Detektive

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Überlegend gingen wir durch den Wald, zurück zum Dorf. "Horst Freidung", murmelte Maurice immer wieder. Wir hatten die Zeitschriften mitgenommen. Es war das einzige, was interessant war. Neben einen Block, wo kritzelleien drin waren. Ebenso von dem besagten Horst Freidung. Wir wollten herausfinden, wer er war und was er in der alten Waldhütte zu suchen hatte. "Wie hieß der Schulleiter mit Nachnamen?", fragte ich an Maurice gewandt. Er hatte die meiste Ahnung über das Ganze. "Nicht Freidung", antwortete er mir. Ich seufzte. Das wäre auch eine zu schnelle und gute Erklärung gewesen. Der Sohn oder Enkel, der sich in dem Haus niedergelassen hatte. "Ich frage nachher meinen Bruder. Vielleicht weiß er was über diesen Horst. Ich meine, man müsste hier doch jeden kennen. Eigentlich." Er brach einen Ast ab, der uns den Weg versperrte. "Dann spiel mal Detektiv, Manu", grinste Michael und stapfte hinter ihm her, gefolgt von mir und Maurice. "Wir sind alle Detektive. Wir klären auf, wer Horst war." Er hob den Stock hoch und bewegte ihn auf und ab. Ich grinste. Ein Abenteuer war gefunden.

(...)

Ich saß mit meinen Eltern auf dem Sofa, vor unserem Fernseher. Da es Ferien waren, durfte ich aufbleiben. Gerade lief die Tagesschau zum Sendeschluss. Gebannt sahen meine Eltern auf den Fernseher, während der Sprecher uns erzählte, dass die Ferien in Nordrhein-Westfalen anfingen. Ebenso die Werksferien von VW und Opel. Ich seufzte. Viele fuhren jetzt in den Urlaub und genießen Abkühlung am Meer oder an Seen. Wir blieben hier. Weil wir packen mussten.

Als der Sprecher die Wettervorhersage für den morgigen Tag vorlas, hob ich meinen Kopf. Siebenundzwanzig bis zweiundreißig Grad. Vielleicht konnten wir morgen an den See gehen. Maurice, Michael, Manuel und ich. Ich baumelte mit den Beinen hin und her und starrte auf den blauen Bildschirm, wo die Programmvorschau lief. "Jetzt gehst du aber ins Bett." Meine Mutter stand auf und räumte die Zigaretten vom Tisch. Vermutlich ging sie ihre letzte Zigarette vor dem schlafengehen rauchen. "Okay." Etwas zerknirscht richtete ich mich auf und sagte meinen Eltern gute Nacht, bevor ich auf mein Zimmer ging und mich aufs Bett warf. Meine Augen blieben offen. Draußen hörte ich einen Hund kläffen. Bestimmt der von Bauer Heinz. Der Hund schlug immer an. Selbst, wenn nur eine Katze über seinen Hof lief.

Ich drehte mich auf die Seite. Horst Freidung. Wer war das? Kannte meine Mutter ihn vielleicht? Sie war hier aufgewachsen. Sie musste ihn kennen, wenn er hier gelebt hatte. Ich wollte sie fragen. Gleich am nächsten Morgen beim Sonntagsfrühstück. 

Und so kam es auch. Die Eier stellte sie gerade vor meinen Vater hin, der seinen Kopf in die Zeitung steckte und an seinem Kaffee nippte. "Nimm dir ein Brötchen, Paddy." Mama zeigte auf den Brotkorb. Sie selbst war noch mit ihrer Tasse Kaffee beschäftigt. Ich griff ein Brötchen, das scharfe Messer und schnitt es vorsichtig auf. "Du Mama?", fing ich an. "Was ist denn?" Sie setzte sich nun mit an den Tisch. Ich schaute kurz zu meinem Vater, dessen Gesicht aber hinter der Zeitung versteckt war. "Kennst du einen Horst Freidung?" Gespannt sah ich sie an. Ihre Augenbrauen schoben sich leicht zusammen. Ihr ganzer Blick sagte Verwirrung aus. "Warum möchtest du etwas über ihn wissen?" "Nur so. Ich habe seinen Namen aufgeschnappt und wollte wissen, ob du ihn kennst." Mama nahm sich ein Brötchen. "Ja. Er ging auf die Schule, in meine Parallelklasse. In dem Jahr, an dem wir die Schule verlassen hatten, wurde der Schulleiter ermordet. Horst war der Hauptverdächtige, wurde aber, wegen Mangel an Beweisen, wieder frei gelassen. Danach verschwand er spurlos. Nie wieder hat jemand von ihm was gehört. Nicht einmal seine Mutter. Frau Freidung war eine herzliche Frau. Und selbst sie glaubt daran, dass Horst den Schulleiter umgebracht hat. Schließlich hätte er sich sonst nicht aus dem Staub gemacht." Mama seufzte. Mit weiten Augen hatte ich ihre Erzählung gelauscht. 

Das hieße, dass Horst sich, all die Jahre, in der Waldhütte verschanzt hatte. Dort, wo er jemanden umgebracht hatte. Doch warum? Und wieso wurde er nicht entdeckt? Ich war durcheinander. Oder er kam 1969 wieder zurück. Unbemerkt und Still und zog sich in die Waldhütte zurück. Es waren so viele Fragen, die ich aufklären wollte. 

Sommer 1983 / Kürbistumor&ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt