Teil 42

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Jule und Jimmy verbrachten den restlichen Tag am Strand, und Pepper dankte es ihnen mit Freudensprüngen und Sandbädern. Während Pepper viele Hundebuddys fand, liefen sie langsam am Wasser entlang, bauten eine Sandburg, die von Pepper freudestrahlend zerstört wurde, und genossen das Meer an ihren nackten Füßen, während sie großartige Hot Dogs aßen. Jule störte sich nicht daran, dass Jimmy häufiger auf ein Foto angesprochen wurde und sich immer mal wieder mit Fans unterhielt und spielte derweil mit Pepper.

Stunden später befanden sie sich wieder auf dem Heimweg. Jule spürte, wie die Sonne ihr Gesicht zum Glühen gebracht hatte. Ihr Körper juckte vom vielen Sand und ihre Füße waren pechschwarz, aber selten hatte Jule sich besser gefühlt.  Auch Jimmys Gesicht glänzte, sein Haar war noch immer voll mit Sand und er grinste jungenhaft. Ausgelassen alberten sie auf dem Heimweg im Auto herum, und doch spürte jeder, dass gewisse Themen im Raum standen wie der rosa Elefant. Auf dem FDR Drive kam es wieder mal zu stockendem Verkehr, die Autos schoben sich wie zähe Lava durch den Betondschungel. Jule spürte Jimmys Blicke von der Seite. „Jule... ich muss nach dem Wochenende wieder auf Sendung." „Ja... und?" Sie blickte ihn nicht an, während sie den Kloß im Hals spürte. „Naja.. kriegst du das hin?" „Wie? Was meinst du?" Sie wusste genau, was er meint. Und er hatte recht. „Allein zu bleiben?" „Ja sicher! Ich bin ja kein Kind mehr." Jule fragte sich, warum sie sich dann wie eines fühlte, und blickte weiter aus dem Fenster. „Du weißt genau, was ich meine, und ich fänds schön wenn du ehrlich zu mir bist." Jule sank tiefer in den Sitz. „Hast du noch Bier zu Hause?" „JULE!" Jule rollte mit den Augen. „Warum sollte ich das nicht hinbekommen? Wovor hast du Angst?" Jimmy bremste ein bisschen zu stark, als der vordere Wagen ebenfalls hielt. „Ich HAB keine Angst... ich... ich mache mir nur Sorgen. Es ist eine ganze Menge passiert in den letzten Wochen, findest du nicht auch?" Sie schluckte. „Da hast du nicht ganz unrecht.." flüsterte sie mehr und sah nun endlich zu ihm herüber, Jimmy erwiderte ihren Blick. „Willst du ihn anrufen?" „Ich würde mir wünschen, dass er den ersten Schritt macht." „Äpfel und Bäume haben meist eine ähnliche Geschichte..." Jule sah ihn irritiert an. „Wie meinst du das?" „Nunja. Wenn du mal ganz ehrlich zu dir bist - verwundert dich es wirklich, dass er jetzt den Kontakt zu dir meidet? Ganz unabhängig davon, wie wir das jetzt finden?!" Jule seufzte frustriert, nachdem sie kurz darüber nachdachte, und murmelte irgendetwas vor sich hin. „Was sagtest du?" „Ich sagte DASS DU RECHT HAST. MAL WIEDER!" „Und was hast du vor?" „Mal sehen. Wenn ich den Mut habe, rufe ich morgen an." „Du musst es auch nicht allein machen, Jule." Sanft lächelte Jimmy zu ihr herüber, und Jule drückte kurz dankend seinen Arm.

Zu Hause angekommen, lieferten sie sich einen kurzen Wettlauf zum Bad, den Jimmy gewann. „Dann gehe ich eben bei mir duschen!" Jule rief es ihm durch die verschlossene Tür zu, „ich habe nämlich mein eigenes Bad! Das ist viel schöner!!" „Das glaubst auch nur du!" Lachend lief sie zu ihrem Appartement herüber, Pepper im Schlepptau, und öffnete ihre Wohnungstür. Erst jetzt bemerkte sie, wie lange sie schon nicht mehr hier war. Ein Schauer lief über ihren Rücken und ihr wurde kalt. Langsam betrat sie ihre Wohnung und lief durch den Flur, jeder Schritt so laut, als wäre sie der einzige Mensch in der Stadt. Das komplette Appartement stand leer und düster da, bis auf das Schlafzimmer und die Küche, und Pepper lief verwirrt und schnüffelnd von einem Raum zum Nächsten. Er verharrte länger an der Stelle, an der sein ehemaliges Frauchen saß, schnüffelte intensiv auf dem Boden herum. „Ach Pepper.."  flüsterte Jule, beugte sich zu ihm und streichelte den Mischling, der es schwanzwedelnd annahm. „Na komm, du musst auch mal duschen. Du riechst wie ein Seehund!" Jule musste kichern über das alberne Wortspiel und lief zum Bad. Nach der Dusche trocknete sie sich und Pepper ab und tippelte ins Schlafzimmer in der Hoffnung, frische Kleidung dort zu finden, da sie keine von Jimmys Wohnung mitgenommen hatte. Ihr Blick streifte eine der Kommoden neben dem Bett und es traf sie wie ein Schlag. Jule lief zur Kommode und öffnete die erste Schublade. Das alte, lederne Fotoalbum lag noch genauso da wie sie es vor Monaten dort hinterlegt hatte. Jule holte es hervor und schlug die erste Seite auf, während Pepper neugierig aufs Bett sprang und sich zu ihr legte. Die ersten Fotografien zeigten ein junges Paar in schwarz weiß, vermutlich Eleonore und George, wie sie verliebt an einem Strand stehen, weitere Fotos zeigen sie mit Freunden, es gab Bilder von Eleonore, die schwanger stolz ihren Bauch in die Kamera hält, und offensichtlich gab es auch in dieser Familie mal einen Hund. Ein schwarzer Labrador taucht auf vielen Fotos auf, jemand hatte den Namen „Bella" unter die Hundefotos dazu geschrieben. Eleonore sah auf den Bildern immer glücklicher aus. Mit jeder Seite des Fotobuches wuchs die kleine Familie näher zusammen, bis Eleonore erneut schwanger war - mit Jules Mutter. Jule schluckte schwer und wusste nicht, ob sie sich die Bilder weiter ansehen sollte. Aus irgendeinem Grund hatte Jule das Gefühl, dass das Unglück schon hier seinen Lauf nahm, mit der zweiten Schwangerschaft, auch wenn Jule bewusst war, dass es kompletter Unsinn war. Jule blätterte noch ein weiteres Mal um. Offensichtlich fehlte eine ganze Zeitspanne der Schwangerschaft, denn das nächste Bild zeigte Eleonore, wie sie bereits Maria im Arm hielt. Erschöpft blickte Jules Großmutter in die Kamera, während das Baby schrie. Die anderen Fotos mit Maria waren entspannter, und doch konnte Jule eine Veränderung bei Eleonore wahrnehmen. Aber bei zwei kleinen Kindern war das vermutlich nicht ungewöhnlich. Eleonore wirkte müde, weniger glücklich, der Glanz aus ihren Augen war verschwunden. Das Fotoalbum endete abrupt, als die Kinder schätzungsweise 6 und 4 Jahre alt waren, und auf den wenigsten Bildern war George zu sehen. Entweder hat er all diese Bilder geschossen, oder, was Jule eher vermutete, er war einfach ständig arbeiten und das Leben verlief größtenteils ohne ihn. Jule legte das Buch wieder in die Kommode und drehte nachdenklich am Siegelring ihrer Großmutter. Vielleicht war es einfach kein Wunder, dass Maria so war, wie sie war. Sie hatte fast alles was man braucht, außer Verständnis und die Liebe eines Vaters. Bei dem Gedanken daran, und dem Verstehen, wie ähnlich sie sich doch waren, schossen Jule die Tränen in die Augen. Schnell vergrub sie ihr Gesicht in Peppers Fell, der ihre Kuschelattacke geduldig ertrug, bis beide Geräusche an der Tür hörten und Pepper aufsprang.

„Ich bin's nur..." rief Jimmy vom Flur, und Jule fiel ein, dass Jimmy 1. einen Schlüssel zur Wohnung hatte und 2. sie keine Kleidung, sondern nur ein Handtuch trug. Hastig zog sie Selbiges noch etwas höher, eher sinnlos, da es gerade so das Nötigste bedeckte, als Jimmy das Schlafzimmer betrat. Jule bemerkte seine Blicke. „Ähm... ich hab mich gefragt wo du bleibst und wollte nach dir sehen." „Du bist ein sehr freundlicher Nachbar!" Jule lächelte, aber Jimmy sah sie ernst an. „Du hast geweint, oder?" Er setzte sich zu ihr auf das Bett. „Was? Wie kommst du denn..." „Jule! Bitte. Hör.endlich.auf. Wir haben dieses Level überschritten, hörst du? Dieses ewige Gehampel, ‚oh ich bin ja so stark, authentisch und selbständig! Ich habe keinerlei Gefühle, es gibt keine Probleme!' Ich kann es nicht mehr hören. Wirklich.nicht." Jule sah ihn schweigend an, überrascht über die Intensität seiner Aussage, und wusste nicht was sie sagen sollte, also küsste sie Jimmy, der nach kurzem Erstaunen den Kuss erwiderte. Schnell wurde der Kuss intensiver, Pepper war schon längst entnervt verschwunden, und Jule fühlte, wie sich das Handtuch langsam verabschiedete. „Was machst du bloß mit mir?" Jule zog Jimmy näher zu sich heran, „soll ich es lieber lassen?" fragte sie zurück, während sie sein Shirt auszog. „Nein nein, das ist schon okay..." Jimmy blickte auf ihre Brüste und schob das Handtuch endgültig weg. „Mein Gott..." flüsterte er und beugte sich herab, um Jules Brüste mit Küssen zu überdecken. Lächelnd ließ sie sich ins Bett fallen, während Jimmy sie weiter liebkoste und streichelte. „Hör bloß nicht auf!" „Ich denke gar nicht daran..."

Als Jule am nächsten Morgen wach wurde, musste sich sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Jimmy lag quer über dem riesigen Bett auf dem Bauch, Pepper im Arm, und beide gaben leichte, schnarchende Geräusche von sich. Leise stand sie auf und suchte ihr Smartphone, schoss heimlich Fotos von den Beiden und zog sich an. Jule stellte fest, dass es erst 7 Uhr morgens war, also beschloss sie Frühstück zu besorgen. Pepper war inzwischen wach, also kam er mit zur ersten Gassirunde, nachdem sie Jimmy einen Zettel hinterließ. Als sie Doorman Scott fröhlich grüßte und Pepper die nötige Zeit gab, um sich von Scott Streicheleinheiten abzuholen, fühlte sie sich plötzlich sehr erwachsen und aufgeräumt. Irritierend, dass es sich für sie gut anfühlte, vor allem weil im Hinterkopf immer dieser Gedanke waberte, diesen einen Anruf tätigen zu müssen. „Ich bringe dir einen Bagel mit, Scott!" „Sehr gerne!" Lächelnd lief sie die Stufen zur Straße herab und drehte sich nach rechts, als sie eine Stimme vernahm. „Jule! Warte..." Ihr Herz blieb für einen Moment stehen, als sie sich langsam umdrehte. „Gregory."

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