Ally
„Aahhhhh". Das Schreien tut gut. Es hilft nicht nur gegen die Schmerzen in meiner Bauchgegend, sondern auch gegen die Schmerzen in meinem Herz.
Seit einer Stunde versuche ich herauszufinden, wie es Aaron geht, aber niemand sagt mir etwas. Wir sind nicht verheiratet, also bin ich nicht berechtigt, Informationen zu erhalten. Ich will am liebsten schreien - und genau das mache ich auch.
Emery läuft mit Kayden quer durch die Flure des Krankenhauses und die beiden versuchen irgendwas über Aaron in Erfahrung zu bringen. Carly ist zu Hause und kümmert sich um Mia, aber Kayden hat ausgerichtet, dass sie gerne bei mir wäre und besorgt ist. Ich wünschte sie wäre hier.
Neben meiner Sorge um Aaron, mache ich mir auch furchtbare Sorgen um unser Baby. Der Arzt hatte nicht viel Zeit mir zu erklären, was eine vorzeitig abgelöste Plazenta auslösen kann, denn das war, was die Blutungen und Schmerzen verursacht hat. Es wurden nur schnell alle möglichen Untersuchen wie Ultraschall gemacht und Blutdruck gemessen und man hat festgestellt, dass der Fötus nicht genügend mit Sauerstoff versorgt wird. Er hat entschieden, dass das Baby schnellstmöglich per Kaiserschnitt geholt werden muss. Aktuell bin ich an einen Monitor angeschlossen und ich höre ein schwaches Flattern aus der Maschine kommen. Der Raum, in dem man nicht nach den Untersuchungen gebracht hat, ist kalt und weiß mit grellen Lichtern. Alles unterhalb meines Halses ist mit einem großen, grünen Tuch abgehangen. Ich sehe meinen Bauch nicht, ich sehe meinen Körper nicht.
„Woher hat Emery die Info mit Aaron?", frage ich die Krankenschwester zu meiner rechten, ehe sich mein ganzes Gesicht verzieht vor Schmerz. Ich glaube, ihr Name ist Ava. Sie hat die ganze Situation von Anfang an mitbekommen und Emerys Drohungen eher scherzhaft aufgenommen, dass sie das Krankenhaus dem Erdboden gleich macht, sollte mir oder dem Baby bei dem Kaiserschnitt etwas passieren.
„Ich vermute, dass sie gesehen hat, wie er her gebracht wurde. Das Zimmer, in dem Sie eben noch waren, ist im Nebengebäude der Notaufnahme. Vom Flur aus kann man einen kleinen Teil der Zufahrt sehen", sagt die Krankenschwester und holt mich damit aus meinen Gedanken. Sie hat dunkles, stark gelocktes Haar, dunklere Haut und ein absolutes Megawatt-Lächeln. Ich bin froh, dass sie hier ist. Sie ist nett und lenkt mich etwas von meinen Sorgen ab.
Der Anästhesist schaut neben dem Tuch hervor und nickt Ava zu.
„Okay, Süße. Die Schmerzen sind gleich vorbei und dann dauert es nicht mehr lange, bis Sie Ihr Baby im Arm halten können." Ava drückt meine Hand, aber ich fühle keine Erleichterung.
Erneut spüre ich einen stechenden Schmerz und ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Ich kann das nicht ohne Aaron. Ava, ich kann das nicht." Sie drückt meine Hand und beugt sich zu mir herunter.
„Bis der Arzt hier ist und der Kaiserschnitt durchgeführt werden kann, mache ich mich mal auf die Suche nach Aaron." Sie zwinkert mir zu und zum ersten Mal spüre ich sowas wie Erleichterung. Ich nicke ihr dankbar zu und sehe ihr nach, als sie zur Tür heraus geht. Ich schaue auf die große Uhr an der Wand und sehe den Zeigern zu, wie sie sich beständig, aber doch viel zu langsam voran bewegen.
Nach zwanzig Minuten kommt der Arzt von vorher zu mir und verkündigt, dass wir nun das Baby holen können.
„Nein! Nein, das geht nicht. Ich weiß nicht, was mit Aaron ist. Ich muss wissen, was los ist." Der Arzt schaut mich mitfühlend an.
„Es tut mir sehr leid, Ms. Carter, aber wir müssen den Kaiserschnitt nun durchführen. Je schneller, desto besser." Ich schließe die Augen und atme tief ein. So war das nicht geplant. Überhaupt nicht. Aaron sollte hier sein, ich sollte in einem Entbindungsraum liegen und mit ihm gemeinsam die Wehen wegatmen, während er dumme Sprüche reißt und ich seine Existenz verfluche. Jetzt liege ich hier auf diesem kalten OP-Tisch, alleine, und hoffe, dass seine Existenz nicht ausgelöscht ist.
Der Arzt, den ich auf Mitte 50 schätze, greift gerade nach den Handschuhen, die ihm eine andere Schwester in einer Box reicht, als die Tür schlagartig aufgeht und Aaron in einem Kittel und Haube hereingestürzt kommt und an meine Seite eilt. Kurz hinter ihm erscheint eine lächelnde Ava.
„Es tut mir so Leid, Baby. So Leid. Aber jetzt bin ich da. Bitte wein nicht! Wir holen jetzt unseren Sohn." Ich weine nicht nur. Ich schluchze und schniefe lauthals. Nicht sehr ladylike. Aber es ist mir egal. Aaron ist hier. Gott sei Dank, er ist hier.
An seiner Stirn ist ein großes Pflaster angebracht, das leicht rot in der Mitte ist und ein paar Schrammen zieren sein schönes Gesicht, aber abgesehen davon, sieht er unverletzt aus.
„Aaron", hauche ich nur und er beugt sich zu mir und küsst mich. „Ich hatte solche Angst."
Er lächelt mich an und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Mir geht es gut. Der Fahrer eines Transporters hat die Kontrolle verloren und mich gerammt. Der Airbag hat Schlimmeres verhindert, aber ich war kurz ausgeknockt. Ich wurde wach in einem Krankenhauszimmer und es hat etwas gedauert, bis ich endlich mein Handy bekommen habe. Ich wusste nur noch, dass Emery mich angerufen hat und sagte, dass du blutest. Ich bin sofort zum Auto gerannt und losgefahren. Als ich Emery nach dem Aufwachen gerade anrufen wollte, kam Ava ins Zimmer und hat mich abgeholt. Und hier bin ich. Ich wäre noch früher da gewesen, aber die Ärztin wollte mich erst nicht gehen lassen. Ich kann allerdings sehr charmant sein."
Ich kichere und bin so unfassbar glücklich, dass es ihm gut geht. Zum Glück steht er an meiner Seite, in dessen Arm ich keine Infusion habe. Ich hebe meine Hand und streiche vorsichtig über seine Wange, die am wenigsten malträtiert aussieht. Dieser Mann. Dieser unglaubliche, sexy, einfühlsame Mann.
„Ich liebe dich." Ich war mir einer Sache noch nie so sicher.
Aarons Augen weiten sich und er küsst mich, wie er mich noch nie geküsst hat. Sanft und fordernd gleichzeitig.
„Es wird nie langweilig, das aus deinem Mund zu hören. Und ich liebe dich, Ally. Mehr als alles andere auf der Welt."
Ich lächele ihn an, aber verziehe kurz darauf das Gesicht, als ich ein seltsames Ziehen im Unterleib spüre.
„Alles okay?", fragte Aaron, aber ehe ich antworten kann, ertönt ein schrilles Schreien und meine Welt bleibt stehen.
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Aaron
RomanceAllison "Ally" Carters Leben war perfekt. Sie hatte eine tolle Freundin und Freunde, auf die sie sich immer verlassen konnte. Alles fällt auseinander, als ihre Beziehung zerbricht und ihr Herz zersplittert in tausend Teile, als sie frisch nach ihrer...