Nur nicht einschlafen!

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Es würde passieren. Gleich würde es passieren. Jack wusste genau, worauf sie sich einstellen musste. Wieder kletterte sie hinter Rose, drückte sie leicht gegen das Geländer und hielt sich daran fest. Es war erschreckend mitanzusehen, wie sich andere Passagiere nicht rechtzeitig auf die andere Seite retten konnten und nun mit zwei Händen an der Reling hingen, sich aber nicht halten konnten und in die Tiefe fielen. Das Schiff richtete sich noch etwas weiter auf und verharrte dann plötzlich. Nichts rührte sich mehr.

»Es ist stehen geblieben!«, rief jemand, doch Jack glaubte nicht, dass es ewig so sein würde, auch wenn das für sie alle am besten wäre. Jack richtete sich leicht auf, sie traute der Ruhe nicht wirklich. Als es sich wieder rührte und hinab sank, zog sie Rose zu sich auf die Beine.

»Es ist so weit«, sprach sie nur das Offensichtliche aus. Es würde nicht lange dauern, bis auch der Rest des Schiffes unterging.

»Jack! Oh Gott...oh Gott...«, rief Rose panisch vor sich hin, während die Wasseroberfläche immer näher rückte. Gleich würden sie nichts mehr haben, woran sie sich festhalten konnten und sie konnte sich noch gut an die Kälte des Wassers erinnern, welches sie gleich wieder begrüßen würde. Sie griff nach ihrer Hand und hielt sie ganz fest.

»Das Schiff wird uns nach unten ziehen. Hol tief Luft, wenn ich es dir sage«, sprach Jack so deutlich wie möglich. Rose nickte, konnte den Blick aber nicht vor der Tiefe abwenden.

»Schwimm nach oben so schnell du kannst und lass nicht meine Hand los!«, rief sie ihr etwas lauter zu. Rose brachte kein Wort heraus, nickte und klammerte sich an Jack. »Wir werden es schaffen Rose! Vertrau mir.«

Rose sah sie an, drückte ihre Hand und wartete auf ihr Zeichen. Sie richteten sich beide auf, standen, als das Schiff binnen Sekunden vom Wasser eingenommen wurde. »Fertig? Spring!«, schrie Jack, als sie schon fast komplett unter Wasser waren.

Jack sprang zusammen mit Rose, doch der Sog des Schiffes war noch immer so stark, dass sie sie nicht mehr halten konnte und sie ihr entrissen wurde. Unter Wasser drehte sich alles. Es waren zu viele Menschen, die versuchten an die Oberfläche zu schwimmen und vom Strudel, den das Schiff ausgelöst hatte, mitgerissen wurden.

Irgendwo tauchte Jack wieder auf. Sie drehte sich um, rief nach Rose, sah aber nur ein Meer an panischen Menschen, die schrien und vor sich hin schwammen. Sie musste Rose finden!

Jack schwamm durch die Menschenmasse hindurch, hörte nicht auf nach Rose zu rufen und versuchte sich so gut es ging einen Überblick zu verschaffen. Das Wasser war so unfassbar kalt, dass es schmerzte, aber diesen Gedanken schob sie beiseite.

Als sie Rose hörte, wie sie verängstigt ihren Namen schrie und sich umdrehte, schwamm sie so schnell sie konnte auf sie zu. Ein anderer Mann hatte sich an sie gekrallt, drückte sie unter Wasser und versuchte sich durch sie zu retten. »Lass sie los!«, schrie Jack, griff nach Rose und schlug dem anderen ins Gesicht, bis er sie los ließ. Alle im Wasser waren völlig panisch und schreckten vor nichts mehr zurück um am Leben zu bleiben. Dennoch machte sich Erleichterung in Jack breit, als sie Rose vor sich sah, doch sie durften jetzt keine Zeit mehr verlieren, sie musste einen Weg finden Rose zu retten.

»Schwimm Rose! Ich will, dass du schwimmst«, trug sie ihr auf und hielt sie am Riemen der Rettungsweste fest, die sie trug. Jack schwamm mit einem Arm voran und ließ Rose dabei nicht los.

Rose hatte jegliche Orientierung verloren, als sie im Dunkeln hinter Jack her schwamm und ganz auf sie vertraute. Die panischen Schreie der anderen Menschen um sie herum ebbte keine Sekunde lang ab. Jeder versuchte sich irgendwie zu retten und eine Möglichkeit zu finden sich über Wasser zu halten, auch wenn das bedeutete sich an anderen festzuhalten und diese runter zu drücken, so wie es ihr zuvor passiert war.

Behind the Veil (wlw)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt