☆Der Sturm☆

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Sie lief über Wiesen und Felder, durch dunkle Wälder, durchquerte Flüsse und Täler und nahm längere Wege, um von Menschen nicht gesehn zu werden... Denn überall hin hatte die Königin Wachen nach ihr ausgesandt ... Aber noch war es nicht so weit...
Einen letzten Akt musste sie noch erfüllen, um den Frieden zwischen Mensch und Tier herzustellen... Versagte sie,war sie des Geistes nicht würdig und würde sich auf ewig verdammen...
Und so lief sie... So schnell, dass sie für andere nur ein Funke war..., ein helles Leuchten, ein helles Licht... Wandersleut und Pilger sahen es als Zeichen Gottes und ließen sie gewähren... Auch Händler machten halt und hielten ihre Wagen still... Nur ihre Pferde rissen sich los und folgten ihr....

Bald machten sich auch andere Tiere auf den Weg und folgten ihr ins Reich des Löwen... Mit Wölfen des Wolfreiches, denen des roten Berges..., Herden von Hirschen und Rehen, von Füchsen und Dachsen, von Rind und Vieh, ja selbst mit Hunden und Pferden von Bauern stürmte sie die Grenzen ... und brachte die Menschen von nah und fern in Verlegenheit...
Über ihnen flogen Scharen von Vögeln... Klein wie groß... Meisen wie Adler... Raben wie Bussarde... Und alle flogen sie mit ihr... und folgten dem Funken der Erde...
Sie führte sie ins schwarze Land, ins längst vergessene Tal ... und schuf in der Mitte einen Felsen...
Voller Demut stieg sie ihn hinauf und begann zu heulen....

Bis in ferne Länder schallte ihre Stimme und die Menschen wunderten sich... Ihre Tiere konnten sich nicht mehr halten und rissen sich los, die Pferde in den Ställen scheuten, die Kühe und Schafe verloren an Gehorsam... Denn sie alle verspürten diesen Drang... Den Drang nach Freiheit, nach Gerechtigkeit...
Alle wollten sie ihr helfen und kamen ins vergessene Tal...
Still versammelten sie sich um den Felsen und schauten nach vorn...
Mit einem Mal verstummte sie und blickte in die große Menge... Dankbar sank sie den Kopf und begann zu sprechen:
,,Volk des Waldes, Volk der steilen Berge und der Lüfte... Volk des Feldes der Menschen...
Ich danke euch, dass ihr erschienen seid...
Ich habe euch gerufen, um euch zu bitten, mit mir vor den König zu treten... Ich möchte keinen Krieg... lediglich eine Audienz... und dazu brauche ich eure Hilfe... Ich weiß, er hat uns einst alles genommen... Nicht nur unsere Heimat und unser Land..., sondern auch unsere Familien... und Freunde... Viele mussten unschuldig sterben... durch meine Schuld...
Aber wenn wir den selben Weg gehen..., den des Hasses und der Gewalt, den die Menschen wählen..., werden wir nie unser Ziel erreichen... Vielmehr zeigen wir ihnen, dass wir Untiere sind...., wertlose dumme Geschöpfe, die deren Arbeit verrichten sollen...
Erweisen wir ihnen aber ein klares Wort, so zeigen wir ihnen, dass wir genauso human handeln können... Sollte der König meine Worte nicht verstehen, so wird der erste Weg mein letzter sein..."
Sie wartete einen Augenblick und erhörte die Fragen anderer Tiere: ,,Was ist,wenn sie uns erschießen? Mit ihren Schwertern unsere Leiber schneiden?,"fragte ein Reh und trat aus der Menge... Ahkuna räusperte sich: ,,Das wird nicht geschehen... Sollte er sein Schwert ziehen, so wird mein Herz entgegenschellen und das Blut jener rächen..." Das Reh nickte und kehrte zu seiner Herde zurück...
Ahkuna war klar, dass sie ihnen nichts versprechen konnte... Sie wusste nicht, was geschehen würde...und erfasste einen Entschluss...

Der Mond ging auf und sie spürte eine neue Kraft, die mit jedem Schein stärker und stärker wurde... Mit eisernen Schritten stieg sie hinunter und bahnte sich einen Weg durch die Menge... Alle senkten die Köpfe und ließen sie passieren...
Am Ende des Weges war Lakota... Mit Bedacht hatte er ihr zugehört und trottete nun neben ihr her... Gar schweigend gingen sie lange Zeit neben her und führten die Truppe....
,,Du hast deinen Weg gefunden,"sprach Lakota nach einer Weile und schaute zu ihr her...
,,Ja... Aber das Schicksal wird entscheiden, ob es der Rechte ist...,"meinte sie und führte die Truppe zur Grenze des schwarzen Landes...
Ein kleiner Hügel erstreckte sich über das Land und mündete im Tal des Wolfenreiches...
Abrupt blieb Ahkuna stehen und schaute auf die große Stadt... Die Tiere stellten sich neben ihr auf, klein wie groß, und folgten ihrem Blick... Die Stadt hatte etwas Finsteres an sich... Der Wind brachte ihnen die Botschaft des Leidens... Schreie von Hungernden, Düfte von Blutenden und schmerzvolle Qualen schallten zu ihnen rüber... Aber sie gaben nicht auf...
,,Wir müssen da durch...,"rief Ahkuna und erblickte das große Schloss in der Ferne... ,,Vertraut ihr mir?,"rief sie zur Truppe und schweifte ihren Blick über jeden Einzelnen...
Erhobenen Hauptes standen sie an ihrer Seite und warteten auf den Befehl...
Hinter ihnen saßen die Vögel in den Bäumen und spreizten die Flügel...
Sie waren bereit... Entschlossen... Gefeit...
Eisernen Herzens sprintete Ahkuna los... Sie lief so schnell sie konnte, und achtete, dass die anderen mit ihr Schritt hielten... Über ihnen flogen die Vögel... im Sturzflug... und schrien den Menschen entgegen...
Sie stürmten die Stadt, liefen durch jede Gasse... und bahnten sich einen Weg zum Schloss... So kam es über die Menschen... Sie sahen es als Zeichen Gottes..., dass die Tiere sich gegen sie stellten..., angeführt von einem Wolf im grellen Licht...
Rasch zogen sich die Menschen zurück und verbargen sich in den Häusern... Gespannten Blickes betrachteten sie das Geschehen auf den Straßen...,sahen alle Tiere an ihren Fenstern vorbeiflitzen und wagten es nicht zu sprechen...

Der Zug schien kein Ende zu nehmen.... Von überall her kamen noch welche hinzu, um Ahkuna beizustehen...
Sie rannten über Wiesen und Felder, durch verborgene Wälder... und schlossen sich in der Stadt der Armee an...

Erhobenen Stolzes stürmten sie die Tore und überfielen die Wachen, die nicht glauben konnten, was sie sahen...
Mit einem Gedanken ließ Ahkuna die Türen aufschellen und suchte nach dem Thronsaal... Als sie eine Magd fragte, brach diese in Panik aus und zeigte mit zitterndem Finger zu einer großen Tür... Sofort preschte Ahkuna dagegen,aber sie blieb verschlossen... Da nahm sie all ihren Mut zusammen und erzeugte einen Sturm...... Mit aller Kraft drosch sie auf sie ein... Die Tür sprang auf... Wachen fielen zur Seite und stürzten zu Boden... Erschrocken liefen sie davon und ließen ihren König allein... Auch die Priester des hohen Rates und die Bediensteten ergriffen die Flucht und verschwanden in den Gemächern des Königs...
Nun waren sie allein... Sie und der König...
Entschlossen stand Ahkuna im Saal, umringt von Nebel... An ihrer Seite ihre Kameraden... Die Windböe schelte durch den Raum und ließ die Vorhänge flattern... Mutig lief sie weiter und blieb einige Schritte vor dem Throne stehen...
Der König hatte seinen Kopf auf den Arm gestützt und sich von ihr abgeneigt... Er konnte es nicht fassen..., dass die Bestie tatsächlich hier war, zusammen mit ihrem Volk... Sie hatte den Brand überlebt und wollte nun ihre Rache...
Aber als er zu ihr aufschaute, erblickte er in ihren Augen keinen Hass..., keine Wut... und keine Furcht, sondern Neugier... Und gewiss... sie fragte sich, was für ein Mensch er war..., der ihr Reich und ihr Rudel zerstört hatte...
Was hatte ihn dazu bewegt, den Befehl zu geben? Im Herzen wusste sie es... und konnte seine Gedanken lesen...

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Soundtrack

Thomas Bergersen- Empire of Angels

Ahkuna I: {Die Wolfsprinzessin}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt