Ich stellte die Schüsseln auf den Tisch. Drei Stück an der Zahl. Eine für meine Mutter, eine für meinen Vater und eine für mich. "Papa ist jede Minute da", sagte meine Mutter, als sie mir die Löffel in die Hand drückte. Es gab Hühnersuppe. Selbstgemacht. "Wir warten mit dem Essen, bis er kommt." Ich nickte und legte das Besteck neben die Schüsseln. "Darf ich nach dem Essen zu Manuel gehen?", fragte ich zögerlich. "Hast du Hausaufgaben auf?", fragte Mama mich. Ihre Locken wippten auf und ab, als sie ihren Kopf zu mir drehte und mich ansah, während sie die Suppe umrührte. "Keine für Morgen", log ich. Wir mussten Mathe für morgen fertig machen. Aber das würde ich heute Abend machen. Mit Taschenlampe unter der Bettdecke, wenn alle schliefen. Still und heimlich. Ich wollte keine Ärger.
"Dann kannst du rüber gehen, wenn wir aufgegessen haben." Mama lächelte. Glücklich setzte ich mich auf meinen Stuhl und sah auf meine leere Schüssel. Bald müsste die Frage nicht mehr kommen. Da hieß es aufstehen, frühstücken und raus. Den ganzen Tag mit meinen drei Freunden verbringen und Abenteuer erleben.
"Ich bin da!" Papa rief aus dem Flur ins Haus hinein und steckte kurze Zeit später seinen Kopf in die Wohnküche. "Es riecht gut", grinste er. Mama griff nach dem Topf und stellte ihn auf den Tisch. Die Suppe in ihm war noch am blubbern. "Wie war die Arbeit?" Mama gab Papa einen Kuss auf die Lippen. Angewidert sah ich zu meiner Schüssel. "Mein Chef hat heute noch weiteres mit mir besprochen. Darüber reden wir aber heute Abend, wenn wir alleine sind." Papa zog seinen Stuhl zurück und setzte sich mir gegenüber. "Was besprochen?", fragte ich. Immer hielt er alles vor mir geheim. Ich wollte wissen, was los war. Mama und Papa wechselten einen kurzen Blick, bis Mama seufzte und die Kelle griff, um meinem Vater etwas aufzutun. "Eigentlich wollten wir noch nicht mit dir darüber sprechen." Ich runzelte die Stirn und wechselte meinen Blick zwischen meinen Eltern. "Worüber?" Mama stellte die Schüssel vor Papa, der sofort anfing zu essen. Seine Augen lagen dabei stetig auf mich. "Gib deine Schüssel", sagte Mama und streckte ihre Hand leicht aus. "Worüber?", fragte ich wieder nur und gab Mama meine Schüssel. "Ich habe ein neues Jobangebot." Papa sah mich an. "Ist doch gut." Ich lächelte. So viel verstand ich. Wenn er annimmt, hieß es mehr Geld. Mehr Geld hieß, das ich vielleicht zu Weihnachten einen Heimcomputer bekommen könnte. In mir kam Freude auf.
"Dafür ziehen wir jedoch in die Stadt." Ich schaute zu Papa. Mein Löffel fiel mir aus der Hand und landete mit einem Klirren auf der Schüssel, prallte ab und befleckte die weiße Tischdecke. "Patrick", schimpfte Mama sofort. "Aber, was ist mit Manuel, Maurice und Michael? Ich habe hier meine Freunde." Meine Stimme zitterte. "Wann ziehen wir um?" Mein inneres füllte sich mit starkem Druck. "Kurz bevor die Sommerferien vorbei sind. So kannst du direkt das neue Schuljahr auf der neuen Schule starten. Am besten fängst du auch bald damit an zu packen." Papa löffelte ohne Emotionen weiter seine Suppe. "Ich will aber nicht umziehen. Ich will hier bleiben. Bei meinen Freunden." Mir war der Appetit vergangen. Wenn ich wegziehe, würde ich meine besten Freunde nie wieder sehen. Nie wieder mit ihnen Abenteuer erleben. Nie wieder die aus dem Neubaugebiet verarschen. Es gäbe nur noch Kontakt über Briefpost. Es wäre nichts mehr, wie jetzt.
"Kein Abschied ist für immer, Paddy." Meine Mutter lächelte. Ein kläglicher Versuch mich aufzumuntern. "Noch dazu muss ich sagen, dass die Schule in Hamburg am achten August wieder anfängt. Wir werden also am sechsten nach Hamburg fahren." Ich klappte den Mund auf, als mein Vater diese Worte aussprach. "Das sind kaum mehr als vier Wochen." Diese Vorstellung versaute mir den ganzen Sommer. Es war der vierte Juli. Noch zwei Mal schlafen, dann war der sechste, der letzte Schultag. Der letzte Schultag an meiner Schule und die letzten Sommerferien zusammen mit meinen Freunden.
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Sommer 1983 / Kürbistumor&Zomdado
FanfictionEs waren bald Sommerferien. Endlich war Zeit für Patrick und seine Freunde, um im Dorf Abenteuer erleben können. Nur leider war es der letzte Sommer, den Patrick mit seinen Freunden verbringen konnte. Sein Vater hatte einen Job in der Stadt angenomm...