Erinnerungen

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Ihre Lippen hafteten aneinander.

Sie grinsten in den Kuss hinein.

"Du bist irgendwie anders."

Es was nur ein leises Flüstern, das über Calums Lippen kam, bevor er sich wieder in den Kuss vertiefte. Sebastian kicherte und schlang seine Arme um den Nacken des jüngeren.

"Du machst mich verrückt", flüsterte er zurück und wendete die beiden, sodass Basti auf Calum saß. Trotz allem unterbrachen sie den Kuss nicht.

"Du mich auch", grinste Calum, ließ seine Hände an Sebastians Taille auf und ab wandern. Die beiden lachten in den Kuss hinein und-

Schweißgebadet erwachte Sebastian und setzte sich ruckartig auf. Er keuchte, rang nach Luft und hoffte, dass die Bilder vor seinen Augen verschwanden. Warum träumte er von Calum? Und von sich? Waren das die Erinnerungen, die zurück kamen?

"Verdammte Scheiße", murmelte Sebastian, fuhr sich durch die Haare und lehnte sich an die Wand. "Was war das?" Der 20-jährige konnte nicht abstreiten, dass er während des 'Traums' ein gewisses Kribbeln verspürt hatte. Doch er wollte es nicht. Er wollte dieses Kribbeln, diese Träume und Calum nicht.

Zumindest redete er sich das ein.

Ein Blick auf die Uhr verriet jungen Mann, dass es bereits 15 Uhr war. Seufzend lehnte er sich an seine Bettlehne, atmete tief ein und aus. Kurz war Sebastian am Überlegen, für heute sein Zimmer nicht mehr zu verlassen, doch dann fiel ihm ein, dass er heute Bandprobe hatte. Nun, wenn man das so nennen konnte, immerhin hatten er, Sam und Abigail noch keine Ahnung, in welche Musikrichtung es gehen sollte. Die drei waren so verschieden und doch so gleich, dass es schwer war, etwas zu finden, was allen gefiel.

Sebastian stöhnte, erhob sich aus seinem gemütlichen Bett und machte sich daran, sich fertig zu machen. Ihm wurde bewusst, wie dringend er hier weg musste. Dieses Zimmer- nein, dieses Loch von Keller war seine Zelle und diese Familie nur ein Haufen Leute, mit denen er zusammenleben musste. Und bevor Seb noch einen weiteren klaren Gedanken fassen konnte, polterte es im Geschoss über ihm auf einmal. Verwirrt starrte er die Decke an, zuckte zusammen, als das Geräusch wieder ertönte, dieses Mal aber wesentlich lauter.

"Fickt euch doch", murrte der dunkelhaarige und schlüpfte in den Jackenärmel. Wenige Minuten später stapfte er, noch immer ziemlich müde, die Treppe nach oben. Die Tür zum Labor stand speerangelweit offen und Sebastian erkannte, wie seine kleine Schwester einen riesigen- was war das?!

"Oh, da ist wohl jemand von den Toten auferstanden", lachte Demetrius, der sich in diesem Moment an seinem Stiefsohn vorbeidrängte. Besagter zuckte lediglich mit den Schultern und sah dem dunkelhäutigen dabei zu, wie er einige der Sachen, die er im Arm hielt, in den großen Kasten warf, an dem Maru herumhantierte.

"Habt ihr vor, unser Haus in die Luft zu sprengen?", fragte Sebastian skeptisch, lehnte sich an den Türrahmen. Demetrius und Maru lachten synchron auf und wieder einmal bemerkte Sebastian, wie ähnlich Tochter und Vater sich doch waren und dass er nicht dazu gehörte.

"Komm her, Sebastian", grinste Demetrius und wank seinen Stiefsohn zu sich heran. Mit vorsichtigen Schritten trat dieser auf seinen Stiefvater, seine Halbschwester und den großen, aus Kunststoff, Metall und Glas bestehenden Kasten zu. "Das ist ein Hyperkatalisationsdehydrator, mit dem ich endlich nachweisen kann, dass-"

Ab diesem Punkt schaltete sich Bastis Gehirn einfach aus. Die Stimme seines Stiefvaters nahm er nur noch gedämpft wahr, nickte hin und wieder. Als der Wissenschaftler seinen Vortrag beendet hatte, lächelte er Sebastian an und klopfte ihm auf die Schulter.

"Du bist erlöst, mein Sohn", lachte er herzhaft.

"Schon okay, Demetrius", lächelte er gefälscht. "Ich muss jetzt los, Sam und Abby warten schon auf mich. Also, viel Erfolg bei eurem- was auch immer." Der 20-jährige deutete ein Winken an und verschwand aus dem Labor in Richtung Küche. Im Kühlschrank ließen sich tatsächlich Überrreste vom Frühstück finden, Hallelujah! Doch die Freude währte nicht lange - als er im Bad vorm Spiegel stand, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Die Augenringe gingen bis zum Boden, die Haare waren noch zerzauster als normal und generell sah Sebastian einfach scheiße aus. Da mussten viel Concealer und Haarspray herhalten...

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Halbwegs gesund aussehend ging Sebastian die Straßen Pelicans lang. Als er am verfallenen Gemeinschaftszentrum vorbeiging, sah er, wie Calum sich scheinbar beim Spielplatz von Penny verabschied. Kurz überlegte Sebastian, schnell weiterzugehen, entschied sich aber dagegen. Calum kam schon auf ihn zu.

"Guten Mittag", grinste Calum, hob die Hand. "Alles klar bei dir?"

"Muss ja." Sebastian zuckte mit den Schultern. Seit Calums Ankunft waren schon zwei Tage vergangen und Sebastian und Calum hatten sich weder gesehen noch etwas voneinander gehört. Seb hatte alle Mühe gehabt, sich vor seiner Mutter und dem Verlassen des Hauses zu drücken, aber Calum?

"Was hast du die letzten Tage gemacht? Irgendwie hat man nichts von dir gehört", murmelte Sebastian schließlich und ging mit Calum los in Richtung Dorfmitte.

"Ich hab ein bisschen die Farm aufgeräumt und versuche jetzt mein Glück bei der Gartenarbeit", grinste er, steckte lässig seine Hände in die Hosentasche. "Und du?"

"Nichts", murmelte Basti, zuckte erneut mit den Schultern. "Naja, ich hab mir ein paar Gedanken über unsere Band gemacht."

Scheiße, warum hatte er das jetzt erzählt?

Innerlich hätte Basti sich jetzt eine klatschen können.

"Band?" Calum zog eine Augenbraue hoch und rückte näher an den älteren. "Jetzt hast du mir aber etwas zu erzählen!"

"Äh, naja", druckste Sebastian. "Abigail, Sam und ich probieren da halt ein wenig aus. Aber das ist nichts ernstes."

"Wenn du das so sagst, klingt dass nach einem Anfang zu einer Dreiecksbeziehung", sagte der größere, lachte dann ein wenig und stupste Sebastian an.

"Du bist so ein Idiot", murrte dieser, konnte sich ein leises Lachen aber nicht verkneifen. "Jedenfalls haben wir noch keine Ahnung in welche Richtung es gehen soll und das ist unser eigentliches Problem. Sam will Rockmusik machen, Abigail eher was mit Popmusik und mir ist das super egal."

"Verstehe. Aber warum macht ihr keinen Mix? Pop-Rock oder Indie-Pop ist eh die beste Musik." Wieder einmal zog Calum die Augenbraue hoch.

Sebastian überlegte kurz, nickte dann langsam und dann etwas schneller. "Kommst du mit? Zu Sam, meine ich."

"Gerne!"

Sebastian | SDV FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt