Die alte Waldhütte

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"Meint ihr wirklich, dass das so eine gute Idee ist?" Maurice stand unbeholfen vor uns, die Augenbrauen zusammengeschoben und die Lippen nach unten gezogen. "Wir werden schon nicht sterben", sagte Manuel und klopfte auf Maurice Schulter, während er an ihm vorbei ging. "Wir sind ja kein Schulleiter", fügte er dann noch hinzu. Maurice drehte sich eingeschüchtert um und sah Manuel nach, wie er schon die Straße entlang lief. "Da hat er recht", lachte ich und folgte Manuel. Ich war aufgeregt, was uns in der alten Waldhütte erwartete. Vielleicht alte Unterlagen von unserer Schule. Bilder von seiner Familie. Tote Tauben. Vielleicht auch eine tote Katze.

Dort stand sie. Die Bäume umwucherten das Haus aus Stein. Fenster waren zerstört, vor dem Haus lag Müll. "Ich will da nicht rein." Maurice blieb stehen. "Soll ich deine Hand halten?", fragte Michael lächelnd. Maurice sah auf Michaels Hand, die er ihm hinstreckte. "Ich bin kein Kind mehr", sagte er dann. Manuel lachte auf. "Aber fürchtest dich vor einem Haus." Er ging weiter. Manuel hatte bestimmt selber Angst, wollte es nur nicht zugeben. "Nun kommt." Seufzend ging ich hinter Manuel her. Im Augenwinkel erkannte ich, dass Maurice seine Finger doch mit denen von Michael verschränkte.

Die Tür lehnte nur an. Mit dem Zeigefinger drückte Manuel sie auf. "Hallo?", rief er hinein. Sofort zischte Maurice auf und zog Manuel an den Schultern zurück. "Du kannst doch nicht reinrufen." Doch Manuel schüttelte ihn ab. "Stell dich nicht so an." Dann machte er die Tür ganz auf. So konnten wir ins innere des Hauses sehen.

"Leute." Maurice schluckte hörbar. "Ist euch eigentlich klar, dass hier, hier wo wir gerade stehen, ein Mord geschehen ist?" Seine Stimme fing an zu zittern. Ich senkte meinen Blick zu unseren Füßen. Genau hier, wo wir den Boden berührten, stand der Mörder. "Und dann zog er die Waffe, zielte auf den Kopf des geschockten Schulleiters und drückte ab. Die Kugel flog, traf den Kopf und schleuderte Blut und Hirnmasse durch den ganzen Flur." Manuel grinste Maurice an, der wieder nur ganz Blass wurde. "Bestimmt klebt noch etwas Rest an der Tapete. Sehen wir doch nach." Schon trat Manuel ein.

Die Dielen knirschten unter unseren Füßen. Fahles Licht fiel durch die Tür. Es war dunkel in dem Flur. "Ich habe an eine Taschenlampe gedacht." Michael holte aus seiner Bauchtasche eine Lampe hervor und knipste sie an. "Leuchte mal die Wände an", befahl Manuel flüsternd. Ich spürte die Hand von Maurice, wie sie ängstlich an den Stoff meines T-Shirts griff.

Michael leuchtete die Wände ab. Die Tapete schälte sich schon von den Wänden. In einer Ecke war schwarzer Schimmel zu erkennen, weswegen Maurice auch sofort die Hand vor Nase und Mund legte. Zudem hingen überall, wo man auch hinsah, spinnenweben. An der Wand hingen Bilder in schönen Bilderrahmen, die jedoch alle schief waren. Aber Blutspuren sah man an der Wand nicht.

Sommer 1983 / Kürbistumor&ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt