höre ich von unten eine bekannte stimme in einer bekannten stimmlage! "SERA! KOMM RUNTER!"