☆Am Hofe der Mutter☆

660 36 1
                                    

Sie blieb dort noch eine Weile stehen, bis auch die letzte Witterung von ihm verflogen war, dann trottete sie nachdenklich ins Tal zurück. Mit gemischten Gefühlen ging sie zu ihrem Rudel zurück und gesellte sich zu ihnen ins dichte Gras. Etwas geschafft legte sie den Kopf auf ihre Pfoten und schloss die Augen. ,,Was ist los Ahkuna?", fragte Lakota , der merkte, dass etwas nicht stimmte. ,,Ich ...weiß nicht...ob ich ihm vertrauen kann...Er hat mir angeboten, auf sein Schloss zu kommen...Aber was soll ich da...bei den Menschen." ,,Das hättest du vorher wissen müssen...Schließlich hast du ihn in unser Tal gebracht und ihm alles gezeigt," machte er ihr noch mehr Vorwürfe und wandte sich von ihr ab. ,,Andererseits wäre es eine Möglichkeit, noch mehr über meine Mutter herauszufinden. Ich glaube, dass er noch mehr weiß...,"murmelte sie bedenklich  und empfand auf einmal diese Neugierde, die ihren ganzen Körper erregte und aufspringen ließ. ,,Was hast du vor?", murrte Lakota und streckte sich. ,,Ich weiß es nicht." Jedes Haar in ihrem Pelz stellte sich auf. Sie wollte endlich wissen, wer sie war . ,,Ich denke.... ich werde für eine geraume Zeit fortgehen," stammelte sie mit Gewissheit und verabschiedete sich von ihrem Rudel. ,,Wann wirst du wiederkommen?",fragte Namida und fuhr ihr mit der Zunge übers Gesicht. ,,Das weiß ich noch nicht. Aber ich werde kommen, so schnell ich kann, wenn Gefahr drohen sollte." Entschlossen verließ sie das Rudel, ging in die Höhle, um ihre Sachen zu holen und verließ das Tal.

Um sich nicht ständig vor den Menschen verstecken zu müssen, verwandelte sie sich zurück und zog sich an. Ihre Maske setzte sie nur auf, sobald jemand in der Nähe war.

So ging sie lange Zeit versteckte Wege, kroch durch Büsche bis sie die Grenze erreichte . Sie hatte beschlossen, direkt zum Schloss ihrer Mutter zu gehen, um mit ihr zu reden. Mit einer List trickste sie die Wachen aus und schlich sich an ihnen vorbei.

Bevor sie von ihnen noch bemerkt wurde, rannte sie schnell davon und versteckte sich im Gebüsch. Durch Zufall entdeckte sie alte wohlbekannte Pfade wieder und kürzte die langen Waldwege ab. Noch am Abend erreichte sie das Schloss und blieb fasziniert vor dem Schlosstor stehen. Alles war ruhig... die Lichter waren in den Fenstern schon erloschen. Anscheinend waren alle am Schlafen.

Ahkuna bewunderte die herrliche Baukunst und ging an der Mauer entlang. ,,Wer ist da?", rief plötzlich eine Stimme hinter ihr. ,,Ein armes Mädchen, das um eine Audienz bei der Königin bittet", antwortete sie und bemerkte einen Wachposten am Tor.

,,Mit der Königin?", lachte er und kam zu ihr raus. ,, Du willst mit der Königin sprechen? Sie hat seit sechzehn Jahren kein einziges Wort mehr gesprochen." ,,Genau deswegen bin ich hier. Ich könnte sie wieder zum Sprechen bringen," versuchte sie ihn zu überzeugen, aber der lachte sie nur aus und schickte sie weg. Traurig ließ sie sich in der Nähe des Tores nieder. Sie versteckte sich hinter einem Baum im Gebüsch, von wo aus sie eine gute Sicht auf das Tor hatte, und schlief ein.

Am nächsten Morgen herrschte viel Trubel am Tor. Händler fuhren ein und aus mit ihren Karren und verkauften ihre Waren auf der Schlossstraße. Während die Wachposten mit den Händlern beschäftigt waren, schlich sich Ahkuna an ihnen vorbei und lief zum Schlosshof.

Dort waren viele Knechte und Mägde am Arbeiten. Pferde wurden aus den Ställen auf die Weiden gebracht, weiter hinten wurde das Federvieh gerupft und in der Nähe backte ein Bäcker sein Brot. Ängstlich und fasziniert zugleich ging sie weiter und suchte nach der Königin, aber sie dachte sich schon, dass sich Adlige eher im Schloss aufhielten, als mit dem Gesindel zu verweilen. ,,Hee. Was willst du hier?", fragte eine Magd, die gerade Wasser holte und Ahkuna bemerkt hatte . ,,Ich suche nach Arbeit." ,, So so...Dann komm mal mit", sagte sie und brachte sie zu einer älteren Magd, die gerade vor einer Tür auf einem Schemel saß und Kartoffeln schälte. ,,Hee Gerda. Das Mädchen sucht nach Arbeit. Ich muss jetzt in die Küche, sonst bekomme ich wieder Ärger mit dem Koch." Und schon war sie im Haus verschwunden. ,,Du willst arbeiten? Hast du denn schon mal Gemüse geschält, Federvieh gerupft und geschlachtet?", fragte Gerda und blickte sie scharf an. ,,Na ja...Ich bin nicht gerade geschickt, um in der Küche zu helfen. Ich kenne mich gut mit Tieren aus. Wenn Ihr gestattet, arbeite ich im Stall." ,,Ach was. Das wirst du schon noch alles lernen. Du wirst dort arbeiten, wo du gebraucht wirst und jetzt folge mir. Ich zeige dir, wo du schlafen kannst," meinte Gerda und führte sie durchs Schloss. Fasziniert von den verzierten Wänden blieb sie öfters stehen und betrachtete sie genau. Reliefs aus feinster Handarbeit schmückten die Wände und Türen und verliehen den Gängen ihre Gestalt.
,,Hee... Wer ist das?", fragte Ahkuna, als sie wiedermal vor einem Gemälde stehen geblieben war. ,,Das ist König Ludwig..., der vor einiger Zeit im Krieg gefallen ist." Schockiert starrte Ahkuna ihn an und bemerkte die Frau auf dem Bild neben ihm. Das musste die Königin sein... Dort war sie noch glücklich gewesen, was man an ihrem Lächeln sehen konnte...Ihr langes braunes Haar war kunstvoll hochgesteckt worden und mit perlenen Spangen verziert worden.
,,Na los...Geh weiter," forderte Gerda und führte sie in eine Kammer im Keller neben der Küche. ,,Da kannst du schlafen. Leg deine Sachen ab und komm zu mir in die Küche." Ahkuna nickte und wartete, bis sie verschwunden war. Dann legte sie ihren Mantel und ihre Maske ab und versteckte sie unterm Strohbett. Bevor sie in die Küche ging, wusch sie ihr Gesicht und band ihre Haare zusammen. Neben einer alten Kommode stand ein Spiegel. Zum ersten Mal seit langer Zeit betrachtete sie ihr Spiegelbild und bemerkte eine gewisse Ähnlichkeit mit der Königin. Die selben Augen, der gleiche Blick.. Sie musste einfach ihre Mutter sein...

Ahkuna I: {Die Wolfsprinzessin}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt