Vier

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„Bitte blamiert mich nicht.", ermahnte ich meine Familie, die bereits den Tisch deckte. Zayn und ich waren jetzt zwei Wochen zusammen und er bestand drauf, meine Familie kennen zu lernen. Ich war vor drei Tagen bereits bei ihm zu Hause und lernte seine Eltern und seinen Zwillingsbruder Zac und in gewissermaßen auch die dritte Version von Zayn kennen. Seine Eltern waren genau das, was man sich unter klassischen Anwälten vorstellt. Nobel, spießig, streng. Sie waren auch nett und schienen ihre Söhne wirklich lieb zu haben und auch mich begrüßten sie voller Freude. Allerdings war die dritte Frage, gleich nach „Du musst Solea sein, richtig?" und „Wie geht es dir?", was ich später einmal studieren möchte und die vierte Frage, die kurz darauf folgte, war, was meine Eltern beruflich machten. Ich antwortete, dass meine Vater Chirurg und meine Mutter Sozialpädagogin ist und das ich Profitänzerin werden wollen würden. Nach anfänglicher Skepsis gegenüber meinen Zukunftsplänen folgte wahre Begeisterung. Die Mutter, die ich fortan Melanie, statt Miss Walthers nennen durfte, tanzte früher selbst Ballett, offensichtlich fehlte ihr nur die Begabung, um es hauptberuflich machen zu können. Sie hörte auf, als sie achtzehn war und ihr Jurastudium begann. Mit meinem Hobby hatte ich also sofort den Segen der Mutter. Zac und ich verstanden uns auch auf Anhieb gut, ich denke nicht, dass er etwas gegen mich hat. Er und Zayn sahen sich wirklich zum Verwechseln ähnlich, weshalb ich aufpassen musste, sie nicht aus Versehen zu verwechseln. Nur seinen Vater musste ich bis zum Schluss Mister Walther nennen, ich glaube, er hält nicht besonders viel von mir. Tanzen sieht er nicht als Beruf und als er kurz vor dem Gehen meinte, dass die Beziehung von Zayn und mir nichts als „jugendliche Schwärmerei", die sowieso nicht lange hält, sei, verlor ich das letzte bisschen Sympathie, was ich ihm gegenüber empfand, vollkommen. Aber abgesehen von Zayns Vater würde ich das erste Treffen als einen gelungenen Abend bezeichnen. Die Mehrheit der Familie mochte mich zumindest halbwegs. Aber jetzt, wo Zayn meine Familie kennenlernte, war ich mindestens genau so aufgeregt. Denn ich kannte meine Familie.

„Ich mag ihn sowieso nicht. Egal wie sehr er sich bemüht.", grummelte mein Vater und verteilte die Teller. Grayson lachte.

„Dad!", ermahnet ich ihn und warf meinem Bruder nur einen bösen Blick zu.

„Was denn? Wie soll ich jemanden mögen, der mir meine kleine Tochter wegnehmen will?".

„Dad, ich bin siebzehn. Und außerdem hab ich nicht vor, ihn gleich morgen zu heiraten.".

„Wenn du wüsstest, wie schnell das geht. Heute stellst du ihn uns vor, morgen ziehst du aus und übermorgen bist du schwanger. Und dann heiratet ihr schnell, bevor das Kind zur Welt kommt. Und dann bin ich Opa, dabei bin ich noch viel zu jung.".

Ich sah meinen Vater halb genervt, halb amüsiert an: „Und ich dachte immer, wenn ich Kinder kriegen würde, wärst du schon von Grayson Opa.".

„Ach ja? Guck dir den doch mal an.", grinsend zeigte meine Mom auf meinen Bruder, der gerade versucht, die Servietten halbwegs vernünftig zu falten.

„Hast vermutlich recht. All eure Hoffnung, Enkelkinder zu bekommen, liegt in mir und Julie.", stimmte ich ihr zu, woraufhin mich Grayson böse ansah: „Sei liebe froh, dass du nicht mehr im achtzehnten Jahrhundert lebst, damals hätte ich, als großer Bruder, dich mit einem Mann meiner Wahl verheiraten können. Auch, wenn er dreimal so alt wie du wäre und nach Ziege stinken würde.".

„Aber als Vater hätte ich immer noch am meisten zusagen, also wenn ich Sol mit jemand anderen verheiraten wollen würde, hätte ich das Recht dazu.", kommentierte mein Vater.

„Stimmt. Aber wenn du tot wärst, dann wäre ich der Mann im Haus.".

Ich sah meinen Dad und meinen Bruder geschockt an: „Gehts noch? Vielleicht ruf ich Zayn lieber an und sag Bescheid, dass er nicht kommen soll.".

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