☆Lakota erwacht☆

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Es dämmerte schon und die untergehende Sonne durchbrach das schwarze Wolkenmeer. Noch immer war alles vernebelt, bedeckt vom Ruß, das meiste verbrannt. Nur die Wiese um dem See und ein kleiner Wald am Ende des Tals hatten das Feuer heil überstanden.

Alles war still... totenstill. Es würde lange dauern, bis die Tiere in ihre Heimat zurückkehren könnten. Am Ufer des Sees lag Ahkuna, neben Lakota. Unbewusst schmiegte sie sich an ihn. Sie wollte ihn noch nicht loslassen. Er war ihr einziger und bester Freund gewesen. ... Wieder hatte sie einen Alptraum und schreckte hoch. Schockiert schnappte sie nach Luft und schaute sich um. ,,Es muss doch einen Weg geben, dich zurückzuholen...,"sagte sie zu ihm und sah die verkrusteten Wunden. ,,Hatte die Fee nicht was von Heilkräften erzählt?", fragte sich Ahkuna und beschloss, Lakota zum magischen See zu bringen. Da sie in ihrer menschlichen Gestalt nicht stark genug war, ihn mehrere Meilen zu tragen, verwandelte sie sich und zog ihn auf ihren Rücken. Sie ging langsam und vorsichtig, damit er nicht runterrutschte. In der Höhle nahm sie ihn unter ihren Arm und kroch seitlich weiter. Als sie das Ende des Tunnels erreichte, blickte sie auf ein Feld schwarzer, verkohlter Bäume und Pflanzen. Ahkuna fiel es schwer, die Tränen bei diesem Anblick zu unterdrücken. Alles war vorher Wald gewesen, wohin das Auge reichte... und nun offenbarte sich ihr schwarzes Land, das sich bis zum Horizont erstreckte und kein Ende zu nehmen schien. Sie hoffte, dass der See das Feuer überstanden hatte, und machte sich auf den Weg. Lakota nahm sie wieder auf den Rücken. Nur mühselig kam sie voran, die Pfoten schwarz vom Ruß, den Blick starr nach unten gerichtet, traute sie sich gar nicht aufzuschauen, und folgte ihrem Instinkt. Mit der Zeit wurde es immer dunkler, die ersten Sterne durchbrachen schon das Wolkenmeer und wiesen ihr den Weg.

Nach mehreren Stunden kam sie endlich zum See. Erschöpft ließ sie sich an seinem Ufer nieder und bändigte eine kleine Wasserwoge zu ihrem Mund. Sein Wasser war noch klar und frisch wie am ersten Tag . Ahkuna genoss diese Erfrischung und wollte auch Lakotas Wunden damit säubern. Vorsichtig legte sie ihn ab und verwandelte sich zurück. Mit letzter Kraft zog sie ihn ans Ufer und legte ein paar Heilkräuter auf seine verkrusteten Wunden. Sie nahm etwas Wasser und träufelte es über sie. ,,Fee. Fee bist du da?", fragte sie nebenbei und schaute über den See. Keine Antwort. ,,Muss ich etwa jedes Mal ins Wasser gehen um mit dir zu reden? Oder bist du auch geflohen?" Genervt ließ sie sich ins Wasser gleiten und schwamm in die Mitte des Sees. ,,Fee!", rief sie und schnappte nach Luft. Das Wasser war eiskalt. Sie wollte nicht allzu lange drin bleiben, um sich nicht zu erkälten...
Auf einmal wurde das Wasser wärmer. Nebelschwaden bildeten sich über dem Wasser und versperrten die Sicht aufs Ufer. Wie bei der ersten Begegnung irrte sie durchs Wasser und hörte jemanden ihren Namen rufen: ,,Ahkuna..." ,,Ahkuna!"

,,Fee bist du das?", fragte sie verwirrt und sah sich um. ,,Ahkuna. Schön, dich wiederzusehen. Ich dachte, du wärst auch geflohen?", fragte sie hinter ihr. Rasch drehte sie sich um. Sie war tatsächlich noch da . Erleichtert atmete Ahkuna auf und erzählte ihr was passiert war. ,,Du trägst keine Schuld. Im Gegenteil: Wärst du im Wald geblieben, hätten die Jäger dich auch mitgenommen." ,, Fee...Ohne mich wär der ganze Wald zerstört worden" ,,Ich weiß... Deine Kräfte beherrscht du schon sehr gut. Ich habe es gesehen... Und nun sag, was führt dich zu mir?" Ahkuna räusperte sich:,,Ich plane einen Krieg gegen jene, die meinen Wald auf dem Gewissen haben und mein Rudel getötet haben. Ohne Lakota schaffe ich das nicht. Nicht ohne meinen besten Freund an meiner Seite." Die Fee starrte sie nachdenklich an und nickte:,,So so... Einen Krieg. Bedenke, dass ein Krieg nicht das beste Mittel ist um einen Konflikt zu lösen. Mit einem Krieg würdest du viele Unschuldige töten. Dann wärst du genauso skrupellos wie die Menschen... ..Und was deinen Freund betrifft, kann ich dir vielleicht helfen. Lege ihn auf das Wasser und konzentrier dich auf deine Kräfte. Der Waldgeist hat dir auch besondere Heilkräfte vermacht. Nutze sie, um seine Wunden zu heilen. Hat seine Seele schon den Körper verlassen, ist es zu spät." ,,Aber sein Herz hat aufgehört zu schlagen", wimmerte Ahkuna und schaute in Lakotas Richtung. Nebelschwaden taten sich auf und bildeten einen kleinen Weg, sodass sie ihn leichter finden konnte, und schwamm zum Ufer des Sees. Entschlossen nahm sie Lakota und legte ihn auf die Wasseroberfläche. Ganz langsam zog sie ihn durchs Wasser zur Fee und hielt ihn fest. ,,Fee . Ich weiß nicht, wie ich ihn heilen soll. Ich habe bisher Wasserwogen gebändigt und gefroren, aber geheilt habe ich noch nicht." ,,Lasse deinen Geist fließen, wie Wasser in einem Fluss. Denke an das Leben. Jedes Wesen besteht zu seinem Größten aus Wasser, so auch das Blut. Lerne die Elemente in all seinen Formen zu bändigen und es wird dir gelingen, Unmögliches zu vollbringen,"sagte sie und wandte sich Lakota zu. Wie ein blasser Schimmer legte sich ihre Hand auf seine Brust und tastete sie ab. ,,Seine Seele ist noch nicht fort... Beeil dich! Viel Zeit bleibt dir nicht mehr......" Mit diesen Worten verschwand sie und mit ihr der Nebel.

Hilflos blieb Ahkuna allein zurück und hatte Mühe, Lakota an der Oberfläche zu halten. Sie versuchte es... mit all ihrer Kraft, sich zu konzentrieren, an das zu denken was sie erreichen wollte. ,,Lakota...,"stammelte sie und ließ ihn los. Sie wartete, bis sein Körper ganz versunken war, und berührte das Wasser. Sie ließ es förmlich durch ihre Seele fließen, befreite sich von ihren Gedanken und Sorgen, verspürte nur das Gefühl der Leichtigkeit. Ein Leuchten erfüllte den ganzen See , erhellte die Umgebung, und verblasste den Antlitz der Nacht. Ahkuna spürte eine gewaltige Kraft in sich und ließ nicht nach. Das Wasser schien um Lakota herum immer heller zu werden. Mit einem Mal hörte sie einen Herzschlag. ,,Lakota?",fragte sie und öffnete die Augen. Ihre Achtung ließ nach, das Leuchten verschwand. Lakota versank im Wasser, immer tiefer trieb er dahin und regte sich nicht... Schnell tauchte Ahkuna hinterher und holte ihn an die Oberfläche zurück. Erschöpft zog sie ihn ans Ufer und legte sich neben ihn. ,,Lakota... Bitte!", wimmerte sie leise und legte ihren Kopf auf seine Brust. Sein Herz schien mit jedem Mal lauter zu schlagen. Schwach vernahm sie seinen Atem auf der Haut. ,, Lakota... Bleib bei mir,"wisperte sie und fühlte nach seinen Wunden. Sie waren verschwunden! Und auch die Krusten waren nicht mehr da! Prächtiges Fell zierte die Stellen, als wäre nie etwas gewesen. ,, Lakota! Lakota, wach auf!", rief sie und wuschelte über seinen Kopf. Doch er regte sich nicht. Erst nach ein paar Minuten öffnete er schwerfällig die Augen und blinzelte. ,, Ahhkunaaa...", hauchte er mit belegter Stimme und röchelte, ,,Bin ich jetzt in Kaam?" ,,Nein. Du lebst!,"flüsterte Ahkuna und schmiegte sich an ihn. ,,Was ist... mit unserem Rudel?",raunte er und versuchte seinen Kopf zu heben, aber er war noch zu schwach. Ahkuna fiel es schwer, ihm die Wahrheit zu sagen. Aber auch durch ihr Schweigen entnahm er eine Antwort. Tränen standen ihm in den Augen. Sein tiefes Schluchzen hallte über den See und ließ selbst das Wasser still stehen. ,,Na....Namida,"wimmerte er und schaute sich um. ,,Wo ist sie?" ,,Sie...sie hat es nicht geschafft.... Ich weiß nicht, ob ich ihr noch helfen könnte. Sie ist am Ufer des Sees..im Tal....", brachte sie hervor und senkte ihren Blick. Seicht strich er mit seiner Pfote über ihre Hand und brachte ein leises Wiefen hervor. ,,Es tut mir leid...",stammelte Ahkuna und ergriff seine Pfote. ,,Das muss es dir nicht. Dort, wo sie jetzt ist, ist sie sicher.. vor den Kabalen der Menschen. Eines Tages werden wir uns wiedersehen...", erwiderte er und versuchte sich aufzurichten. Langsam kam er hoch. Seine Vorderläufe konnten ihn nur mit Mühe halten. Ahkuna stützte ihn dabei und ermutigte ihn, nicht aufzugeben. Nach mehreren Versuchen stand er und machte seine ersten Schritte. Es kostete ihn viel Kraft, aber er ließ es nicht zu, erneut zu fallen. ,,Komm. Lass uns ins Tal gehen,"meinte er und verlor plötzlich das Gleichgewicht. Abrupt sackte er zusammen . ,,Ich glaub, wir verbringen die Nacht besser hier,"schmunzelte Ahkuna und legte sich neben ihn ins weiche Gras des Ufers.

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Soundtrack zu diesem Kapitel:

Ahkuna I: {Die Wolfsprinzessin}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt