𝒞𝒽𝒶𝓅𝓉𝑒𝓇 ③ ✰ 𝒥𝓊𝓃𝑔𝓀𝑜𝑜𝓀 ✰

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Blinzelnd öffne ich meine Augen und werde sogleich von der warmen Mittagssonne begrüßt, welche mir frech ins Gesicht scheint. Ein Blick auf mein Smartphone verrät mir, dass wir es bereits 13.00 Uhr haben und ich somit die Frühstückszeit in diesem Krankenhaus verschlafen habe. Dennoch scheint eine der Schwestern mir netterweise mein Essen aufs Zimmer gebracht zu haben, weshalb ich ihr innerlich schnell dafür danke und anschließend hungrig über das Essen herfalle.

Es schmeckt längst nicht so gut wie zu Hause, aber es reicht vollkommen aus. Auch wenn ich mich im besten Krankenhaus von Seoul befinde, kann es hier natürlich nicht die hinreißenden Kochkünste unserer angestellten Köchin zu Hause geben, womit ich mich aber mittlerweile abgefunden habe. Das ist momentan meine kleinste Sorge...

Wenn es nach mir ginge, bräuchten wir sie nicht, aber ab und zu war es schon ganz praktisch jemanden zu haben, der dir Essen kocht, wenn deine Eltern keine Zeit dafür oder generell für dich haben. So ist das nunmal, wenn man berühmt ist, denke ich.

Ich möchte mich nicht beschweren, denn bis zum jetzigen Zeitpunkt konnte ich ohne jegliche Probleme in der Welt herumspazieren.

Dann jedoch kam das wohl schrecklichste Ereignis meines gesamten Lebens, womit mir so gut wie alles genommen wurde. Nicht nur die Fähigkeit zu Laufen wurde mir genommen. Mit ihr ist meine Familie, die wohl wichtigsten Menschen meines Lebens gegangen und beide Dinge werden nie wieder kommen. Und die Schuld dafür trägt alleine-

Ein Klopfen unterbricht glücklicherweise meinen trüben Gedankenfluss und lässt mich aus meiner Starre erwachen. "Ja?", frage ich zögerlich und schaue gespannt zur weißen Tür des ebenfalls weißen Krankenzimmers. Jedoch ist es nur eine der Schwestern, welche mich wie so oft am Tag besuchen, um nach mir zu schauen. Wie immer antworte ich, dass alles in Ordung sei und ich nichts benötigen würde. Sie nickt darauf hin nur und gibt mir Bescheid, dass Dr. Kim nachher noch nach mir schauen würde. Ich nicke ebenfalls und widme mich dann wieder meinem Essen, während sie den Raum verlässt.

Es ist jeden Tag das selbe, die selbe Frage und die selbe Lüge, meinerseits. Es sind genau zwei Wochen vergangen, seit ich aus meinem Koma erwacht war und mir gesagt wurde, dass für meine Familie bedauerlicherweise jegliche Hilfe zu spät gekommen war. Nur mich konnten sie retten, jedoch nahm mir der Unfall die Fähigkeit zu Laufen. Und das für immer. Die ersten Nächte hier im Krankenhaus waren die Hölle für mich. Ich habe geweint, viel und wollte mit niemandem reden. Man hat mir einen Psychater vorgestellt, aber ich habe ihn wieder weggeschickt. Der wohl Einzige, der zu mir durchdringen konnte, ist Dr. Kim.

Er ist der beste Arzt hier in Seoul's Krankenhaus und das erstaunliche ist, dass er noch nicht einmal in seinen Dreißigern steckt. Wahrscheinlich vertraue ich ihm deshalb so sehr, weil ich mich bei ihm wohl fühle. Es scheint fast, als wären wir auf freundschaftlicher Ebene. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mich so oft wie möglich besucht und ich momentan einer seiner wichtigsten Patienten bin. Und das liegt nicht daran, dass ich der älteste Sohn der Familie Jeon bin.

Natürlich kannte er mich bereits aus den Medien, aber zum Glück hat er keine voreiligen Schlüsse gezogen und mich bei unserem ersten Treffen wie jeden anderen Menschen auch behandelt.

Ich glaube nicht an Zufälle. Es gibt für alles einen Grund, für jede Begenung und jedes Ereignes. So auch dafür, dass ich Jin kennengelernt habe und vielleicht werde ich irgendwann einmal den Grund dafür erfahren, warum meine Familie sterben musste und nur ich zurück geblieben bin. Vielleicht ist das hier mein Schicksal...

Etwas später widme ich meiner täglichen Krankenhaustour, da mir nichts anderes übrig bleibt als damit in Bewegung zu bleiben und ich nicht den ganzen Tag in meinem stickigen Zimmer verbingen möchte. Lieber stosse ich auf ein paar alte Senioren und unterhalte mich mit ihnen über Gott und die Welt, als den ganzen Tag lang nichts zu tun. Außerdem muss ich mich an das neue Hinderniss meines damit verbundenen, neuen Lebens gewöhnen: Dem Rollstuhl.

𝐇𝐎𝐒𝐏𝐈𝐓𝐀𝐋 𝐁𝐎𝐘 - ᵗᵏ.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt