Fünfunddreißig

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Das restliche Essen verlief relativ ereignislos und im Grude sogar recht still. Zayn, sein Bruder und ich saßen stumm nebeneinander, während das Biest und der Anzug-Heini über ihre ach so tolle Zeit in Harvard sprachen und immer wieder erwähnten, wie stolz sie auf Zac seien. Die Hauptspeise war nicht wirklich mein Fall, es gab Wild mit Preiselbeersoße. Dafür war das Dessert, eine große Portion Tiramisu, umso leckerer.

Nach dem Essen hatte ich ja eigentlich die Hoffnung, dass sich die Gäste verabschieden würden, aber leider Gottes verteilten sie sich nur wieder im Wohnzimmer und unterhielten sich.

Zayn, Zac und ich standen neben dem Kamin und versuchten, uns so gut wie möglich aus allen Konversationen rauszuhalten. Das lief... na ja, nicht ganz so gut.

„Na ihr drei!", Melanie, Zayns Mutter, kam auf uns zu und lächelte uns lieb an. „Amüsiert ihr euch?".

Ich nickte zaghaft. Klar, total. Das hier ist der Spaß meines Lebens.

Melanie sah mich entschuldigen an: „Das vorhin mit meiner Schwägerin tut mir sehr leid. Ist ist manchmal etwas... Na, ja, sie hat... Ach weißt du was, es gibt nichts, womit ich ihre Art entschuldigen kann. So ist sie halt. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Aber sie gehört nun einmal zur Familie, hab ich Recht, Jungs?". Bei dem letzten Satz wandte sie sich an ihre Söhne, die zustimmend grummelten.

Ich lächelte Melanie beruhigend an: „Es ist schon okay. Sie hat es sicher nicht so gemeint.". Zayn gab ein erstickendes Geräusch von sich und verschränkte missmutig die Arme. Er war total sauer auf seine Tante.

Melanie seufzte, tätschelte ihrem Sohn die Schulter und lief an uns vorbei zu ihrem Mann, der wieder einmal mit dem Anzug-Heini sprach.

„Darf ich den Herren und der jungen Dame noch etwas Tee servieren?", fragte ein Kellner, der gerade mit einem Tablett voller Teetassen an uns vorbei lief.

„Gerne. Vielen dank.", sagte ich und nahm mir eine Tasse. Tee soll ja bekanntlich die Nerven beruhigen, also immer her damit.

Ich nahm einen Schluck von der trüben, dunklen Flüssigkeit und spuckte sie beinahe wieder aus. Nicht, weil sie heiß war, sondern weil es der vermutlich der ekligste Tee war, den ich in meinem Leben je getrunken habe.

„Schmeckt nicht besonders, stimmt's?", fraget Zac grinsend.

Angewidert sah ich ihn an: „Was ist das denn für eine komische Brühe?".

„Das ist Earl Grey.", antwortete das Biest, welches gerade eben an uns vorbei lief und ebenfalls einen Schluck von ihrem Earl Grey nahm.

„Schmeckt nur leider wie Abwaschwasser.", erwiderte ich und hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen. Ups! Die Antwort ist mir irgendwie so rausgerutscht. Zac lachte auf und auch Zayn konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Das Biest sah erst mich, dann ihre Neffen fassungslos an, dann drehte sie sich um und lief mit einem „Unerhört!" davon.

Zac lachte immer noch, mir war das jedoch ziemlich peinlich.

„Mach dir nichts draus, sie ist immer so.", ein junger Typ, der mir davor gar nicht aufgefallen ist, trat zu uns und hielt mir die Hand entgegen: „Hi, ich bin Julien. Der Cousin von Zayn und Zac.".

„Solea.", erwiderte ich und schüttelte seine Hand. „Ich hab mich bei ihr irgendwie nicht sehr beliebt gemacht.".

„Ach, das kannst du nicht persönlich nehmen. Sie ist zu jedem so. Sie ist nun mal...".

„...ein Biest.", beendete ich seinen Satz „Ich bemitleide jeden, der mit ihr zusammen wohnt.".

„Ach, man gewöhnt sich daran. Und das Haus ist groß genug, um ihr aus dem Weg zu gehen.".

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