Kapitel 7 - Aarons Wohnung

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Ally

Ich sehe Aaron hinterher, als er den Flur seiner Wohnung entlang geht und in einem Zimmer rechts am Ende des Ganges abbiegt - vermutlich sein Schlafzimmer. Seine Schultern hängen tief und mein Herz bricht erneut für ihn. Ich will ihm am liebsten hinterher gehen und für ihn da sein, aber das würde wohl meine Grenzen überschreiten. Ich bin nicht seine Freundin und er braucht die Zeit alleine mit seiner Schwester.

Ich drehe mich einmal um meine eigene Achse. Aarons Wohnung... hat Klasse. Definitiv. Männlich, stylisch, modern. Alles hat seinen Platz und ist ordentlich. Nirgends liegen Klamotten oder Teller rum. Ist das bei Männern nicht für gewöhnlich so? Aber andererseits ist Aaron auch nicht wie andere Männer, die ich kenne. Er sieht gut aus und kleidet sich immer in, was ich vermute, Markenklamotten. Ich kenne mich da nicht so aus, aber Frauen scharen sich um ihn. Trotzdem ist er nicht abgehoben und ich habe ihn noch nie mehr als flirten sehen. Wenn ich mit Carly zusammen in unsere Lieblingsbar Cherry ging, in der für gewöhnlich auch Aaron und Kayden waren, waren beide Männer immer umringt von Frauen. Aaron allerdings tat nie mehr als ein Getränk zu spendieren oder sein Megawattlächeln zu zeigen. Kayden hingegen war das krasse Gegenteil - sehr zu Carlys Bedauern. Der Kerl hat sich vermutlich schon durch die halbe Stadt geschlafen. Zum Glück sind die Beiden nun zusammen und auf eine Art und Weise in einander verliebt, dass es schon beinahe eklig ist. Ich hatte das ja schon länger vermutet, aber beide haben es immer abgestritten.

Vom Wohnzimmer gehe ich in die angrenzende Küche und sehe mich auch dort rum. Ein einzelner Teller steht in der Spüle und irgendwie beruhigt es mich zu sehen, dass nicht alles perfekt ist. Ich lächele und streiche mit dem Finger über die dunkle hölzerne Arbeitsplatte.

„Was gibt es zu Lächeln?" Ich wirbele herum und Aaron kommt mit einem Lächeln, das kaum seine Augen erreicht, auf mich zugelaufen. Seine Augen sind leicht gerötet und ich weiß, dass das Telefonat mit seiner Schwester sicherlich schwer war. Ich weiß nicht warum, aber ich gehe auf ihn zu, lege meine Arme um seine Mitte und meinen Kopf auf seine Brust. Sein Herz schlägt, nein rast beinahe und ich muss erneut Lächeln. An diesem Tag ist nichts geschehen, was mich zum Lächeln bringen sollte, aber einfach nur hier bei Aaron zu sein, scheint schon genug zu sein.

„Ich dachte gerade, wie sauber, ordentlich und perfekt deine Wohnung ist und dann habe ich einen dreckigen Teller in der Spüle gefunden und gemerkt, dass doch tatsächlich ein Mensch hier wohnt." Aarons Brust rumpelt vor stillem Lachen und ich sehe lächelnd zu ihm auf. Unsere Blicke treffen sich und ich bin erleichtert, ein richtiges Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen.

„Ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich eine Dame in meinem Leben habe, die einmal die Woche vorbei kommt und hier putzt. Ihr Name ist Elena, sie ist 52 und ein Goldschatz. Ich bin kein unordentlicher Mensch, aber ich hasse Putzen und Staub wischen. Ich vergesse immer sämtliche Ecken."

„Du bist also doch ein Mann", sage ich und kichere.

„Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, ja." Ich lache und mir fällt das Gespräch mit seiner Schwester wieder ein.

„Wie hat es deine Schwester aufgenommen?" Sofort fällt alle Leichtigkeit aus Aarons Gesicht und seine Stirn fällt in Falten.

„Sie hat viel geweint und will die Tage zur Beerdigung vorbei kommen, aber ich glaube, sie kriegt es ganz gut verkraftet. Ihr Verlobter war bei ihr und ich weiß, dass er sich gut um sie kümmert. Emily ist stark, so viel stärker als ich."

„Ich finde, du hältst dich sehr gut." Aaron lächelt wieder und ich lächele zurück. Langsam löse ich mich von ihm, was mir gar nicht so gut gefällt.

„Ist deine Schwester älter oder jünger als du?", frage ich, um ihn etwas abzulenken.

„Sie ist vier Jahre älter als ich. Vor ein paar Monaten ist sie der Liebe wegen nach London gezogen und hat sich da mit Matthew verlobt. Er ist gut zu ihr, sie ist glücklich und mehr brauche und will ich nicht wissen." Ich lache darüber, wie er das Gesicht verzieht, bei dem Gedanken, wie sehr seine Schwester und ihr Verlobter sich zu lieben scheinen. Ich hoffe, ich lerne sie irgendwann mal kennen.

„Möchtest du etwas trinken oder essen?" Ich schüttele den Kopf und sehe dabei zu, wie Aaron den Kühlschrank öffnet und sich eine kleine Flasche Wasser heraus holt.

„Okay. Falls doch, bedien dich bitte einfach!" Erneut nicke ich. Aaron trinkt einen Schluck und stellt die Flasche dann zurück in den Kühlschrank.

„Soll ich dir den Rest der Wohnung zeigen?"

„Gerne." Aaron nimmt meine Hand und gemeinsam gehen wir den Flur lang, wo ich ihn eben bereits habe lang laufen sehen. Warum er dabei meine Hand hält weiß ich nicht, aber es stört mich nicht. Im Gegenteil.

„Hier die erste Tür links ist das Bad", er öffnet die helle Tür und dahinter ist ein wahres Traumbad. Es ist nicht groß, aber hell und modern mit einer freistehenden Dusche. „Und hier gegenüber ist dein Zimmer." Wieder öffnet er eine Tür und lässt mich zuerst eintreten. Der Raum ist weiß und steril. Rechts an der Wand steht ein geräumiges Bett und gegenüber ist ein weißer Schrank mit einem großen Spiegel.

„Du kannst es dir einrichten wie du willst." Das ist gut, denke ich erleichtert und lächele Aaron an. Wir gehen wieder in den Flur und dann weiter in sein Zimmer, das direkt neben meinem liegt.

„Und das ist mein Zimmer." Ich schaue mich um und bin wieder erstaunt. Auch hier sind die Farben maskulin aber gemütlich. Alles ist sauber und ordentlich. Sein Bett liegt an derselben Wand wie meines und gegenüber steht auch hier ein großer dunkler Kleiderschrank, der fast doppelt so groß ist wie der in meinem Zimmer. Ich schaue den Schrank mit großen Augen an und sehe dann zu Aaron. Seine Schultern sacken leicht nach unten und er schaut mich beinahe schuldig an.

„Ich liebe neue Klamotten. Ich weiß, ich weiß. Sowas machen für gewöhnlich eher Frauen. Kayden nennt mich deswegen häufig Erin." Aaron zuckt mit den Schultern und Ich lache laut auf.

„Das muss ich mir merken", sage ich und Aaron stöhnt laut auf.

„Bitte nicht!" Aber er lächelt mich trotzdem an. Als wir so in seinem Zimmer stehen und ich mich etwas umsehe, merke ich zunehmend, wie ich müde werde. Dieser Tag war lang und anstrengend und ich will ihn am liebsten sofort vergessen. Ich halte mir die Hand vor den Mund und gähne, während Aaron mich aus seinem Zimmer schiebt und mich in mein neues Zimmer bringt.

„Zeit fürs Bett, junge Frau." Ich nicke und gehe auf das Bett zu, als mir etwas auffällt und ich beinahe panisch zu Aaron herum wirbele.

„Ich habe gar keine Kleidung hier. Auch keine Zahn- oder Haarbürste. Gar nichts." Aaron sieht sich um, als könnten die benötigten Gegenstände plötzlich irgendwo auftauchen.

„Du hast recht. Entschuldige, ich bin heute nicht ganz bei mir."

„Das ist doch nicht deine Schuld", sage ich und lege meine Hand auf seinen Oberarm. Ich versuche nicht zu stark zuzudrücken, aber Junge, der Mann hat Muskeln. Falsche Gedanken zur falschen Zeit, Ally!

„Ich gebe dir Shorts und ein Shirt von mir. Im Bad ist noch eine neue Zahnbürste unter dem Waschbecken. Morgen können wir dann ein paar Sachen in deiner alten Wohnung holen." Ich nicke nur, aber bei dem Gedanken, in die Wohnung zu gehen, wo Marla und ich zusammen gelebt haben und wo sie noch immer lebt, dreht sich mir der Magen um. Ich bin noch nicht bereit, sie wieder zu sehen oder von ihr zu hören, weswegen ich mein Handy für heute auch ausgeschaltet habe.

Aaron sieht mich kurz an und zieht mich dann in ein Umarmung.

„Wir kriegen das schon hin. Wenn du nicht bereit bist, fahre ich alleine oder mit Kayden hin und hole dir ein paar Sachen." Mein Herz schwillt an und in seiner Umarmung fühle ich mich sicher und geborgen. Viel früher als es mir lieb ist, löst sich Aaron von mir, geht in sein Zimmer und kehrt kurz darauf mit einem Shirt und Shorts zurück. Er legt sie auf mein Bett und stellt sich dann vor mich.

„Brauchst du sonst noch etwas?" Ich überlege, aber mir fällt nichts ein.

„Nein. Vielen Dank, Aaron."

„Ich muss dir danken, dafür, dass du heute so für mich da warst. Das hat mir sehr geholfen." Ich lächele und mir stockt kurz der Atem, als er mich auf die Schläfe küsst und seine Lippen etwas länger auf meiner Haut verweilen. Vielleicht habe ich es mir aber auch nur eingebildet.

„Gute Nacht, Ally."

„Gute Nacht, Aaron." Er dreht sich langsam um und verlässt das Zimmer. Ich ziehe mich um und klettere in mein Bett, was erstaunlich weich und gemütlich ist - viel gemütlicher als meins. Kurz darauf höre ich durch die Wand, wie Aaron in sein Bett steigt und ich hoffe, dass er etwas Ruhe heute Nacht findet.

AaronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt