Abholung

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Wir gingen den Berg hinab. Die Sonne ging bald unter, wie es aussah. "Denkst du wirklich, die sind nach Hause gelaufen?", fragte Manu mich. Seine Finger waren mit meinen verschränkt. Ich war glücklich, für diesen Augenblick. Ich wollte nicht daran denken, dass dieses Glücksgefühl schon bald durch das der Leere ersetzt wurde. Ich verlor mein Zuhause, meine Freunde und einen Jungen, den ich mehr mochte als ich durfte.  "Vielleicht sollten wir auch einfach hier übernachten. Wenn sie uns suchen, finden sie uns hier." Ich blieb stehen. "Hier?" Manuel sah sich um. Wir waren am Rand einer freien Fläche, direkt an einem Wald. Ideal für Wildschweine. Ich verzog meinen Mund. Dumme Idee. Auf eine Begegnung, mit paar Schweinen, hatte ich keine Lust. Im Hellen im Wald zu schlafen, war eine ganz andere Nummer, als im Dunkeln. 

Ich hörte plötzlich ein Knurren. Ich sah zu Manuel, der sich seine Hand auf seinen Bauch legte. "Ich sage doch, wir werden Verhungern." Er rieb sich über den Bauch. "Quatsch." Ich grinste. Dann aber, sah ich mich weiter um. Vielleicht sollten wir so weit gehen, wie wir kommen. Vielleicht bis zum nächsten Dorf. Bis es dunkel wurde, waren wir sicher da und von dort aus könnten wir telefonieren. Vielleicht holten uns unsere Eltern ja ab. "Manu? Das ist eine dumme Idee. Lass uns lieber nach Frielingsdorf gehen, um zu telefonieren. Das ist besser, als hier zu schlafen." Manuel fing an zu grinsen, während ich meinen Satz sprach. "Hast du etwa Angst?" Es war ein grinsen, welches mich Ansticheln sollte. Doch ich schnaufte nur auf. "Nach dem was eben passiert ist?" Manuel zuckte mit den Schultern. "Doch, ich habe etwas Angst", sprach ich dann weiter. Manuels lächeln wurde schief. Sanft sah er mich an. "Dann lass uns unsere Eltern anrufen gehen." Er griff wieder nach meiner Hand und zusammen gingen wir Richtung Frielingsdorf.

Wir standen an der Telefonzelle. Manuel kramte gerade ein paar Pfennig aus seinem Rucksack und warf sie anschließend in den Münzschlitz. Er wählte die Nummer seiner Eltern und hielt sich den Hörer ans Ohr. Dabei wickelte er das Kabel um seinen Finger. Mit den Zähnen fing er an, seine Unterlippe zu kauen. Geduldig warteten wir beide, bis jemand am anderen Ende abnahm. Und dann holte Manuel Luft und redete los. "Hey Mama, du, ehm. Könntest du Patrick und mich vielleicht aus Frielingsdorf abholen?" Er schob seine Augenbrauen zusammen und selbst ich hörte durch den Hörer, wie seine Mutter schimpfte. Sie schimpfte, was wir denn hier wollten, wieso wir weg sind und nicht Bescheid gegeben haben und wieso sie jetzt, um die Zeit, noch los müsste. Doch sie sagte zu und nur eine kurze Zeit später, fuhr der klapprige Mercedes vor und aus ihm stieg Manuels Mutter mit wütendem Gesicht. Sie kam auf uns zu, die Hände in die Hüfte gestemmt. "Wie seht ihr beiden denn aus?" Manuel und ich standen auf. Wir hatten uns an den Bürgersteig gesetzt, dicht aneinander, um zu kuscheln und uns zu küssen. Um die Zeit zu genießen, in der wir allein sein konnten. Die letzte Zeit, wo ich noch hier war. "Rein mit euch ins Auto und dann möchte ich eine Erklärung haben!" Seine Mutter zeigte wütend auf die rote Karre. Manuel und ich warfen uns noch schnell einen grinsenden Blick zu, stiegen dann aber wortlos ein.

Sommer 1983 / Kürbistumor&ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt