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Es war einmal vor langer Zeit, als die Herzen der Menschen noch düster waren und die Legenden noch Wirklichkeit waren, da blühte einst im Herzen Europas ein großes Königreich, das in seiner Pracht glänzte und alle mit seinen Wäldern verzauberte. Der König dieses Reiches gehörte zu den Mächtigsten seiner Zeit und wollte es immer weiter vergrößern, sodass der ständige Krieg ihn nach jedem Sieg noch machtgieriger und besessener machte als zuvor und er das Leiden seines Volkes völlig vergaß. Die meisten Dörfer seines Landes wurden von Schergen niedergebrannt. Viele Dorfbewohner flohen in weit entfernte Reiche oder starben auf ihrem langen Weg in Richtung Glück. Doch Elend und eine große Hungersnot verfluchten das Land und aus dem prächtigen Reich wurde ein Land der Trauer, ohne Hoffnung auf eine Zukunft. Der König von Wolfsberg konnte es nicht aufhalten.

Ausgerechnet in diesem Jahr wurde seine Gemahlin, die Königin, schwanger und gebar ihm einen Sohn, welcher dem Volk neue Hoffnung schenkte. Aber dies war nur von kurzer Zeit, denn König Ludwig von Löwenberg, der Erzfeind des Königs, griff das Land mit seinen Truppen an. Mit gewaltigen Katapulten und Heeren rückte er an und beschoss das Reich mit brennenden Felsen. Ganze Städte und Dörfer gingen in Flammen auf und auch das Schloss konnte solchen Geschossen nicht standhalten. Viele Untertanen wurden zu Fliehenden, andere blieben in den schwarzen Ruinen, wo sie entflammt um ihr Leben schrien.

Erzürnt über das Leiden ihres Volkes, die vielen Toten und Unschuldigen, die dabei umkamen, musste die Königin schnell mit ihrem Sohn fliehen und entkam mit ihren Bediensteten nur mit Glück vor dem Feuer durch einen unterirdischen Tunnel, den der König einst errichten ließ, um vor Feinden geschützt in einverstecktes Waldschloss zu gelangen. Dieses Schloss lag am Fuße des Wolfbergs und war standhafter vor Feinden, als je ein anderes Haus im ganzen Reich, da es in des Berges Fels gehauen worden war und durch Jahrhunderte alter Bäume und Felsen im Wald versteckt geblieben war.

Während der König auf dem Feld gegen den Feind nun kämpfte, konnte die Königin keine Ruhe finden und schaute stundenlang aus dem Fenster. Sie hoffte auf einen Boten des Königs, ein Zeichen Gottes, ein Raunen des Volkes, aber erst, als sie keine Feuerbälle mehr am Himmel sah, wusste sie, dass es vorbei war und dass ihr Mann den Frieden erreicht hatte.

Nach einiger Zeit kam dieser schwer verletzt zum Schlosse und traf vor seinen Trümmern auf ihren Boten, der ihn durch einen Tunnel im Wald zum geheimen Schlosse führte, wo seine Frau auf ihn mit seinem Sohn wartete, und bereute, was er seinem Volk mit seiner Gier angetan hatte. So versprach er ihr noch auf dem Krankenbette in Zukunft auf das Reich acht zu geben und sein Volk zu schützen.

Zu jener Zeit gebar die Gemahlin von König Ludwig ebenfalls ein Kind. Die Freude im Volk war groß. ,Wir haben eine Prinzessin',riefen sie durch die Stadt, bis alle die neue Nachricht wussten, undschöpften in ihrer Geburt neue Hoffnung.

Auch König Ludwig hörte von seiner Tochter und kam schwerverletzt in seinem Schlosse an. „Viele Straßen, Häuser und Dörfer wurden in unserem Land zerstört. Viele meiner Männer sind gefallen und wofür das alles? Für nichts! Wir haben den Krieg verloren! Und dann gebärst du mir keinen Thronfolger! Was will mein Reich mit einer Prinzessin? Überall sind Tote, Sterbende und trotzdem feiert das Volk eine Prinzessin?", schrie er zornig seine Gemahlin an und wollte nicht mal seine Tochter sehen. „Aber Ludwig! Es ist Eure Tochter! Euer Eigen Fleisch und Blut! Seht Ihr denn nicht die Hoffnung, die unser Kind dem Volke gibt?", versuchte sie ihn zu beruhigen, aber vergebens. „Wir brauchen einen Kronprinzen, damit er mein Königreich weiterregieren kann und unseren Erzfeind weiter bekämpft! Wenn dieses Kind Königin wird,wird unser Reich untergehen! So hinweg mit diesem Kind ! Ich möchte es nicht mehr sehen geschweige denn als meine Tochter anerkennen!!!" Die Königin erstarrte und stand fassungslos da mit dem Kind im Arm. „Am besten ist, du setzt es im Walde aus, die Wölfe werden es schon fressen," sagte der König trocken und schaute aus dem Fenster. „Aber Ludwig! Ich hätte nie gedacht, dass Ihr ein Herz aus Stein habt! Wieso soll unser Kind denn sterben? Wir können es doch auch bei einer Bauernfamilie lassen, damit das Kind zu arbeiten lernt." König Ludwig drehte sich abrupt um und sah seiner Gemahlin tief in die Augen: „Weißt du denn nicht, wie verhasst ich bei dem Volke bin? Alles wegen dem Krieg und der hohen Steuern. Wenn eine Familie das Kind finden würde, hätten sie nicht mal für sich selber genug zu essen! Also vergiss das mit den Bauern! Morgen gehst du mit ein paar Zofen in den Wald und bringst das Kind zum Lagerplatz der Wölfe während sie auf der Jagd sind, aber gib acht! Die Leitwölfin könnte zu dieser Jahreszeit in der Höhle sein und ihre Jungen gebären! So... Und nun geh hinfort, ich will allein sein!"

Zutiefst betrübt ging die Königin in ihre Gemächer und legte das Kind in die Wiege : „Ach mein kleiner Sonnenschein! Hätte ich eher gewusst, wie kaltherzig er wirklich ist, hätte ich ihn niegeheiratet! Ich möchte nicht, dass du stirbst ! Oh barmherziger Gott! Erbarme dich meiner Tochter und schütze sie! Möge sie in Frieden ruhen." Mit diesen Worten fing die Königin an zu weinen und deckte ihr Mädlein zu. Abends ließ sie sich nicht mal blicken und weinte die ganze Nacht hindurch.

Am nächsten Morgen ging sie zu ihrem Gemahl und versuchte ihn zu sänftigen: „Wollt Ihr Euer Herz und Euren Verstand nicht doch noch wenden? Im Krieg sind schon genug gefallen. Muss jetzt auch noch unser Nachwuchs für Eure Torheit sterben ?" Der König erhob sich aus seinem Throne und rief : „Schweig! Da gibt es nichts zuwenden! Entweder du gibst das Kind fort, oder du stirbst einen kalten Hungerstod als armselig' Weib auf der Straße und ich nehme deine Schwester zur Frau!"

Erschaudert von den Gedanken musste die Königin sich entscheiden und zog sich in ihre Gemächer zurück. Entweder behielt sie das Kind oder beriet den Untergang des Königreiches, ein Ultimatum, das ihr leider keine andere Wahl ließ als das vermeintlich Rechte zu tun. Denn ihre Schwester war mit Abstand die hartherzigste Frau unter den Adligen, die Böseste unter ihres Gleichen... Eine Heirat mit ihr und König Ludwig würden für das ganze Reich noch mehr Kriege, Tote und Hungernde bedeuten.

So ging sie fort, lange Zeit durch den Wald, begleitet von einer Zofe, und bewunderte seine Farbenpracht. Wundervolle Blumen schmückten den Weg und Knospen an den Bäumen verrieten, dass das Ende des Winters nahte. In ihren Armen lag das Kind, das selig schlief, und nichtserahnte. So gingen sie fort, immer tiefer in den Wald hinein, bis dorthin, wo sie niemand hörte, als Tiere von jenem Ort. Die Vögel sangen fröhlich ihre Lieder und bauten Nester in den Bäumen. Überall ertönten ihre Lieder und erblühten die Schönheit der Natur, nur eine traurige Königin konnte sich nicht über den Frühling freuen.

So legte sie vorsichtig das Kind vor des Wolfes Höhl' ab, neben einem alten Baumstumpf, der ihm was Schutze gab, und rannte fort, die Zofe ihr nach.

Ahkuna I: {Die Wolfsprinzessin}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt