Entscheidungen

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Was war nur in Jack gefahren? Wieso hatte er das getan...das machte alles nur schlimmer. Sie konnte nicht mit ihm zusammen sein und alle Brücken hinter sich einstürzen lassen. Davor hatte sie Angst, das musste sie sich eingestehen. Ihr war es so schwer gefallen dazustehen und sich all das anzuhören, was er ihr sagte und sie konnte kaum ertragen, wie sie sich dabei fühlte. Ihr ging es nicht anders wie ihm dabei, doch hatte sie Verpflichtungen, die sie wie Ketten an ihr Gefängnis hielten.

Rose starrte ins Leere und schenkte weder ihrer Mutter, noch den zwei anderen Damen Beachtung, die sich bei Gebäck und Tee mit Mrs. Bukater unterhielten. Immer wieder gingen ihr Jacks Worte durch den Kopf und vor allem, wie sie reagiert hatte. Sie war weg gelaufen, ehe sie sich gezwungen war sich zu entscheiden.

Als sie ihren Blick ein wenig schweifen ließ, entdeckte sie eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter einen Tisch weiter. Das kleine Mädchen saß gegen die Rückenlehne ihres Stuhles gelehnt, bis ihre Mutter eingriff und sie dazu brachte aufrecht zu sitzen, wie eine kleine Marionette.

»Merkst du das nicht, die halten dich gefangen Rose.«, hörte sie Jack erneut sagen, als würde er neben ihr stehen. An Cals Seite würde sie immer genau das tun müssen, was man von ihr erwartete. Sie müsste stets die richtige Haltung bewahren, sich über ausgewählte Themen unterhalten, immer an der Seite ihres Mannes sein und in der Öffentlichkeit tun, was man von einer gut erzogenen Ehefrau sehen wollte.

In der Zeit, die sie mit Jack verbracht hatte, hatte sie sich so lebendig gefühlt wie noch nie und noch viel wichtiger: sie war sie selbst gewesen. Kein aufgezwungenes Verhalten und vorgespieltes Getue.

Sie wusste, was sie wollte, aber sie wollte gleichzeitig keine Lawine aus Konsequenzen lostreten. Es dauerte bis die Sonne langsam unterging, bis sie eine Entscheidung treffen konnte.

Mit klopfendem Herzen ging sie wieder an Deck. Rose musste nicht einmal überlegen, wo sich Jack aufhalten könnte, da sie sicher war, sie würde ihn am Bug des Schiffes finden. Sie lächelte sanft, als sie ihn dort stehen sah, wie er hinab blickte, wo die Spitze des Schiffes durch das Wasser schnitt.

»Hallo Jack«, sagte sie ruhig, was ihn dazu brachte sich hastig herumzudrehen.

Sein fragender Gesichtsausdruck offenbarte ihr, dass er sich nicht sicher war, was ihre Anwesenheit bedeutete.

»Ich habe meine Meinung geändert.« Als sie Jacks breites Lächeln sah, ging sie auf ihm zu. Sie wollte sich mit ihm aussprechen, es gab vieles, was sie klären mussten.

»Du sagtest-«, fing sie an, doch fiel ihr Jack ins Wort. »Shh. Gib mir deine Hand«, verlangte er und hielt ihr seine entgegen.

Rose kam noch etwas näher, griff nach seiner Hand und ließ sich mit ihm ziehen. Ihr war egal, wer sie beide womöglich sehen konnte. Gerade jetzt fühlte es sich sowieso so an, als wären sie alleine auf dem Schiff.

»Jetzt, schließ deine Augen.« Als Rose ein wenig zögerte, hauptsächlich, weil sie nicht wusste wo das hinführen würde, brachte Jack sie mit einem amüsierten »Na los«, doch dazu.

Sie spürte, wie er seine Hand auf ihren Rücken legte, die andere noch fest mit seiner umschlossen, und sie etwas nach vorne schob. »Steig hier rauf«, wies er sie an, was nicht so einfach war, wenn man nichts sah.

»Halt dich an der Rehling fest. Die Augen bleiben zu, nicht aufmachen.«

»Nein, mach ich nicht«, versicherte ihm Rose etwas kichernd. Mit beiden Händen griff sie fest nach der obersten Sprosse und trat noch etwas näher.

»Jetzt steig oben auf die Rehling. Schön festhalten.«

Rose war etwas zittrig, als sie erst das eine und dann das andere Bein hob, um auf die Sprosse zu treten. Sie spürte, wie Jack es ihr, hinter ihr, gleich tat und mit einer Hand an der Hüfte fest hielt, damit sie nicht ins Wanken geriet.

»Nicht die Augen aufmachen. Vertrau mir.«

»Ich vertraue dir«, sagte Rose ohne zu zögern.

Sie spürte, wie Jack nach ihren Handgelenken griff und diese ganz langsam zu beiden Seiten ausstreckte. Rose fühlte sich einen Moment lang etwas wacklig, doch verfolg das Gefühl schnell wieder, als sie sich leicht an Jack anlehnte. Sie verstand nicht so ganz, was Jack damit bezweckte, doch ließ sie ihre Arme genau so ausgebreitet. Als Jack beide Hände auf ihre Hüften legte, gab ihr das noch mehr Sicherheit.

»In Ordnung, jetzt öffne die Augen.«

Rose kam seinem Wunsch nach und war sofort berauscht. Sie sah den endlos scheinenden Ozean vor sich und spürte wie der Wind ihr Haar und ihr Kleid nach hinten wehte.

»Ich fliege, Jack«, kam es nur begeistert von ihr und wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie glauben, dass sie es tatsächlich tat. Denn genau so fühlte es sich auch an. Sie bewegte sich kaum und war wie verzaubert von dem Anblick, der sich ihr bot. Erst, als Jack von ihren Hüften abließ und seine Hände in ihre nahm, um ihre Finger miteinander zu verschränken, drehte sie ihren Kopf leicht zu ihm. Jack zog ihre beide Arme wieder nach unten, umarmte sie und kam ihrem Gesicht immer näher, bis sie sich küssten. Zuerst waren beide noch zaghaft, trauten sich kaum sich den Kuss zu gestatten, bis Rose sich mehr auf ihn einließ. Sie legte ihre rechte Hand in seinen Nacken und zog ihn ein wenig mehr zu sich.

Jack folgte ihrem Wunsch nach mehr Nähe, umschloss sie mit seinen Armen etwas mehr und umhüllte damit ihr Herz mit einer Wärme, die sie nie für möglich gehalten hatte. Rose wollte sich nicht mehr von ihm lösen, bis die Furcht, von den falschen Personen gesehen zu werden, ihre Gedanken durchzuckte. Zwar hatte sie sich dazu entschieden, sich weder Cal noch ihrer Mutter weiterhin zu fügen, doch wollte sie es ihnen unter ihren Bedingungen mitteilen.

Rose löste sich leicht von Jack, lächelte ihn glücklich an und ließ sich von ihm wieder runter helfen. Sie wollte sich jetzt nicht von ihm trennen und die Zeit nutzen, die sie gemeinsam verbringen konnten. Ihr kam da eine Idee, die sie ihm gern unterbreiten wollte.

»Ich möchte, dass du mich malst, könntest du das?«, fragte sie ihn, sich der Antwort bereits sicher. Jack zögerte jedoch einen Moment und sah sie fast schon schuldbewusst an, ehe er ihr antwortete. »Sicher, ich habe meine Mappe gleich hier«, sagte er und zeigte auf eine Bank hinter ihr, wo er scheinbar zuvor die Mappe mit den Papieren und die Zeichenkohle, die er in einer gerollten Tasche aufbewahrte. Rose nahm ihn bei der Hand, und zog ihn leicht mit sich mit. »Gehen wir dafür auf mein Zimmer.«

Behind the Veil (wlw)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt