Mein Blick lag auf dem Zeiger der tickenden Uhr. Fünf, vier, drei, zwei, eins, rrrrr. Meine Klassenkameraden standen auf und packten ihre Bücher in ihre Ranzen. Grinsend fing ich ebenso damit an. Somit war der erste Tag der letzten Schulwoche vorbei. Nur noch zwei Mal den Zeiger anstarren, dann waren wir Frei. Frei für paar Wochen.
"Machen wir heute was?" Manuel legte seinen Arm um meine Schulter, schmatzte mir mit seinen Kaugummi ins Ohr und grinste. "Nach dem Mittagessen." Ich steckte meinen Notizblock in den Rucksack und machte ihn dann zu. "Ihr auch?" Manuel richtete sich an Maurice und Michael, die sich gerade mit an meinen Tisch stellten. "Ich muss zuerst meine Hausaufgaben machen", meinte Maurice in schuldiger Tonlage. Manuel seufzte. "Und du?" Michael nickte. "Nach den Hausaufgaben habe ich Zeit." "Dann kommt einfach zu mir. Meine Mutti ist eh arbeiten. Dann können wir ins Baumhaus gehen oder zum See." Manuel klatschte mit den Händen zusammen. "Zum See" Maurice runzelte die Stirn. "Ja?" Wir verließen den Klassenraum. Manuel neben Maurice, ich mit Michael hinter ihnen her. "Da sind doch sicher die blöden aus dem Neubaugebiet." In Maurice Stimme lag abwertung.
Wir und die aus dem Neubaugebiet waren Feinde. Wenn man es so sagen konnte. Wir wohnten, alle in der selben Straße. Schon immer. Und dort wo die neuen Häuser gebaut wurden, haben wir als Kinder gespielt. Auf den Wiesen. Früher standen dort Schafe und Ziegen, die wir gefüttert hatten. Doch dann ist Bauer Sigmund gestorben und sein Enkel hat die Wiesen an die Stadt verkauft. Der Baulärm war lange zu hören. Im ganzen Dorf. Es war nervig. Selbst die alten Männer und Frauen konnten die Neuen nicht leiden. Seit nun schon drei Jahren, stand eine seelische Mauer zwischen den aus dem Neubaugebiet und denen aus dem Altort.
Erzählend liefen wir aus der Schule heraus und setzten uns auf eine Bank, die noch frei war. Wir beobachteten gerne das Chaos, was bei den Bussen herrschte. Wir Vier liefen immer nach Hause. Es war nicht weit bis zum Altort. "Glaubt ihr, es ist schon mal jemand vom Bus überfahren worden, weil die so gedrängelt haben?", fragte Manuel in die Runde. Er saß neben mir und schaute auf die Schüler und der Lehrerin, Frau Schwarz, die versuchte, die Schüler zu ordnen. Es brachte jedoch nichts. "Wenn, haben die das Geheim gehalten." Michael grinste. "Wurde in den 60er Jahren nicht mal der Schulleiter erschossen?", fragte Maurice ängstlich hinein. Ich sah ihn an. Ich hatte auch schon davon gehört. Allerdings hatte mir meine Mutter gesagt, ich soll bloß niemanden davon erzählen. Das gehörte sich nicht. Ich hatte damals gefragt, ob der Mörder je gefunden wurde. Sie sagte, dass er womöglich geflüchtet war. Doch gefasst, wurde er nie. "Als ob." Manuel war begeistert und lachte auf. "Darüber lacht man nicht." Maurice war empört über Manuels Gekicher. "Der Mörder muss die Schule echt gehasst haben, wenn er den Leiter umbringt." Ich musste grinsen. "Ich wette, dass war der selbe Täter, der damals das kleine Mädchen ermordet und im Wald vergraben haben soll", murmelte Maurice. "Ach, der ist sicherlich über alle Berge." Ich klopfte ihm auf die Schulter. Maurice war ein Angsthase, der sich um alles einen Kopf machte und das Zittern anfing.
"Lass mal nach Hause. Ich bekomme Hunger." Nun richtete ich mich auf. "Ich will keine Hausaufgaben machen", stöhnte Michael genervt, stand aber ebenso auf und schulterte seine Tasche aus Leder. "Hausaufgaben." Maurice lächelte. "Streber." Manuel boxte Maurice leicht und sprang auf die Füße. "Ich bin kein Streber", beschwerte sich Maurice. Wir fingen an zu lachen. Maurice war einer der stillen Schüler, die sich nie meldeten aber dennoch ein gutes Zeugnis hatten. Er war Klassenbester. Doch abschreiben ließ er uns nie. Helfen wollte er uns schon. Aber nur durch erklären. Doch das brachte meistens nichts. Gerade Manuel hätte dringend Hilfe nötig. Doch er klaute lieber Maurice Hausaufgaben, verschanzte sich auf dem Klo und schrieb ab. Oft hatte Maurice schon gegen die Klotür gehämmert und seine Hausaufgaben zurück gefordert. Allerdings ohne Erfolg.
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Hallo Leute,
wieder eine neue Geschichte. Sie wird abwechselnd mit der anderen Story kommen. Ich hoffe sie gefällt euch :)
Lasst gerne Kritik in den Kommentaren da.
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Sommer 1983 / Kürbistumor&Zomdado
FanficEs waren bald Sommerferien. Endlich war Zeit für Patrick und seine Freunde, um im Dorf Abenteuer erleben können. Nur leider war es der letzte Sommer, den Patrick mit seinen Freunden verbringen konnte. Sein Vater hatte einen Job in der Stadt angenomm...