Teil 36

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Jules Erinnerung war mittlerweile zurück gekehrt. Das bemerkte sie spätestens, als Greg sie am nächsten Tag besuchen kam - mit einem unglaublich großen Blumenstrauß und Martha im Schlepptau. Jule erfuhr später, dass Martha Greg zwang, sie mitzunehmen, und ehrlich gesagt freute sie sich darüber mehr als über diesen völlig übertriebenen Strauß aus Rosen und Grünzeug. Nun saßen sie beisammen, Jule war endlich auch mal duschen und fühlte sich noch besser als gestern. Sie unterhielten sich über dies und das, als Martha plötzlich Tupperdosen aus ihren Taschen hervorholte. „Kindchen, das Essen im Krankenhaus ist doch nichts. Ich habe selbst gekocht. Mit viel Liebe! Das macht sowieso viel schneller gesund, glaub mir!" Jules Augen wurden immer größer. „Martha, du bist einfach die Beste!! Oh wow.... Was ist das alles??" Ungeduldig griff sie nach den Tupperdosen und freute sich mit jedem Mal mehr. „Fleischbällchen!!!" Beherzt griff sie zu und aß zügig drei Stück auf einmal. „Jule.... also... das ist doch jetzt nicht gut, was du da machst!" „Feiff auf Fffoonkofft!" Bemerkte sie mit vollem Mund und Martha lachte. Gregory seufzte. „Im Koma war es so schön ruhig hier..:" bemerkte er leise und erntete eins der Fleischbällchen auf seinem Hemd. „Jule!! Verdammte...." Fluchte er und floh ins Bad, um den Flecken heraus zu waschen. Martha nutzte den Moment. „Jule... ich weiß, wer dir das angetan hat. Es tut mir so unendlich leid. Ich hätte nie gedacht, dass er dazu fähig ist." Jule blieb das Essen fast im Hals stecken. „Schon gut," antwortete sie trotzdem. „Er kann mir ja nichts mehr." „Ich bin froh, dass du überlebt hast, Liebes. Du bist so ein wunderbarer Mensch." Mitfühlend drückte Martha Jules Arm und ihre Blicke trafen sich. Zögernd legte Jule ihre Hand auf Marthas. „Danke" flüsterte sie und löste schnell die Bewegung, als Gregory aus dem Bad zurückkehrte. Sein Hemd zierte nun ein großer, durchsichtiger Fleck. „Damit gewinnst du kein ‚Mister Wet Shirt' Contest" stellte Jule trocken fest, und als Gregory schon Luft holte, drohte sie mit dem letzten verbliebenen Fleischbällchen, was ihn sofort verstummen ließ. Martha blickte auf die Uhr. „So, jetzt wird es aber Zeit!" „Was?? Ihr wollt schon gehen??" „Nein! Es wird Zeit, dass wir runtergehen. Mit dir!" Marta grinste von einem Ohr zum Anderen, und Jule hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. „Ich hole mal den Rollstuhl" lächelte Greg und verließ das Zimmer erneut. „Und ich helfe dir beim Anziehen" rief Martha aus dem Schrank heraus, in dem sie schon halb drin steckte. „Wie jetzt? Kann ich heim?" frohlockte Jule schon, wurde aber enttäuscht. „Nein, das leider nicht, aber es wird dir zumindest nicht langweilig!" Martha kehrte mit Hoodie und Jogginghose zurück, half Jule beim Überziehen des Pullovers und der Hose und setzte sie auf den Rand des Bettes. „Was macht der Kreislauf?" „Geht schon," antwortete Jule, „ich würde gern mal ein paar Schritte laufen." Auch das klappte ganz gut. Das Duschen verrichtete Jule morgens mithilfe eines Pflegers, was ihr mehr als unangenehm war, der Pfleger bewies zum Glück eine professionelle Distanz, die es ihr leichter machte. Und er gab ihr einen Duschstuhl, Jule fühlte sich da schon um Jahrzehnte gealtert. Nun lief sie ein paar Meter durch das Zimmer und war froh, die Welt mal wieder aus dieser Perspektive betrachten zu können, als Gregory mit dem Rollstuhl zurückkehrte. „Ach schau, die Dame steht! Wie schön" freute er sich ehrlich. „Dann kann ich doch auch laufen und brauche das Ding hier nicht!" Stellte Jule trocken fest. „Abgelehnt" antworteten Beide wie im Chor und Jule rollte mit den Augen. Martha half Jule noch Schuhe anzuziehen und sich vorsichtig in den Rollstuhl zu setzen, denn das waren Bewegungen, die noch immer schmerzten, und jedes Mal, wenn sie den Schmerz spürte, kam eine Welle des Hasses in ihr auf. Gern hätte sie Doucette ähnliche Schmerzen zugefügt.

„Und jetzt rollen wir eine Runde durch den Park? Wie so alte Menschen?" feixte Jule, als sie auf dem Flur auf den Aufzug warteten. „Frische Luft ist wichtig!!" Wieder rollte Jule mit den Augen. „Als wenn es in dieser Stadt frische Luft gäbe." Gregory und Martha wechselten kurz Blicke, als sie Jule in den Aufzug rollten und auf den Knopf zum Erdgeschoss drückten. Auf der Fahrt nach unten stiegen noch drei Krankenschwestern hinzu, sichtlich aufgekratzt und gut gelaunt, was Jule erstaunt zur Kenntnis nahm. „Ich bin so aufgeregt", „Ja, das wird so gut, oh mein Gott!" Jule blickte Greg an. „Was ist hier los?" „Keine Ahnung. Mittagspause?" Die Krankenschwestern lachten. „Ja! Die Beste, die jemals passieren wird!" Jule schüttelte irritiert den Kopf und fragte sich, was die Damen wohl vorhatten, als sich die Tür des Lifts öffnete.

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