family stories

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Die Familie ist die Heimat des Herzens.
~ Guiseppe Mazzini

D E X T E R

Mein Blick fiel von der Wolkenlandschaft vor dem kleinen Fenster des Flugzeugs auf meinen Arm. Unter den 3/4-langen Ärmeln meines Oberteils blitzte ein strahlend weißes Pflaster hervor, das den Schnitt abdeckte, den das Messer mir verpasst hatte. Jemand ließ sich auf den Sitz mir gegenüber fallen und ich schaute auf. "Dr. Reid, was kann ich für Sie tun?" "Meine Kollegen und Freunde nennen mich Reid, Spencer oder Spence." Er rümpfte leicht die Nase, dann schaffte er es sogar, kurz zu lächeln. "Es tut mir Leid, wenn ich zu abweisend oder unfreundlich war. Emily war eine sehr gute Freundin und ich vermisse sie." So wie ich ihn einschätzte, war er niemand, der gerne und oft über seine Gefühle sprach, weshalb ich diese Aussage sehr zu schätzen wusste und ebenfalls lächelte. "Schon vergessen. Ich bin Dexter, Dex oder Jess, wie du willst." "Freut mich dich kennenzulernen, Dexter. Willkommen im Team. Ich habe vorhin gesehen, dass du deine Bücher auch rückwärts liest. Wieso tust du das?" "Es gibt Sprachen, bei denen von rechts nach links gelesen wird, weshalb ich das auch mit Büchern trainiere, die man eigentlich von links nach rechts liest. Aber ich habe gesehen, dass du dich mit Quantenphysik beschäftigst, ein wirklich interessantes Thema. Hast du dazu schon 'Von der Quantenphysik zum Bewusstsein' von Brigitte und Thomas Görnitz gelesen? Sie erläutern das Konzept der Protyposis wirklich beeindruckend." Reids Augen begannen zu strahlen und in den nächsten zwei Stunden unterhielten wir uns ausführlich über die verschiedensten Themen. Irgendwann kam JJ zu uns und setzte sich schräg gegenüber. Lächelnd beobachtete sie uns eine Weile, dann schaute sie auf die Uhr und unterbrach uns. "Ihr sollet auch mal versuchen zu schlafen. Wir landen in vier Stunden." Ich nickte, dann zog ich meine Schuhe aus und setzte mich in den Schneidersitz. Meine Jacke knüllte ich zu einem Kissen zusammen und schloss die Augen. Ganz einschlafen konnte ich nicht, das ging seit meiner Entführung nicht mehr. Ich verfiel in einen leichten Schlaf, bis jemand mich vorsichtig antippte. Ich schreckte hoch und schaute direkt in Morgans braune Augen. "Wir landen in ein paar Minuten." "Danke." Er nickte bloß und setzte sich wieder auf seinen eigenen Platz, ich schüttelte meine Jacke aus und zog meine Schuhe an, dann schaute ich aus dem Fenster bis wir auf dem Boden aufsetzten. Mit SUVs fuhren wir zum Hautpquartier, wo ich noch schnell einen Teil des Papierkrams machte und mich dann von den anderen verabschiedete. Auf dem Weg zum Aufzug stieß ich mit jemandem zusammen. Es war Garcia, die mir zu meiner Überraschung ein Lächeln schenkte. "Zu Ihnen wollte ich gerade. Tut mir Leid, dass ich gestern so- na ja war. Ich vermisse Ihre Vorgängerin ganz schrecklich, aber dafür können Sie ja nichts und deshalb wollte ich fragen, ob wir nochmal von vorne anfangen können?" Ich biss mir auf die Lippe und nickte schmunzelnd, dann hielt ich ihr meine Hand hin. "Hi, ich bin Jessica Dexter, das neue Teammitglied. Freut mich dich kennenzulernen." Anstatt meine Hand zu schütteln, zog sie mich in eine feste Umarmung, die ich überrumpelt erwiderte. "Hi, ich bin Penelope Garcia. Willkommen bei der BAU."

Erschöpft schloss ich die Haustür auf und schloss sie leise hinter mir. Stella, die Nanny, lag schlafend auf der Couch, obwohl ich ihr schon unzählige Male angeboten hatte, in meinem Arbeitszimmer ein Feldbett aufzustellen. Vorsichtig rüttelte ich sie wach und lächelte sie an. "Guten Morgen, ich bin wieder da." "Guten Morgen. Wie viel Uhr ist es?" "Kurz vor sieben. Ich wollte Frühstück machen, möchtest du mitessen?" Sie nickte lächelnd. "Ja, das wäre super. Aber ich kann auch das Frühstück machen und du nimmst die Dusche, ohne die du den Tag nicht überstehst." Ich lachte leise, sie kannte mich mittlerweile wirklich gut. "Das wäre sehr lieb. Ich bin wirklich kaputt." "Alles klar, dann mach ich mal ein paar Pancakes zur Feier deiner Rückkehr." Sie erhob sich und lief ins Gästebad, ich ging die Treppe hoch und stieg schnell unter die Dusche. Das kalte Wasser spülte mir den Fall vom Körper und aus dem Kopf und als ich schließlich in ein Handtuch gewickelt vor dem Spiegel stand, lächelte ich leicht. Das Team war nett, sie schienen einen unglaublichen Zusammenhalt zu haben, wie eine Familie. Ich seufzte leise und rubbelte meine Haare trocken, dann lief ich in mein Schlafzimmer und suchte mir frische Kleidung heraus. Eine simple Jeans, ein Top und ein karriertes Hemd, das ich offen ließ darüber, dann schlüpfte ich in meine Hausschuhe und lief nach unten in die Küche, wo Stella kurz davor war, die ersten Pancakes fertig zu haben. Ich deckte den Tisch und stellte Sirup und andere Beilagen dazu, dann lief ich wieder nach oben, um Lexie zu wecken. Vorsichtig öffnete ich ihre Zimmertür und betrat den Raum, der überwiegend in grün und blau gehalten war. Die Kleine liebte diese Farben schon seit sie ein kleines Mädchen war und wenn ich mit rosa oder rot gekommen war, hatte sie immer lautstark protestiert. Lächelnd ließ ich meinen Blick über die Wände gleiten, an denen Bilder von ihr und mir hingen. Auch einige mit Stella befanden sich dort, denn sie war eigentlich längst mehr als eine Nanny für Lexie. Leicht den Kopf schüttelnd betrachtete ich den Schreibtisch, der mal wieder völlig chaotisch war. Zwischen zwei Schulbüchern entdeckte ich die Zipfel einer leeren Chipstüte, direkt daneben war Lexie ganz offensichtlich an ihren Hausaufgaben verzweifelt, denn die Schrift auf ihrem Block wurde immer größer und unsauberer und sie hatte zunehmend ganze Zeilen durchgestrichen. Die Gitarre, die ich ihr zum neunten Geburtstag geschenkt hatte, lehnte neben der Fensterbank, die extra breit und stabil war, damit man sich gemütlich daraufsetzen konnte. Wie immer war die Jalousie nicht ganz unten, sondern ließ einige Lichtstrahlen durch, die Lexie ins Gesicht fielen. Lächelnd setzte ich mich auf ihre Bettkante und hauchte ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn. "Guten Morgen, Süße. Es ist Zeit aufzustehen." Meine Tochter blinzelte irritiert und öffnete die Augen, dann erkannte sie mich und begann zu strahlen. Im nächsten Moment fand ich mich in einer festen Umarmung wieder, die mir fast die Luft abschnürte. "Du bist wieder zu Hause." "Ja, ich bin wieder da. Wir haben den Fall noch gestern Nacht gelöst und sind dann bis heute morgen geflogen. Machst du dich schnell fertig? Stella hat für uns alle Pancakes gemacht." Sofort wurden Lexies Augen noch größer, denn sie liebte Essen über alles und Stellas Pancakes waren wirklich fantastisch. Lächelnd drückte ich meiner Tochter noch einen Kuss auf den Scheitel, dann verließ ich ihr Zimmer und wollte gerade nach unten laufen, als mir noch etwas einfiel. Unsicher betrat ich mein Arbeitszimmer und holte aus meinem Tresor das Fotoalbum. Es war das einzige, in dem sich auch Bilder aus meiner Zeit vor Lexie befanden. Eine Zeit, die ich eigentlich verdrängt hatte. Aber Morgan brachte alles wieder zurück in meinen Kopf. Seufzend blätterte ich das Album durch, bis ich bei einem Bild von ihm und mir hängen blieb. Wir waren noch so unfassbar jung, dass ich fast gelacht hätte. Morgan hatte seinen Arm um mich gelegt und wir grinsten gemeinsam in die Kamera. Ich konnte mich noch genau daran erinnern, wie das Bild gemacht worden war. Morgans Team hatte gerade ein Spiel gewonnen und ich war wie immer unglaublich stolz auf ihn gewesen. Auf den nächsten Seiten befanden sich ausschließlich Bilder von meinem ehemaligen besten Freund und mir, es waren unzählige, doch jedes einzelnde löste weitere Schmerzen in mir aus. Und dann war ich beim letzten Foto angelangt. Die Tränen liefen mir über die Wangen, während ich Morgan betrachtete, der mir einen Kuss auf die Wange drückte, was mein damaliges Ich verlegen zu Boden schauen, aber trotzdem lächeln ließ. Er trug einen Anzug und ich ein Kleid, es war der Abend des Abschlussballs gewesen. Zwei Tage später war ich entführt worden. Bevor ich tiefer in meinen Strom an Erinnerungen gesogen werden konnte, klappte ich das Album entschlossen zu und verstaute es wieder im Tresor, dann wischte ich mir die Tränen weg und blinzelte einige Male. Lexie hatte mich schon ein paar Mal weinen sehen, aber an die meisten Male konnte sie sich nicht erinnern, weil sie noch zu klein gewesen war. Trotzdem wollte ich nicht, dass sie meine schwachen Momente mitbekam. Mit gestrafften Schultern verließ ich das Arbeitszimmer und lief runter in die Küche, wo Lexie nur wenige Sekunden nach mir erschien. Gemeinsam setzten wir uns an den Tisch und begannen zu essen, wobei ich Lexie ab und zu beobachtete. Sie sah aus wie ihre leibliche Mutter und wieder einmal dachte ich an das junge Mädchen, wie es schreiend vor mir lag und in dem Moment, in dem ihr Baby zum ersten Mal schrie, ihren letzten Atemzug tat. Ruhe in Frieden, Ruthie.

Profile Me (Criminal Minds FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt