Natürlich war es Nevio nicht entgangen, dass Darian in letzter Zeit immer häufiger bei ihnen ein - und aus lief. Er hockte im Wohnzimmer, saß mit am Essenstisch, hing in Daphnes Zimmer ab und arbeitete natürlich mit in der Bar. Und auch wenn der Junge es nicht öffentlich zugeben würde, so war er sich fast sicher, dass es sich bei diesem Darian O'Neil, den er vor fast zwei Wochen noch über Nacht im Wohnzimmer eingesperrt hatte, um keinen Mörder handelte. Höchstwahrscheinlich zumindest nicht.
Es war halt einfach normal, dass Darian bei ihnen war. Nevio hatte sich an ihn gewöhnt und er wusste, dass vor allem seine Mutter und Daphne ihn kaum noch aus ihrem Familienleben wegdenken konnten.Es war ein normaler Samstagabend, an dem Darian schon seit sechzehn Uhr bei ihnen war. Wie es eben öfter am Wochenende vorkam, waren George und Megan außer Haus. Entweder trafen sie sich mit Freunden oder waren geschäftlich unterwegs um neue Kreationen und Ideen für ihre Bar zu sammeln.
Nevio lag in seinem Zimmer auf dem Bett, doch anders als sonst war Yoda nicht zu ihm gekommen, sondern hatte sich auf dem hölzernen Boden zu einer Kugel zusammen gerollt.
War ihr nicht kalt? „Willst du nicht herkommen, Yoda?“ fragte er leise als er das Lachen von nebenan hörte. Daphne und Darian schienen sich ja prächtig zu amüsieren, aber die Tatsache das die beiden Spaß hatten und Yoda sich nicht einmal zu Nevio gesellte, machte ihn ein wenig traurig.
„Dann nicht“, murmelte er und richtete sich auf, „Ich muss die Bar sowieso gleich öffnen“, Nevio schlich vorsichtig zu seiner Katze herüber und hockte sich zu ihr, ließ seine Finger über das weiche Fell gleiten. „Yoda?“ besorgt runzelte er seine Stirn, doch hob sie lediglich verschlafen den Kopf und blinzelte Nevio aus den grünen Katzenaugen an. „Hast du abgenommen? Heute Abend gibt es eine extra Portion, versprochen.“Nun aber musste der Junge sich um die Bar kümmern und ging zu seinem Kleiderschrank herüber, alles war nach Farben sortiert und er griff zu einem der schwarzen Hemden die er für die Arbeit trug, tauschte seinen gemütlichen grauen Hoodie dagegen ein und lehnte seine Tür hinter sich nur an damit Yoda jederzeit hinaus konnte. Doch dann blieb er unschlüssig vor Daphnes Tür stehen, die beiden hatten ebenfalls Schicht, aber es schien als hätten sie die Zeit vergessen. Sollte er klopfen?
Wie von selbst presste Nevio sein Ohr an die Tür. Er wollte hören über was sie redeten. Ihm war klar, dass Daphne ihn einen Kopf kürzer machen würde, wenn sie ihn erwischte, doch das war gerade egal. Nevio bemerkte kaum noch, wie die Zeit verstrich, ehe er den eisenhaltigen Geschmack von Blut auf seiner Zunge spürte. Er hatte sich die Unterlippe blutig gebissen. Wie aus Reflex wischte er sich mit dem Ärmel des Hemdes über die Lippen und stolperte dann nach vorne, als Daphnes Zimmertür geöffnet wurde.Nur gerade so konnte Nevio sich noch auf den Beinen halten, stolperte aber gegen Darians starke Brust und errötete automatisch. Schüchtern senkte Nevio seinen Blick auf den Boden, als er Daphnes fauchenden Laut hörte. "Hast du etwa gelauscht?!" Nevio wusste, dass seine Schwester das nicht leiden konnte, darum schüttelte er entschieden den Kopf. "Nein...nein, ich hab nur...also ich wollte euch sagen, dass wir gleich öffnen und.." Das Gefühl eines Tropfens, der an seinem Kinn klebte, ließ Nevio innehalten. Instinktiv wischte er sich über das Kinn und blickte auf den nun blutroten Finger hinab.
"Warum blutest du?",wollte Daphne verwirrt wissen und ging zu ihrem Bruder herüber, um ihn aus dem Zimmer zu schieben, denn so tropfte er ihren Boden voll. "Naja ich.." Unsicher schielte er zu Darian herüber, der seine Hände in den Hosentaschen vergraben hatte.
"Geh dich sauber machen und komm dann runter, Darian und ich gehen schon vor",beschloss die Ältere der beiden Geschwister und griff nach Darians Hand, um ihn mitzuziehen.Sie griff nach seiner Hand. Warum griff sie denn nach seiner Hand? Gedanken an vermischten Handschweiß und dadurch zusammenklebenden Händen kamen ihm in den Sinn und er verzog automatisch sein Gesicht. Widerlich. Auf der anderen Seite fiel ihm wieder ein, dass Darian so schöne Hände hatte und...hm...vielleicht würde Nevio die auch freiwillig festhalten. Zumindest mal ausprobieren. Nur ganz kurz. So 14 Minuten.
Ohne noch länger zu zögern, griff Nevio nach einem Taschentuch, welches er sich auf die Lippe presste. Mit einem alten Handtuch wischte er den Boden sauber und eilte dann in sein Zimmer, wo er den Kleiderschrank erneut öffnete. Schwarz war ganz links eingeordnet, sodass er eines seiner sauberen Arbeitshemden vom Bügel nahm und aufs Bett legte. "Hey, Yoda?" Noch immer hatte seine Katze sich nicht bewegt, sie lang noch genauso dort wie Nevio sie zurückgelassen hatte. Das machte ihm natürlich Sorgen, denn normalerweise war Yoda aufgeweckter, verfolgte ihn auf Schritt und Tritt - sie waren unzertrennlich. "Yoda.." Erneut strich Nevio durch das weiche Fell. Bildete er es sich nir ein oder war sie tatsächlich viel dünner geworden. Sanft zog Nevio das erschöpfte Tier an sich und hob sie auf seinen Arm. Seine Händen umfassten dabei sanft ihren Bauch und er drückte ihren Körper vorsichtig an Seinen. "Hm?",machte er leise und stupste sie liebevoll an. "Wollen wir mal schauen gehen, was du heute schon gegessen hast?"
Ohne zu zögern trug er Yoda in die Küche, wo ihr Futternapf fast leergegessen war, der Wassernapf war allerdings komplett leer. Sonst trank Yoda doch auch nicht so viel. Was war los? War sie krank? Ging es ihr etwa nicht gut? Nevio spürte die Panik in sich aufsteigen und er atmete hektisch, als er Yoda auf die Waage im Badezimmer gesetzt hatte. Sie aß doch normal, warum hatte sie dann so viel Gewicht verloren? Die Horrorszenarien in seinem Kopf malten sich ganz automatisch zu einem Bild zusammen, welches ihn erzittern ließ. Schon seit Tagen war Yoda komisch drauf gewesen, aber ihre müden und halb geschlossenen Augen kombiniert mit dem rapiden Gewichtsverlust machten ihm echt Angst.
"Yodalein..",wimmerte er leise und drückte die Katze wieder fest an sich. "Es wird alles gut, okay? Ich versprechs dir.." Die Tränen brannten Nevio in den Augen und kullerten im nächsten Moment schon seine vergleichsweise kühlen Wangen hinab. Zu groß war die Angst, sie ein für alle Mal verlieren zu können. "Ich hab dich lieb. Ich hab dich so lieb.." Diese Worte hatte der Junge ihr leise ins Ohr gesagt, folgen tat ein halb ersticktes Schluchzen.
Nevio glaubte, sein Herz würde gleich aussetzen, als er mit Yoda auf dem Arm im Sprint nach unten in die Bar hetzte. Yoda hatte sich nun wieder an ihn gekuschelt, doch nicht mal das konnte Nevio gerade trösten. Er wollte einfach nur, dass es ihr gut ging."Daphne! Hilfe!" Mit tränenüberströmtem Gesicht und der erschöpften Katze auf dem Arm war Nevio hinter seiner Schwester aufgetaucht, die sich langsam zu ihm umdrehte. Nur aus dem Augenwinkel bekam der Junge mit, wie auch Darian zu ihnen eilte.
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Lasting Crush [bxb]
Teen FictionWahre Liebe hält für immer, oder etwa doch nicht? Als seine Schwester Daphne plötzlich Darian, den neuen Angestellten in der Bar seiner Familie, zum Übernachten zu ihnen nach Hause einlädt, ist Nevio überhaupt nicht begeistert. Aber irgendwas Anzie...