„Pepper, sollen wir raus? Möchtest du in den Hundepark?" Ob Pepper verstand, was Jule ihn fragte, blieb offen, dennoch sprang er freudig an ihr hoch und bellte. „Jaaaa! Ich finde auch, das ist eine super Idee!" Jimmy und Jule saßen nach dem Frühstück im Wohnzimmer und sprachen nicht mehr über das Thema Gregory. Um das unangenehme Schweigen zu brechen, entschied Jule sich für den Spaziergang mit ihrem Hund. „Wenn ich dir einen Tipp geben darf - der Hundepark im Peter Detmold Park ist wirklich schön. Er ist groß genug und man hat einen tollen Blick auf den East River und die Queensboro Bridge." Jule lächelte, „das klingt doch gut. Na, wollen wir Peter's Park besuchen, was meinst du?" Pepper bellte wie zu Bestätigung. „Ich erkläre dir, wie du hinkommst. Bus oder zu Fuß?" Jule entschied sich, zum Park zu laufen, sie konnte das gerade ganz gut gebrauchen und nahm den 40minütigen Spaziergang gern in Kauf. Nachdem Jimmy ihr den Weg erklärte, legte sie Pepper das Geschirr an. „Hey... ähm. Also, falls du heute Abend Langeweile haben solltest - wir drehen ein paar Sketche für die Show nächste Woche. Du kannst gern vorbei kommen. Ich sage den Leuten an der Pforte, dass sie dich reinlassen sollen, wenn du willst." „Oh...okay. Mal sehen, ob Pepper mich schafft heute. Aber danke für die Einladung!" Jimmy hatte gehofft, dass sie direkt zusagt, oder ihn fragt, ob er nicht in den Hundepark mitkommen würde. Als sie ging, verabschiedete sie sich freundlich, aber knapp. Kein Kuss. Keine Umarmung. Er hatte keine Ahnung, was er darüber denken sollte, also stürzte er sich in die Social Media Welt und machte einige Fans glücklich mit Likes und Kommentaren. Manchmal brauchte er diese ungebremste Aufmerksamkeit, die andauernden Liebesbekundungen und Versicherung der Fans, ihn für immer anzuhimmeln. Manche Fans schienen nur darauf zu lauern, dass er online ist und einen Mucks von sich gibt. Gelangweilt scrollte er auf Twitter durch all diese Liebesbekundungen, gab hier und da ein Herzchen und einen netten Kommentar ab, während in seinem Kopf der Sex der vergangenen Nacht ablief, der weiche, zarte Körper Jules in Nahaufnahme, ihre Gänsehaut, ihre leidenschaftlichen Küsse, die Art, wie sie ihren Kopf nach hinten warf, während sie auf ihm... Jimmy schüttelte sich und legte das Telefon weg, aufgewühlt und frustriert lief er ins Schlafzimmer, um sich auf dem Rad auszupowern. Er fühlte sich bestätigt- Jule würde sich niemals auf eine ernste Beziehung mit ihm einlassen, und langsam fragte er sich, ob das überhaupt Sinn machte. Er erhöhte den Widerstand des Rades und sein Tempo, während er versuchte, die Bilder aus dem Kopf zu kriegen. Es hatte keinen Zweck, er musste sich eingestehen, sich in sie verliebt zu haben. Wenigstens zwang sie ihn unbewusst zum Sport.
Der Hundepark war nicht so voll, wie Jule befürchtete. Pepper lief begeistert von einem Hund zum nächsten, schien jeden einzelnen begrüßen zu wollen und zeigte stolz manch anderem Hundebesitzer seinen Tennisball. Jule spielte mit ihm und anderen Hunden und genoss die Small Talks mit den Herrchen und Frauchen. Gefühlte Stunden warf sie immer wieder den Ball, und Pepper schien nie müde zu werden. Irgendwann setzte Jule sich auf eine der Bänke und genoss den Ausblick auf die Brücke, auch wenn immer wieder ihre Gedanken zu Gregory oder Jimmy abschweiften. In ihrem Kopf herrschte absolutes Gefühlschaos - einerseits diese unbändige Wut auf Greg. Je länger sie daran dachte, was er zu ihr sagte, bevor er ging, desto wütender wurde sie. Sie fragte sich, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn ihre Eltern zusammen geblieben wären. Vermutlich wäre Jule gut situiert aufgewachsen, vielleicht sogar hier in New York. Was machte das aus? Sicherlich eine ganze Menge an materieller Sicherheit, sie hätte studiert, aus ihr „hätte etwas werden können". Jule hasste ihre Kindheit, jeder Gedanke daran löste Hass und Verabscheuung in ihr aus, und eigentlich auch unendliche Traurigkeit. Sie hatte sich als Kind so sehr Stabilität gewünscht, Eltern, die sich für sie ernsthaft interessierten, sie förderten, begleiteten, sie... liebten. Echt und ohne Kompromisse. Aber Jule war sich nicht sicher, ob die Alternative so wahnsinnig erstrebenswert gewesen wäre. Sie wäre ein anderer Mensch. Mit anderen Werten. Mit anderen Blickwinkeln. Ohne die Erfahrung, in den Abgrund geblickt zu haben, und das nicht nur einmal. Jule schaute zum East River und musste überrascht feststellen, dass sie sich mochte. Bei allen Erfahrungen und Erlebnissen, die ihr Leben begleiteten, hatte sie sicherlich ihre Neurosen und Macken - aber es war okay. Mehr als das. Und das würde sie nicht missen wollen. Liebte Greg sie? Kann man Liebe nachholen? Jule war davon überzeugt, dass Gregory sie nie sonderlich mochte. Sie war höchstens das Kind, dass er nie haben wollte. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Andererseits war da Jimmy, der in ihren Gedanken umher schwirrte. Bei dem Gedanken an vergangene Nacht wurde ihr warm. Es war anders als ihre bisherigen Erfahrungen, weitaus intensiver, und Jule war über sich selbst überrascht, wie sehr sie Sex doch genießen kann - bisher ging es ihr da eher um eine Art Druckventil. Die Art, wie er sie dabei ansah, war unvergleichlich, so wie auch seine Art, sie zu berühren. Und noch mehr; er war da. Er nahm sie so an, wie sie war, ungefiltert, ertrug ihre Launen und den ganzen Scheiß, den sie mitschleppte. Es war, als würde ihr Herz und ihr Hirn runterfahren, wenn sie mit ihm zusammen war. Und es machte ihr Angst. Wenn er sich in sie verliebt haben sollte - sie wüsste nicht, ob es für sie nur ein weiteres Problem war, oder ob sie sich einlassen konnte, mit all den Konsequenzen, die es mit sich trug. Aber sie wollte nicht mehr davon laufen. Sie konnte es nur herausfinden, wenn sie sich dem Ganzen stellte. Entschlossen nahm sie Pepper an die Leine und verabschiedete sich von den verbliebenen Parkbesuchern, bevor sie heim fuhr.
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rich & broken
FanfictionJule Kaufmann, 30 Jahre, ist am Ende. Sie kifft und trinkt zu viel, ist notorisch pleite, steht kurz davor, aus der Wohnung zu fliegen und verdient sich ihren Lebensunterhalt als kleine Straßendealerin. So weit, so bescheiden - bis eines Tages ein f...