☆Im Reiche des Löwen☆

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Zur selben Zeit saß eine Wölfin einsam im Tal und lauschte den Stimmen des Waldes, der jenseits des Baches lag...

Tief versunken trachtete sie das Ufer des Sees und entsann sich an jenen Tag, an dem sie das Tal zum ersten Mal betrat.

Die Sonne hatte geschienen... und alles um sie herum war erblüht... Die Bäume hatten ihre bunten Kleider getragen und dem Herbst einen letzten Wunsch erwiesen, bevor ihn der Winter mit seinen eisigen Stürmen erlöst hatte...

Das Wiehern von Pferden weckte sie aus ihren Träumen und ließ sie aufscheun...

Der Wind trug seine Fährte mit sich und die seiner Männern gleich mit...

Schon von weitem vernahm sie Cäsars Schnauben und des Prinzens Rufe... Er rief ihren Namen... immer wieder... voller Hoffnung und Sehnsucht.... und doch konnte sie nicht zu ihm gehen... Männer waren dicht bei ihm... Wahrscheinlich sein Gefolge, das ihm bei der Jagd helfen sollte... Sie musste fort, ehe er mit seinen Männern eintreffen würde, und lief schnell in den Hain, um Lakota zu wecken.....

Mürrisch brummte er vor sich hin und wandte sich auf die andere Seite, als sie ihn mit der Schnauze stieß. ,,Lakota, wach auf!",brauste Ahkuna und rüttelte ihn wach...

,,Mmmmh... Was ist denn?,"grummelte er und lugte sie an. ,,Der Prinz ist auf dem Weg hierher... Männer sind ihm dicht auf den Fersen ...! Lakota... Wir müssen gehen!", zischte sie und wurde immer aufgeregter...

Aber er verstand nicht: ,,Das Tal verlassen? Ahkuna! Was ist geschehen? Was will er schon wieder?" - ,,Ich... ich weiß es nicht... Bei unserem Abschied habe ich ihn vor dem Vollmond gewarnt..und ...,"Sie stockte  kurz und fuhr sich beschämt durchs Fell, ,,Ich weiß, ich hätte es nicht tun sollen, aber ich wollte ihn nicht zwischen die Fronten bringen , wenn es zu einem Kampf kommen sollte..."

,,Du befürchtest,dass er dich seinem Vater verraten haben könnte,"verstand Lakota und richtete sich auf. Ahkuna nickte nur und duckte sich hinab: ,,Ja... Und auch wenn er mich nicht verraten hat: Ich möchte fortgehen.... In diesem Tal sind wir nicht mehr sicher...

Die Menschen kommen von Tag zu Tag näher... Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie uns gefunden haben..." Lakota aber wollte es nicht... ,,Ahkuna,"wisperte er, ,,Ich kann es nicht tun ... Verzeih.... Ich kann mein Zuhause nicht verlassen... Ich bin hier aufgewachsen... Meine Familie ist hier gediehen... Meine Welpen sind hier geboren... Und mein Rudel ist hier gefallen... Nein... Ich kann es nicht... Tut mir leid... Du musst ohne mich gehen,"sagte er und wandte sich von ihr ab. ,,Lakota...," versuchte sie ihn noch zu bewegen, aber er ließ ab und verschwand im Dunkeln des Haines... ,,Lakota!," rief sie ihm nach, ,,Wenn dir was zustößt, das verzeih ich mir nie! Du bist mein bester Freund! Ich kann dich doch nicht allein zurücklassen...", doch er wollte es nicht hören und wartete,bis sie des Haines war...

Tränen sprießend wandte sie sich um und fasste einen Entschluss: ,,Ich komme wieder... Versprochen... An Vollmond, wenn die Rach' zur rechten Stunde schlägt, werde ich kommen... Mit allen Tieren des Löwenreiches und des roten Berges... Wir werden kommen und dem König unsere Macht zeigen...

Bis dahin werde ich dich in der Ferne hüten... Leb wohl, mein Freund..."

Schluchzend packte sie ihren Beutel und lief davon. Am Ende des Haines blickte sie sich ein letztes Mal um.... Ihr war, als könnt sie seine Augen im Schatten des Busches sehen... Aber es war nur der Tau, der sich im Antlitz der Sterne widerspiegelte... Erschüttert setzte sie ihres Weges fort und ließ das Tal hinter sich. Sie lief so schnell sie konnte... Immer weiter durch die Nacht , überquerte Hügel und Felder, durchging die finsteren Wälder... und schrak selbst vor Dörfern nicht zurück.

Ahkuna I: {Die Wolfsprinzessin}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt